Prüfstelle zieht Bilanz

Mietwucher in Berlin: Fast jede zweite Wohnung unter Verdacht

Seit Frühjahr gibt es die Mietpreisprüfstelle, die kostenlos die Mietverträge der Berliner untersucht. In einem Fall waren die Kosten 150 Prozent höher als erlaubt.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Wohnungen sind in Berlin sehr umkämpft. Das nutzen Gier-Vermieter aus.
Wohnungen sind in Berlin sehr umkämpft. Das nutzen Gier-Vermieter aus.Marius Schwarz/imago

Mieten, die mehr als 50 Prozent über der vergleichbaren Ortsmiete liegen – Mietwucher nennt man so etwas, wenn der gesetzlich vorgegebene Rahmen deutlich überschritten wird. Und obwohl harte Strafen drohen, greifen Gier-Vermieter tief in die Geldbeutel der Berliner. Zahlreiche Fälle hat die neue Mietpreisprüfstelle des Senats untersucht. Ihre Bilanz: Fast jede zweite Wohnung steht unter Mietwucherverdacht.

Laut Statistik geben die Berliner jeden Monat bis zu 68 Prozent ihres Einkommens für die Wohnkosten aus. Bisher nehmen so manche Mieter in der Hauptstadt die Gier der Vermieter in Kauf. Erstens, weil sie froh sind, überhaupt eine Bleibe in dem hart umkämpften Wohnungsmarkt der Hauptstadt bekommen zu haben. Zweitens können Laien kaum selber prüfen, ob ihre Miete tatsächlich zu hoch ist.

Daher hat der Berliner Senat im März eine Mietpreisprüfstelle eingerichtet. Hier können Berliner kostenlos von Fachleuten feststellen lassen, ob ihre Miete tatsächlich überhöht ist oder sich noch im gesetzlichen Rahmen bewegt.

Jetzt hat die Behörde ihre erste Bilanz gezogen. Zwischen April und Juni wurden insgesamt 95 Mietverträge geprüft. Bei 93 stellten die Experten eine unzulässige Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete fest. In 61 Fällen gab es einen Verdacht auf Mietpreiswucher, teilte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen dem RBB mit. Damit lag bei fast jedem zweiten Vertrag, den die Prüfstelle untersuchte, die Miete mindestens 50 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Mietwucher in Berlin: Ein Fall ist besonders krass

Ein Fall war besonders krass: Da wurde eine Mietpreisüberschreitung von 150 Prozent festgestellt – der höchste Wert in der bisherigen Bilanz der Prüfstelle. In dem Fall, der aus dem Jahr 2019 stammt, hätte der Mieter eigentlich eine Nettokaltmiete von 8 Euro pro Quadratmeter monatlich zahlen müssen. Doch der Vermieter verlangte 19 Euro!

Ein klarer Fall von Mietwucher, so die Prüfstelle. Dem Gier-Vermieter droht eine saftige Geldstrafe von bis zu 50.000 Euro. Laut Wirtschaftsstrafgesetz ist Mietwucher sogar eine Straftat, für die man auch im Knast landen kann. Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren drohen.

Der festgestellte Mietwucher-Fall: Er kann jetzt bei dem zuständigen Bezirksamt landen. Sie sind für die weitere Verfolgung der Mietwucher-Verdachtsfälle in Berlin zuständig. An die Bezirksämter wurden im vergangenen Jahr 280 Mietwucher-Verdachtsfälle seitens betroffener Mieter gemeldet.

Noch mehr Mietwucher-Verdachtsfälle meldeten die Bezirksämter bereits zu Beginn des Jahres 2025. Grund war eine Mietwucher-Verdachts-App, die die Linkspartei im Bundeswahlkampf geschaltet hatte.

Zwischen November 2024 und Ende Januar 2025 haben 33.768 Berliner dieses Angebot genutzt, erklärt die Linke-Bundestagsabgeordnete Caren Lay. Dabei seien 1268 Meldungen überhöhter Mieten an die Bezirksämter gegangen, davon 776 Fälle auf Wuchermieten-Verdacht. „Die gemeldeten Mietpreise lagen im Schnitt 73,96 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete“, sagte Lay dem KURIER.

Mietwucher: In Berlin-Mitte gab es die meisten Verdachtsfälle

Laut den Meldungen in der App sind die meisten Verdachtsfälle zu überhöhten Mieten in Berlin-Mitte an die zuständigen Ämter gegangen. Von den insgesamt 255 Fällen gehörten 171 in die Kategorie Wuchermieten-Verdacht. Im Schnitt wurden in Mitte 75 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete verlangt und gezahlt.­

In dieser Statistik lag Friedrichshain-Kreuzberg mit 187 gemeldeten Fällen, davon 131-mal Verdacht auf Wuchermieten (87 Prozent über der Ortsmiete), auf Platz 2. Es folgten Neukölln mit 173 Fällen (davon 109-mal Wuchermiete, 74 Prozent Überschreitung), Pankow mit 149 Fällen (87-mal Wuchermiete, 64 Prozent Überschreitung) und Lichtenberg mit 112 Fällen (63-mal Wuchermiete, 64 Prozent Überschreitung).

Wer seine Miete prüfen lassen will, kann bei der Mietpreisprüfstelle unter der Telefonnummer 030 213 007 302 einen Termin vereinbaren (montags, mittwochs und freitags zwischen 9 und 12 Uhr und dienstags und donnerstags zwischen 14 und 17 Uhr).