Rütli-Schule 2.0

Die Terror-Schule von Berlin-Friedenau: Lehrer und Schüler in Angst

Gewalt, Belästigung, Chaos: Der Hilferuf der Lehrer der Friedrich-Bergius-Schule klingt erschütternd. Von Mobbing und Angriffen ist die Rede.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Schön alt von außen, doch innen eskaliert neue Gewalt. Die Friedrich-Bergius-Schule im Stadtteil Friedenau im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg.
Schön alt von außen, doch innen eskaliert neue Gewalt. Die Friedrich-Bergius-Schule im Stadtteil Friedenau im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg.imagebroker/imago

Ist das die zweite Rütli-Schule? In der Friedenauer Friedrich-Bergius-Schule, die noch vor wenigen Jahren einen guten Ruf hatte, eskaliert die Gewalt. Besonders männliche Schüler, von denen einige gar kein Deutsch sprechen, terrorisieren Mitschüler und Lehrer.

Mit einem dringenden Alarmbrief über höchst schwierige Zustände an ihrer Schule und fehlende Unterstützung vom Senat haben Berliner Lehrer um Hilfe gerufen. Auf sieben Seiten schildert das Lehrerkollegium der Friedrich-Bergius-Schule im Bezirk Tempelhof-Schöneberg die schon länger existierenden Probleme mit aggressiven, gewaltbereiten und bildungsfernen Schülern, die zum Teil kein Deutsch sprechen und zuvor noch nie eine Schule besucht haben. Der Tagesspiegel berichtete über den Brief, der der dpa vorliegt.

Die Schule ist eine sogenannte Integrierte Sekundarschule von der 7. bis 10. Klasse mit etwa 400 Schülern. Diese Schulform ersetzt in Berlin die früheren Haupt- und Realschulen. Trotz strenger Hausordnung und Schulpädagogik und einem großen Einsatz der Lehrer komme die Schule immer mehr an ihre Grenzen, heißt es in dem Brandbrief der Schulgemeinschaft. Jede dritte bis vierte Lehrkraft sei krank geschrieben. Das Kollegium sei „zu 65 Prozent mit bürokratischer Erziehung beschäftigt und nur zu 35 Prozent mit faktenorientiertem Unterricht“.

In Berlin-Friedenau: Böller und Beleidigungen auf dem Schulhof

Es vergehe kein Tag ohne Beleidigungen und Bedrohungen von Lehrern durch Schüler sowie ernsthafte Mobbing-Fälle unter den Schülern. Es gebe eine „bedrohliche Gewaltbereitschaft und verbale Übergriffe“ vor allem der männlichen Schüler. Auf dem Schulhof werden Böller gezündet und Wasserflaschen auf Schülergruppen und Lehrer geworfen. Verstärkt muss die Schule die Polizei rufen, um bei eskalierenden Situationen etwa nach Schulschluss vor dem Schulgebäude einzugreifen. Anwohner der Schule beschweren sich über Schüler, benachbarte Supermärkte verhängen Hausverbote.

Friedrich-Bergius-Schule: Schülerinnen werden auf den Klos gefilmt

„Vorherrschend sind massive Verhaltensauffälligkeiten und ungebührliches, asoziales Unterrichtsverhalten“, heißt es weiter. Die „größte Angst“ vieler Schüler und Schülerinnen sei, beim Besuch der Toiletten „in kompromittierenden Situationen“ von anderen Schülern mit – an der Schule verbotenen – Handys unterhalb oder oberhalb der Trennwand fotografiert oder gefilmt zu werden. Dass die Schüler neben die Toiletten pinkeln, sind dagegen nur „Peanuts“.

Schule in einem Abwärtsstrudel: da hilft auch kein Anti-Mobbingkoffer.
Schule in einem Abwärtsstrudel: da hilft auch kein Anti-Mobbingkoffer.Britta Pedersen/dpa/ZB

In dem Brief ist weiter von der Angst der Lehrer in den Pausen die Rede. Dort sehen sie sich „Zusammenrottungen“ ausgesetzt, „die bedrohlich und nicht immer unter Kontrolle zu bringen sind“. Viele Lehrkräfte fühlten sich „in diesen Situationen körperlich bedroht und zahlenmäßig unterlegen“.

Woran liegt der Niedergang der Schule? Eine Erklärung: Es kämen zunehmend Schülerinnen und Schüler in die siebten Klassen, die die Ansprüche einer weiterführenden Schule „in keiner Weise erfüllen können“. Rund 70 Prozent der 2023 aufgenommenen Siebtklässler konnten demnach „keine analogen Uhren mehr lesen“.

Eltern berichten: Schulaufsicht ist desinteressiert

Was die massenweisen Zuweisungen von Kindern aus prekären Verhältnissen anbelangt, ergeht es der Bergius-Schule inzwischen wie allen Schulen, die nicht genügend eigene Anmeldungen durch interessierte Familien haben: Ihr werden all jene Schüler zugewiesen, die noch keinen Platz gefunden haben. Dabei handelt es sich meist um Geflüchtete oder andere Kinder und Jugendliche, die kein oder kaum Deutsch können.

Die Schule schlägt der Schulaufsicht sechs Maßnahmen vor, bei denen sie um Unterstützung bittet, unter anderem Teilungsunterricht, eine Schulpsychologin zusätzlich zu den vier Sozialpädagogen, eine bessere Hofaufsicht und einen Pförtner am Eingang. Elternvertreter berichteten, die Schulaufsicht sei trotz vieler Bitten desinteressiert.

Die Berliner Senatsschulverwaltung erklärte nun: „Die Schulaufsicht ist mit der Schulleitung im Austausch und wird in Kürze bei einem klärenden Gespräch weitere Unterstützung anbieten, aber auch die Vorgänge an der Schule prüfen. Die Hausspitze nimmt die Schilderungen aus der Schule ernst und lässt sich berichten.“ ■