Boxhagener Platz

Poller-Wahnsinn! Tischler kämpft ums Überleben am Boxi

Das grüne Amt drückt seine Pläne durch: Einbahnstraßen, Poller und immer weniger Platz für Autos. Für einen Berliner Tischler ein existenzieller Schlag.

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Tim Johannson posiert vor seinem Laden am Boxhagener Platz in Berlin. Im Vordergrund Poller!
Tim Johannson posiert vor seinem Laden am Boxhagener Platz in Berlin. Im Vordergrund Poller!Emmanuele Contini

Poller und Einbahnstraßen: In Berlin-Friedrichshain schütteln nicht nur genervte Autofahrer den Kopf. Auch Geschäftsleute sind inzwischen aufgebracht. Manch einer fürchtet um seine Existenz.

Tim Johannson kann ebenfalls nur den Kopf schütteln. Die geplanten Poller direkt vor seinem Laden am Boxhagener Platz sind ihm ein Dorn im Auge. Seiner Meinung nach gibt es dort gar keinen Verkehr, der beruhigt werden müsste. Das sieht das Bezirksamt allerdings anders: Die grün geführte Verwaltung plant Fußgängerzonen und ein Netz aus Einbahnstraßen. Eine Maßnahme, die Johannson als existenzgefährdend empfindet.

Seit 1991 betreibt er seinen Laden „Jo-Holz“ und hat sich auf Tischlereibedarf spezialisiert, schreibt die „Berliner Zeitung“ in ihrem Porträt über ihn. Besonders gefragt sind Türen im DDR-Standardmaß – Großaufträge für Plattenbauten sind sein tägliches Geschäft.

Während der Kiez sich immer mehr in Richtung Lifestyle, Service und Sauf-Tourismus entwickelt, hält er an traditioneller Handwerksarbeit fest. Doch jetzt droht ihm nicht nur der Wandel der Zeit, sondern auch noch der Kampf gegen das Auto, so das Blatt.

Der Verkehr hat sich ohnehin schon stark reduziert. E-Roller liegen auf den Gehwegen, Autos fahren nur noch vereinzelt über das Kopfsteinpflaster. Nun sollen auch noch Poller den endgültigen Schlussstrich ziehen. In der Nachbarschaft gibt es Unmut – viele Gewerbetreibende fürchten Umsatzverluste, wurden aber nach eigenen Angaben nicht in die Planungen einbezogen. Auch Marktleiter von Supermärkten beklagen, dass sie nicht gehört wurden.

Das Bezirksamt beschwichtigt: Es seien Ausnahmegenehmigungen für ansässige Unternehmen möglich. Johannson glaubt allerdings nicht daran, dass es so laufen wird. Für ihn steht fest: Das Konzept sei ein Angriff auf Autofahrer.

Tim Johannson steht in seinem Berliner Geschäft, das durch Poller bedroht ist.
Tim Johannson steht in seinem Berliner Geschäft, das durch Poller bedroht ist.Emmanuele Contini

Die Argumente der Grünen überzeugen ihn nicht. Sie verweisen darauf, dass nur ein Bruchteil der Wege in Friedrichshain-Kreuzberg mit dem Auto zurückgelegt werde und nur jeder Fünfte überhaupt eins besitze. Doch Johannson sieht darin eine ideologische Auseinandersetzung: Er fragt sich, wie Müllabfuhr, Getränkelieferungen oder gar Feuerwehreinsätze künftig funktionieren sollen.

Neben dem Verkehrskonzept stören ihn laut „Berliner Zeitung“ auch die Entwicklungen auf dem Markt am Boxhagener Platz. Ursprünglich zur regionalen Versorgung gedacht, ist der Samstagsmarkt mittlerweile ein Paradies für Lifestyle-Produkte geworden: Schmuck, Keramik, handgemachte Spätzle und esoterische Duftstände dominieren das Bild.

Nicht nur Poller-, sondern auch Markt-Wahnsinn

Besonders ärgert ihn, dass Gewerbetreibende und Anwohner ihre Autos entfernen müssen, während Händler dort kostenlos parken können. Die Corona-Zeit sei genutzt worden, um den Markt dauerhaft auf die Straße auszuweiten – angeblich, um die Menschen an eine autofreie Umgebung zu gewöhnen.

Die geplanten Poller könnten für Jo-Holz das Aus bedeuten. Große Lkw mit zwölf Meter langen Türen hätten keine Möglichkeit mehr, vor dem Geschäft zu rangieren. Erste Lieferanten haben bereits abgesagt, weil das Wenden durch die neuen Verkehrsregelungen erschwert wurde. Die Straße stirbt – so sieht es zumindest Johannson.

Doch noch gibt er nicht auf. Beim nächsten Treffen des Verkehrsausschusses im Rathaus Kreuzberg will er seinen Standpunkt vertreten. Die Zahl der Autos in Berlin sinkt zwar stetig, aber er ist überzeugt, dass der Kampf noch nicht entschieden ist.

Vielleicht gelingt es den letzten verbliebenen Autofahrern, die Poller doch noch zu verhindern. Bis dahin bleibt sein Blick kritisch – auf eine Straße, die für ihn bereits im Sterben liegt, aber für Außenstehende noch immer hübsch und lebendig wirkt.

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