Ob rockend an der Gitarre, bemalt vor der bemalten Leinwand oder in einem Aquarium in Ketten gelegt: Sucht man nach Fotos zu Inszenierungen der Berliner Volksbühnen-Choreografin Florentina Holzinger, stößt man immer wieder auf nackte Darstellerinnen. Jetzt wechselt die 38-Jährige das Fach. Von Tanz und Performance zur Oper: Nackt bleiben ihre Protagonistinnen aber trotzdem. Als lustvollen Gegenentwurf zur religiösen Disziplinierung von Sexualität kündigt das Mecklenburgische Staatstheater in Schwerin das Stück „Sancta“ an.
Nonnen, radikal und freizügig in Szene gesetzt
Die für ihre spektakulären Inszenierungen mit meist nackten Darstellerinnen bekannte Performancekünstlerin Florentina Holzinger bringt erstmals eine Oper auf die Bühne. Die knapp dreistündige Aufführung „Sancta“ feiert am Donnerstag (19.30 Uhr) in Schwerin Premiere. Sie umfasst neben Paul Hindemiths Opern-Einakter „Sancta Susanna“ auch eine von Holzinger als Spektakel gestaltete kirchliche Messe. Nach vier Aufführungen in Schwerin wird die Inszenierung Mitte Juni bei den Wiener Festwochen zu sehen sein, im Herbst dann auch in Stuttgart und Berlin.
Mit ihren Arbeiten, bei denen sie radikal und freizügig weibliche Körper in Szene setzt, schmerzhafte Stunts einbaut und auch vor Trash nicht zurückschreckt, sorgt Holzinger seit Jahren für Aufsehen in der Theaterwelt. Die 1986 in Wien geborene Choreografin ist seit 2021 an der Berliner Volksbühne engagiert. Für ihre Inszenierung „Ophelia’s Got Talent“ dort wurde sie 2023 mit dem Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ in der Kategorie Tanz ausgezeichnet. Ehrungen erhielt Holzinger auch in ihrem Heimatland Österreich.

Vor Grenzüberschreitungen hat die 38-Jährige keine Angst. Diesmal dürfte vor allem die Kirche not amused sein. Florentina Holzinger eröffnet ihre Oper mit Paul Hindemiths einaktiger Oper „Sancta Susanna“, in der eine Nonne brutale Bestrafung für ihre sexuelle Selbstbestimmung erfährt. Es folgt eine heilige Messe, wie das Theater in Schwerin ankündigt: „Bach, Rachmaninow, Metal, Noise und zeitgenössische Kompositionen treffen in einer musikalischen Tour de Force aufeinander, in der Magie und Wunder der Kirche eine Aneignung erfahren, aber auch ihr Bezug zu Opfer und Gewalt verarbeitet wird.“
Die Regisseurin sagt: „Kirche, Frau, Sexualität, Teufel – das ist alles auch sehr juicy“
„Wir hatten jedenfalls extremen Spaß dabei, diese Themen mit unseren Mitteln zu behandeln: Kirche, Frau, Sexualität, Teufel – das ist alles auch sehr juicy“, sagte Holzinger unlängst in einem Interview mit der Berliner Zeitung. Sie selbst ist durch ihr Herkunftsland Österreich katholisch geprägt. Ihre Familie war nicht sehr gläubig, aber sie ist getauft, in die Kirche gegangen. Die Künstlerin erzählt, dass sie in dem Stück mit einer gewissen utopischen Fantasie spiele: „Dass Kirche und Patriarchat über die Jahrhunderte so Hand in Hand gehen, ist ein sehr interessanter Nährboden, den wir gern aufreißen.“
In Holzingers Oper wird die Sixtinische Kapelle zur Kletterwand, die Oper zum Rockmusical, Gott zum Roboter, heißt es weiter. Die heilige Messe wird zum Spektakel, Magie und Wunder, so Florentina Holzinger, müssen zur realen Möglichkeit werden. Spinnenhaft und dunkel, laut und exzessiv, lustig und erlösend. Es geht um Kreuzigungswunden, Penetration, Kannibalismus und Transformation, Show-Magierinnen zeigen ihre Interpretationen der biblischen Wunder.

Bilder und Szenen, die jeder Zuschauer erträgt? „Es steht den Personen immer offen, das Auditorium zu verlassen“, sagte Florentina Holzinger in der Berliner Zeitung. „Man ist nicht immer in dem Zustand, dass man alles Mögliche sehen will. Inzwischen eilen uns die Triggerwarnungen in den genannten Skandal-Headlines voraus. Die Leute sind zumindest gewarnt.“
Und, na klar: Die Besucher dieser Oper der etwas anderen Art müssen mindestens 18 Jahre alt sein. ■