Spuren nach Moskau

Mysteriöser Bücher-Klau: Staatsbibliothek vermisst wertvolle russische Bücher

In ganz Europa werden russische Bücher gestohlen, der Schaden geht in die Millionen.

Author - Stefanie Hildebrandt
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Am Standort Unter den Linden vermisst die Staatsbibliothek wertvolle russische Originalausgaben. 
Am Standort Unter den Linden vermisst die Staatsbibliothek wertvolle russische Originalausgaben. Jens Kalaene/dpa

Europaweit werden seit 2022 wertvolle russischsprachige Bücher aus Bibliotheken gestohlen und durch Fälschungen ersetzt. Auch die Staatsbibliothek in Berlin ist betroffen, teilt sie nun mit.

Bei ihren Diebestouren gehen die Täter professionell vor: Da die Werke nur gegen eine namentliche Anmeldung eingesehen werden können, verwendeten die Täter gefälschte Personalpapiere, schreibt die Berliner Staatsbibliothek in einer Mitteilung.

Diebesbande fertigte Kopien an

„Bei der Rückgabe der entliehenen Bücher legten sie täuschend ähnliche Duplikate der Texte vor, die sie zwischenzeitlich außerhalb der Bibliothek erstellt hatten: handgefertigte Faksimiles, die viele europäische Bibliotheken z.B. in Warschau, Paris und Genf zu täuschen in der Lage waren.“

Bei den gestohlenen Werken in der Staatsbibliothek Berlin handelt es sich um fünf belletristische Werke in russischer Sprache, die in den Jahren 1827 bis 1831 bzw. 1914 bis 1917 in Russland und Georgien publiziert wurden. Auf dem internationalen Antiquariatsmarkt wurde in den vergangenen Jahren für Ausgaben der vermissten Werke insgesamt ein niedriger sechsstelliger Betrag aufgebracht.

Auch in anderen europäischen Staaten entstand hoher Schaden:

Bei Diebstählen in der Universitätsbibliothek von Warschau gingen Werke im Wert von einer Million Euro verloren. Ein Mitarbeiter der Warschauer Bibliothek, die 79 Bücher der russischen Literatur aus dem 19. Jahrhundert vermisst, sagte der Nachrichtenagentur AFP im November, die Diebe seien „mit industriellem Maßstab“ vorgegangen.

Auch aus der Stabi heißt es gegenüber dem Tagesspiegel, die Faksimiles seien extrem gut gemacht, man müsse schon mit der Lupe schauen, um Abweichungen zu erkennen wie Feinheiten beim Druck, ein falscher Stempel, anderes Papier. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Diebe die Werke zunächst regulär für den Lesesaal ausgeliehen und dort Fotos erstellt haben, die dann für die Reproduktionen verwendet wurden.

Zunächst waren die Diebstähle in Berlin unbemerkt geblieben. Bis das LKA die Einrichtung über die Klau-Touren in anderen europäischen Städten informierte. Bei einer Überprüfung der Bestände fielen die fünf fehlenden Bücher auf.

An der Warschauer Universitätsbibliothek präsentiert ein Mitarbeiter eine Fälschung eines Werks von Alexander Puschkin.
An der Warschauer Universitätsbibliothek präsentiert ein Mitarbeiter eine Fälschung eines Werks von Alexander Puschkin.Wojtek Radwanski/AFP

Originalausgaben von Puschkin begehrt

Bei den anderen Bibliotheken in Europa wurde auffällig viel vom Dichter Alexander Puschkin gestohlen. Auch die Stabi meldete den Verlust dreier Werke von Alexander Puschkin: „Das Räuberbrüderpaar“ in einer Ausgabe von 1827, „Boris Godunow“ (1831) und „Der Gefangene im Kaukasus“ (1828). 

Die Staatsbibliothek hat ihre Sicherheitsvorkehrungen seit Bekanntwerden der Diebstähle analysiert und optimiert, um das konkrete Agieren der Diebe zu erschweren. Diese Anpassungen und sonstige Aussagen zu Sicherheitskonzepten können öffentlich nicht weiter spezifiziert werden, heißt es in der Mitteilung weiter. 

Einige der gestohlenen Bücher tauchten bei Auktionen in Moskau wieder auf, auch erste Verhaftungen erfolgten etwa in Frankreich. Man kann also davon ausgehen, dass die Diebe in erster Linie ein finanzielles Interesse an den Büchern hatten.

Die Tatsache aber, dass der Diebeszug im Frühjahr 2022 begann und anfangs nur baltische Staaten traf, lässt die Frage aufkommen, ob ein Zusammenhang mit der russischen Invasion der Ukraine besteht. Immerhin wirft Russland den zuerst betroffenen baltischen Staaten vor, gezielt die russische Sprache und Kultur zu bekämpfen. ■