Organisierte Kriminalität: Berlin will Zeugen besser schützen

Einschüchterungsversuche gegenüber Zeugen oder Richtern sind kein Einzelfall. Senat plant einen Vorstoß im Bundesrat

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Vermummte Polizisten führen in der Bülowstraße einen Drogenschmuggler ab. Mit Razzien hat die Berliner Polizei in den vergangenen Jahren versucht, den organisierten Drogenhandel zu zerschlagen.
Vermummte Polizisten führen in der Bülowstraße einen Drogenschmuggler ab. Mit Razzien hat die Berliner Polizei in den vergangenen Jahren versucht, den organisierten Drogenhandel zu zerschlagen.Paul Zinken/dpa

Die Polizei in Berlin rechnet über 600 Personen Clankriminalität zu, im Jahr 2023 wurden 1063 Straftaten durch 298 der Clankriminalität zugerechnete Tatverdächtige registriert. Aber zur Organisierten Kriminalität gehören auch diverse Mafia-Gruppen. Um die in den Griff zu bekommen, will der Berliner Senat im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität eine Bundesratsinitiative starten, um Zeugen und Justizbeschäftigte besser zu schützen. Die schwarz-rote Koalition hat einen entsprechenden Gesetzesantrag beschlossen. Ziel ist ein neuer Nötigungstatbestand im Strafgesetzbuch.

„Das ist ein klares gesetzgeberisches Signal für einen besseren Schutz im Bereich der Justiz“, erklärt Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU). Hintergrund ist, dass es auch in Berlin immer wieder vorkommt, dass Zeugen von Straftaten unter Druck gesetzt werden. So sollen belastende Informationen gar nicht erst ans Licht kommen – oder aber im Prozess die Aufklärung einer Tat verhindert werden.

Mal sei es ein scharfer Blick vor dem Gerichtssaal, mal eine drohende Geste, sagte die Senatorin. Es gebe aber auch klare Ansagen an Justizbeschäftigte, wie etwa, dass man die Adresse kenne. Oder aber eine Todesdrohung. Belastbare Zahlen dazu gibt es Badenberg zufolge nicht. „Man sieht aber schon, dass das Gewaltpotenzial im Laufe der Zeit immer weiter zunimmt.“

In Gerichten: Gefährliche Gegenstände beschlagnahmt

Ein Indiz dafür seien die Erfahrungen an den Sicherheitsschleusen der Berliner Gerichte. Dort sei eine Zunahme von sichergestellten gefährlichen Gegenständen zu verzeichnen. „Wir haben im Jahr 2022 circa 9600 Fälle gehabt. Im Jahre 2023 waren es 10.700 Fälle, wo Messer und andere gefährliche Gegenstände festgestellt worden sind“, sagt Badenberg.

Häufig gebe es dabei einen Zusammenhang mit Organisierter Kriminalität. „Da geht es natürlich darum, Prozesse zu verschleppen, bestimmte Beweise, die man erbringen will, beispielsweise durch Zeugenaussagen, zu erschweren und am Ende natürlich auch Täteridentifizierungen zu erschweren“, erläutert die Senatorin.

Bei der Bundesratsinitiative geht es aber nicht nur um Zeugen, sondern auch um Richter, Staatsanwälte, Gerichtsvollzieher oder Dolmetscher, wie Badenberg betont. „Die Funktionsfähigkeit der Justiz hängt vom Schutz derjenigen ab, die sich tagtäglich für die Justiz engagieren, die tagtäglich dafür sorgen, dass Recht und Gerechtigkeit in unserem Land durchgesetzt werden.“

Vor rund zwei Jahren wurde beispielsweise bekannt, dass drei Berliner Richterinnen unter Polizeischutz gestellt worden sind, weil es gegen sie Drohungen aus dem Organisierten Drogenhandel gab. Die drei Richterinnen einer Großen Strafkammer am Landgericht führten laut Senatsjustizverwaltung einen Prozess wegen Rauschgifthandels im Zusammenhang mit von der Polizei entschlüsselten Nachrichten aus Encrochat-Handys, die von Kriminellen genutzt wurden.

Felor Badenberg (CDU), Berliner Senatorin für Justiz, während der Pressekonferenz nach dem Berliner „Sicherheitsgipfel“ im Roten Rathaus.
Felor Badenberg (CDU), Berliner Senatorin für Justiz, während der Pressekonferenz nach dem Berliner „Sicherheitsgipfel“ im Roten Rathaus.Sebastian Gollnow/dpa

Laut Berliner Morgenpost gab es nach einer Erhebung des Bundeskriminalamtes zur Einschüchterung von Zeugen, Amtsträgern oder Sachverständigen im Zuge strafrechtlicher Ermittlungs- und Gerichtsverfahren bundesweit insgesamt 20 reale Fälle von 2019 bis 2022. Berlins Justizsenatorin geht jedoch von einer hohen Dunkelziffer aus.

GdP: „Berlin bringt den Stein ins Rollen“

Die Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält den Vorstoß Berlins sinnvoll. „Wir erleben seit Jahren, dass unsere Gerichtssäle gerade von Personen aus der Organisierten Kriminalität als Bühne missbraucht werden, um unsere Kollegen, Zeugen, Staatsanwälte und Richter einzuschüchtern und der Rechtsstaat sie bisher nicht entsprechend schützt, es an wirklich wirksamen Mitteln fehlt“, teilt Sprecher Benjamin Jendro mit. „Berlin bringt den Stein ins Rollen und wir hoffen, dass die anderen Länder dieses Vorhaben unterstützen und gemeinsam weiterdenken.“

Badenberg schätzt die Erfolgschancen der Bundesratsinitiative als gut ein. Sie habe das Thema bereits am Rande der jüngsten Justizministerkonferenz angesprochen, sagte sie. „Ich rechne mit einer sehr großen Mehrheit.“ Nach dem Senatsbeschluss soll der Paragraf der Nötigung (§240 StGB) ergänzt werden. Aus Sicht der GdP wäre es wünschenswert, noch einen neuen Tatbestand zu ergänzen, der eine mögliche Bandenzugehörigkeit berücksichtigt.

Badenberg hat die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (OK) zu einem ihrer zentralen Anliegen erklärt. Die Bundesratsinitiative zum Thema Bedrohung von Zeugen und Gerichtspersonen sei aber für den gesamten Senat ein wichtiges Thema, sagte sie. Das Vorhaben sei schon im Koalitionsvertrag vereinbart worden. ■