Man kennt die drei Musketiere und Vier Fäuste für ein Halleluja. 1988 gab es sogar mal einen Film mit dem Titel „Drei Renter bügeln alles nieder.“ So schlimm wird es bei dem Vorhaben, das Gregor Gysi, Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow heute unter dem Projektnamen „Silberlocke“ vorstellten, sicher nicht. Im Gegenteil, der Plan der drei Politurgesteine der Linken könnte aufgehen.
Die drei wollen jeweils ein Direktmandat in Berlin-Köpenick, Erfurt und Rostock erringen, um die Linke mithilfe der Grundmandatsklausel auch beim Verfehlen der Fünf-Prozent-Hürde im Bundestag zu halten. „Sollte die Linke ausscheiden aus dem Bundestag bedeutete das, dass es im Bundestag keine linken Argumente mehr gibt“, sagte Gysi. Das wäre angesichts eines Rechtsrucks in Deutschland eine „ziemliche Katastrophe“. Deshalb hätten er und seine Kollegen sich trotz ihres Lebensalters zur Kandidatur entschlossen. Wer sind die drei erfahrenen Politiker, die sich so für eine sich selbst zerlegende Partei ins Zeug werfen?
Gregor Gysi – der, der dich aus allen Schieflagen rausquatscht
„Ein Leben ist zu wenig“, heißt die Autobiografie des 76-jährigen Gregor Gysi. Und in der Tat hätten die Volten seines Lebenslaufs auch für mehr als eine Person gereicht. Der in Berlin geborene Jurist mit Rinderzucht-Ausbildung war unter anderem SED-Chef in der untergehenden DDR, Vorsitzender der PDS, Präsident der Europäischen Linken, Oppositionsführer im Bundestag und Wirtschaftssenator in Berlin.
Obwohl er heute in der Linken kein Amt mehr bekleidet, ist der zweifach geschiedene Vater von drei Kindern einer der bekanntesten Köpfe der Partei. Zwar befinden sich auf diesem Kopf keine Silberlocken mehr, die Anspielung auf Alter und Erfahrung aber, ist angemessen. Neben seinem Bundestagsmandat hat der rhetorisch brillante Gysi auch im Rentenalter gut zu tun: Er führt erfolgreiche Gesprächsreihen in Berliner Theatern, als Anwalt vertritt er beispielsweise Klimaaktivisten der Letzten Generation.

Doch von der Politik konnte Gysi trotz privater Turbulenzen und gesundheitlicher Probleme - er überstand unter anderem drei Herzinfarkte - nie lassen. Am Sonntag schrieb er auf X: „Es gibt Leute, die man nie loswird, zum Beispiel mich.“
Dietmar Bartsch, der Wagenknecht-Flüsterer
Auch der 66-jährige Bartsch blickt auf eine wechselvolle Politikkarriere zurück. Sie begann für den in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsenen und in Moskau promovierten Ökonomen während der Wendezeit in der PDS. In der Linken war der verheiratete Vater von zwei Kindern unter anderem Bundesgeschäftsführer und führte über Jahre die Bundestagsfraktion.
Den Fraktionsvorsitz teilte sich Bartsch lange mit Sahra Wagenknecht. Obwohl den führenden Repräsentanten des Reformerflügels und die von Kernpositionen der Linken immer weiter abgerückte Wagenknecht politisch Vieles trennt, verteidigte Bartsch sie lange, auch als ihre Ambitionen Richtung Parteineugründung immer deutlicher wurden. Nach der Abspaltung des BSW trat er nicht mehr für den Vorsitz der nunmehr zur Gruppe geschrumpften Linken im Bundestag an.
Eine kurze Auszeit von der Politik von 2002 bis 2005 verbrachte Bartsch unter anderem als Unternehmensberater und Geschäftsführer der parteinahen Zeitung „Neues Deutschland“. In seiner Freizeit spielt er gerne Volleyball und Skat.
Bodo Ramelow, der einsame Ministerpräsidentenheld von Thüringen
Der 68-jährige Einzelhandelskaufmann hat Geschichte geschrieben: Er ist der bislang einzige Ministerpräsident der Linken - nach der Landtagswahl in Thüringen Anfang September allerdings nur noch geschäftsführend. Sollte ihm nun der Sprung in den Bundestag gelingen, wäre es eine Rückkehr nach knapp 16 Jahren.
Ramelow stammt aus Niedersachsen. Seine Arbeit für die Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) verschlug ihn nach der Wiedervereinigung nach Thüringen. Ende der 90er trat er in die PDS ein und wurde bald Chef der Landtagsfraktion. Nach einem Zwischenspiel im Bundestag gelang Ramelow 2014 in Thüringen die Sensation: Er wurde Regierungschef. Trotz heftiger landespolitischer Turbulenzen hat er das Amt noch heute inne.
Selbst ausgewiesenen Kritikern der Linken nötigt der pragmatische und unideologische Ramelow Respekt ab. Dass bei der jüngsten Wahl der rechtsextreme AfD-Landesverband stärkste Kraft wurde, war für ihn eine brutale Niederlage. Nun versucht der zum dritten Mal verheiratete Vater von zwei Söhnen nochmal einen Karriere-Neustart.
Projekt Silberlocke für den Einzug in den Bundestag
Das „Projekt Silberlocke“ getaufte Vorhaben zielt darauf ab, die Linke im Parlament zu halten: Wenn eine Partei mindestens drei Direktmandate gewinnt, kann sie auch dann in der Stärke ihres Zweistimmenergebnisses in den Bundestag einziehen, wenn sie die Fünf-Prozent-Hürde verfehlt. Das „Projekt Silberlocke“ getaufte Vorhaben sei „der absolute Gewinner“, sagte Linken-Chef van Aken am Montag in Berlin. Es sei „eine Garantie, dass wir im nächsten Bundestag vertreten sein werden“. „Wir werden ganz sicher drei, wenn nicht vier Direktmandate gewinnen“, sagte van Aken voraus. „Und die ‚Mission Silberlocke‘ wird da wahrscheinlich zwei zu beisteuern.“ Deswegen sei er „sehr froh“ über die Initiative.
Nennenswerte Kritik an dem Projekt der 66, 68 und 76 Jahre alten Politiker sieht van Aken in seiner Partei nicht. Zwar gebe es „einzelne Stimmen, die sagen, ‚wir brauchen doch keine alten Männer‘“ für den Wiedereinzug in den Bundestag. Die „ganz große Mehrheit“ der Linken sei von dem Projekt aber „hellauf begeistert“, versicherte der Parteivorsitzende. Die Linke liegt in Umfragen bundesweit nur bei drei bis vier Prozent. ■