Verkehrsberuhigung

Pollerwald am Ostkreuz, die einen jubeln, die anderen sind sauer

In einem ambitionierten Vorhaben, den Verkehrsfluss zu beruhigen, verändert der Kiez zwischen Gärtnerstraße und Warschauer Straße sein Gesicht.

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Poller vor einem Laden am Boxhagener Platz.
Poller vor einem Laden am Boxhagener Platz.Emmanuele Contini/Berliner Zeitu

Die Nebenstraßen im Friedrichshainer Kiez am Ostkreuz sollen ruhiger und sicherer für den Fußverkehr werden. Dazu werden jede Menge Einbahnstraßen eingerichtet und Poller aufgestellt. Die einen sind begeistert, die anderen sind auf ihr Auto angewiesen und ärgern sich über die Maßnahmen. In Friedrichshain wird das größte Verkehrsberuhigungsprojekt von Berlin umgesetzt. Xhain beruhigt sich: So heißt das umfangreiche Konzept.

Tatsächlich sind die Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung rund um das Ostkreuz massiv: Bereits im Dezember 2024 wurde die Niederbarnimstraße für den Kfz-Durchgangsverkehr gesperrt. Im Februar 2025 folgten Einbahnstraßen in der Mainzer Straße, Colbestraße, Kinzigstraße, sowie in der westlichen Scharnweberstraße.

Eine Poller-Anlage an der Kreuzung Scharnweberstraße/Colbestraße wird eingerichtet. Doch damit nicht genug: Einbahnstraßen in der Weserstraße, Finowstraße und Weichselstraße sowie noch mehr Poller in der Jungstraße/Oderstraße und an der Scharnweberstraße/Weichselstraße werden gebaut. Kein Wunder, dass manche hier schon von Pollerbü zwischen Gürtelstraße und Warschauer Straße sprechen.

Fußgänger-Paradies im Ostkreuz-Kiez

Ganze 30 Einbahnstraßen, fünf Fahrradstraßen, acht Fußgänger- und Schulzonen, acht Modalfilter aus Pollern, sechs Mittelstreifenbarrieren und rund 30 Richtungspfeile machen den Kiez zum beruhigten Fußgängerparadies oder zum nervenden Autofahrer-Labyrinth, je nach Sichtweise.

Dass die jahrelange Dominanz von Autos in der Stadt hier nun aufgebrochen wird, sorgt nicht nur für Freude im Kiez. Auch, dass eine Stadt primär für Menschen da ist, würden nicht alle hier vorbehaltlos unterschreiben.

Ein Anwohner der künftigen Fahrradstraße Gärtnerstraße äußert gegenüber der B.Z. Unmut über die neuen Regelungen. Der Ingenieur ist zu 90 Prozent schwerbehindert, auch seine Frau nicht gut zu Fuß. „Unser Auto haben wir inzwischen im anderthalb Kilometer entfernten Parkhaus des Victoria-Centers im Nachbarbezirk Lichtenberg geparkt. Wir fahren drei Stationen mit dem Bus dorthin“, sagt er den B.Z.-Reportern.

„Von vornherein wurde nicht berücksichtigt, dass manche Menschen ein Auto benötigen. Ich bin zu Fuß unterwegs, möchte aber manchmal Einkäufe absetzen dürfen“, sagt eine ältere Dame, in der Fußgängerzone Krossener Straße. Sie und weitere Anwohner befürchten durch den Fußgängerbereich auch nachts noch mehr Lärm.

Andere Anwohner sind von umgeleiteten Pkw genervt. Weil einige Straßen nicht mehr in beide Richtungen befahrbar sind, wälzt sich der Verkehr nun über neue Routen.

Poller und Straßensperrung in Friedrichshain, Boxhagener Straße Ecke Niederbarnimstraße.
Poller und Straßensperrung in Friedrichshain, Boxhagener Straße Ecke Niederbarnimstraße.Markus Wächter

Größtes Verkehrsberuhigungs-Vorhaben Berlins

Mit dem im Juni 2024 vorgestellten und beschlossenen Verkehrsberuhigungskonzept verfolgt das Bezirksamt das Ziel, die Nebenstraßen für diejenigen zu verbessern, für die sie geplant und gebaut wurden: Anwohner, Schüler, Handwerksbetriebe, medizinische Versorger, Paket- und Pflegedienste und die Müllabfuhr. Alle Maßnahmen seien mit der Feuerwehr, der Polizei und der BSR abgestimmt, so das Bezirksamt. Alle Adressen mit Ausnahme der neuen Fußgängerzonen bleiben mit dem Auto erreichbar, argumentiert der Bezirk.

Der Großteil der Anwohner im Ostkreuz-Kiez hat gar kein eigenes Fahrzeug, ergibt ein Blick in die Statistik.  Im Ostkreuz-Kiez sind rund 158 Pkw pro 1.000 Einwohner zugelassen und über 85 Prozent der Wege werden ohne Auto zurückgelegt. ■