Während der Fußball-EM lief der Rettungsdienst in Berlin gerade noch so rund. Doch kaum war das Endspiel vorbei, brach das Chaos aus: Notfallrettung im Ausnahmezustand.
Von mittags bis spät in den Abend stand die Berliner Feuerwehr neulich mal wieder am Rande des Kollapses. Der Grund? Zu wenige Rettungswagen (RTW) im Einsatz. Wer in diesen Stunden einen Unfall hatte oder einen Herzinfarkt erlitt, musste das Beste hoffen, schreibt die Berliner Zeitung. Denn die Zeit bis zum Eintreffen der ersten Helfer verlängerte sich dramatisch.
Ausgerufen werde der „Ausnahmezustand Rettungsdienst“ (AZ) von der Feuerwehrleitstelle, wenn mehr als 80 Prozent der RTW unterwegs sind und die Einsatzzeiten nicht mehr eingehalten werden können. Dann müssten Feuerwehrleute von den Löschfahrzeugen in die Rettungswagen – der Brandschutz bleibt auf der Strecke.
Im Ausnahmezustand dürfen RTW nur für das Nötigste aus dem Betrieb genommen werden: Material auffüllen ja, putzen und Pausen nein. Die Berliner Feuerwehr ist dringend auf Unterstützung von Hilfsorganisationen angewiesen. Doch auch hier herrscht Mangel. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) ließ zuletzt fünf von neun RTW unbesetzt. Bei den Johannitern, Maltesern und dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) sah es ähnlich düster aus, schreibt die Berliner Zeitung.
Zu wenig Personal bei den Rettungsdiensten
Auch in den Folgenächten fehlten vergangene Woche bei DRK, Johannitern und Maltesern mehrere RTW. Nur der ASB hatte zeitweise alle Fahrzeuge im Einsatz. Während der EM-Wochen sah es bei den Hilfsorganisationen nicht viel besser aus. Trotzdem wollte Berlin nicht als schlechtes Beispiel dastehen. Urlaube wurden eingeschränkt, Überstunden ausgezahlt und Lehrgänge ausgesetzt, um den Rettungsdienst personell gut aufzustellen. Behördensprecher Vinzenz Kasch zeigt sich gegenüber der Berliner Zeitung positiv überrascht: „Es war schön zu sehen, wie gut die Feuerwehr funktionieren kann, wenn wir genug Personal haben.“
Doch er rechnet mit einem erneuten Abfall bei der Fahrzeugbesetzung, da der Personalbestand insgesamt zu niedrig ist. DRK-Sprecher Karsten Hintzmann sieht zwei Hauptprobleme: den Fachkräftemangel und die Dauerbelastung des Systems. Mitarbeiter seien erschöpft und krank, wanderten in weniger belastete Regionen ab. Hinzu kommen viele Bagatelleinsätze, die keine echten Notfälle sind. Laut Hintzmann braucht es eine andere Notfallversorgung.

Eine spezialisierte Leitstelle könnte klassifizieren, ob ein Notfall vorliegt, ein Krankentransport reicht oder ein Arzt der Kassenärztlichen Vereinigung zuständig ist. Dies würde das System entlasten und effektiver machen. Erste Ansätze zur Veränderung gebe es bereits. Notfallsanitäter sind bundesweit Mangelware.
Rettungsdienste sollen endlich reformiert werden
Das DRK bildet diese Fachkräfte aus. Demnächst schließen 13 Absolventen ihre Ausbildung beim Berliner DRK ab, und es besteht Hoffnung, dass die meisten bleiben. Auch die Feuerwehr bildet aus, doch der Nachwuchs ist hart umkämpft. Trotzdem stieg die Zahl der Auszubildenden 2023 auf 871 – 29 mehr als im Vorjahr.
Die Notrufzahlen blieben 2023 mit rund 1,2 Millionen nahezu unverändert. Die Berliner Feuerwehr bewältigte zum zweiten Mal in Folge mehr als eine halbe Million Einsätze, davon 419.918 in der Notfallrettung. Ein minimaler Rückgang, der die Lage leicht entspannte. Brandamtmann Oliver Mertens von der Gewerkschaft der Polizei fordert ein Ende der Sparpläne: „Wer angesichts dieser Zahlen ernsthaft darüber nachdenkt, hier noch im Haushalt irgendetwas wegsparen zu können, hat den Gong nicht gehört.“
CDU und SPD müssten jetzt die Reform des Rettungsdienstgesetzes vorantreiben. Das Ziel: Einsätze priorisieren und keine RTW mehr zu Bagatellen schicken, damit die Feuerwehr ihre Kernaufgaben wahrnehmen kann. Berlin im Ausnahmezustand – es muss sich ganz schnell was ändern, darüber kann kein Zweifel bestehen. ■