Täglich gibt es in Berlin Meldungen über Messer-Attacken – vor allem an kriminalitätsbelasteten Orten wie dem Alexanderplatz, dem Görlitzer Park oder rings um das Kottbusser Tor. Kurz vor Ende des Jahres lässt sich absehen, dass es auch 2024 keine Besserung bei Angriffen, Verletzungen und Bedrohungen mit Messern gab, wie die Polizei mitteilt. Auffällig: Die Zahl der nichtdeutschen Täter hat weiter zugenommen. KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Messergewalt.
Wie viele Messerattacken gab es 2024 in Berlin? „Das Niveau liegt ähnlich hoch wie 2023“, sagt Polizeipräsidentin Barbara Slowik Meisel. „Wir hatten ja vergangenes Jahr schon den zweithöchsten Stand der letzten zehn Jahre.“2023 waren es 3482 registrierte Straftaten mit Messern. Etwa die Hälfte davon waren laut Polizei Drohungen mit dem Messer. Das sei 2024 ähnlich gewesen. „Diese Differenzierung macht es insgesamt nicht besser. Aber es ist ein Unterschied, ob jemand tatsächlich durch einen Schnitt oder einen Stich verletzt wird oder ob mit einem Messer ausschließlich gedroht wurde“, sagt die Polizeipräsidentin.
Berlin: 30 Prozent der Täter sind jünger als 21 Jahre
Zugleich betont Slowik Meisel: „Beides ist brandgefährlich. Es gibt bestimmte Gefäße im Bauch, in den Beinen und im Hals, bei denen, wenn getroffen wurde, die Blutung sehr schnell und energisch kontrolliert werden muss, sonst kann es schnell zu einer lebensbedrohlichen Situation werden.“ Daher seien Messerattacken fast gefährlicher als Auseinandersetzungen mit Schusswaffen und Schüsse, die auch mal den Arm, die Schulter oder die Beine treffen.
Wie alt sind die Täter? 30 Prozent der Täter sind jünger als 21 Jahre. Es setze sich fort, dass die Polizei auch viele Jugendliche unter 18 und Kinder unter 14 Jahren als Verdächtige mit Messern registriere, die etwa Raubtaten verübten oder aneinandergerieten.
Woher kommen die Täter? Erhöht hat sich nach Angaben der Polizeipräsidentin die Zahl der nicht-deutschen Verdächtigen bei Messertaten. Der Anteil liege 2024 bei knapp 60 Prozent. Im Vorjahr 2023 waren von den 2575 Tatverdächtigen etwa 1200 Deutsche und 1370 Ausländer (53 Prozent). Aber auch die Opfer seien häufig Nicht-Deutsche, weil sich die Taten oft innerhalb bestimmter Szenen und Communitys abspielten.
Wo passieren die meisten Messertaten? Örtlich verteilten sich die Taten mit Messern in Berlin über das gesamte Stadtgebiet, mit etwas mehr Taten in den Innenstadtbezirken. Große Knotenpunkte wie der Alexanderplatz und Bereiche um den Leopoldplatz in Wedding oder das Kottbusser Tor in Kreuzberg bilden Schwerpunkte. „Der Alexanderplatz ist aber eben auch der größte Platz in Deutschland mit knapp 400.000 Menschen, die jeden Tag dort vorbeikommen“, so Slowik Meisel.
„Da sammeln sich natürlich auch relativ viele Menschen aus bestimmten Milieus, darunter Drogenabhängige, Obdachlose und geflüchtete junge Menschen. Diese Straftaten, die dort passieren, sind zu einem ganz überwiegenden Teil Taten innerhalb dieser Milieus, gerade auch die Messerstraftaten. Wer dort einkauft, der muss daher grundsätzlich wirklich nicht damit rechnen, Opfer einer Messertat zu werden“, sagt sie.

Was ändert sich 2025 bei der Bekämpfung von Messergewalt in Berlin? Ab Februar werden drei Waffen- und Messerverbotszonen an kriminalitätsbelasteten Orten geschaffen. Eine Zone erstreckt sich über den Görlitzer Park (Kreuzberg) und die angrenzenden Straßen. Weitere Zonen wird es am Kottbusser Tor (Kreuzberg) und für den Leopoldplatz (Wedding) geben. Das Verbot gilt auch für die U-Bahnhöfe Görlitzer Park, Kottbusser Tor und Leopoldplatz sowie innerhalb der Areale in BVG-Bussen und U-Bahnen.
Ab 15. Februar ist es hier verboten, Waffen und Messer aller Art mitzuführen. Das gilt auch für Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen – selbst dann, wenn die Besitzer einen sogenannten kleinen Waffenschein haben. Auch das Mitführen von Taschen- und Küchenmessern wird hier verboten. Ausnahmen gibt es etwa für Restaurantbesitzer.
Messerkriminellen kann die Fahrerlaubnis entzogen werden
Wie wird das kontrolliert? Die Polizei darf in den drei Zonen Personen auch unabhängig von konkreten Verdachtsmomenten anhalten und durchsuchen. Bei Verstößen droht eine Geldbuße von bis zu 10.000 Euro. Übrigens: Zum Jahreswechsel beschloss der Senat ein Waffen- und Messerverbot für die Silvesterparty am Brandenburger Tor, rund um das Wahrzeichen und im Tiergarten – vom 31. Dezember, 14.00 Uhr, bis zum 1. Januar, 6.00 Uhr.
Was ändert sich bei der Berliner Polizei? Am 1. Januar nimmt eine „Koordinierungsstelle Messer“ die Arbeit auf, um die entsprechenden Fälle zu bündeln und gesondert auszuwerten. So soll ein genaueres Bild über jene Täter entstehen, die besonders stark auffallen. Ziel sei, „dass wir uns mit den Personen beschäftigen, die mehrfach mit Messerangriffen aufgefallen sind“, sagt ein leitender Beamter. Derzeit hat die Polizei elf Männer im Fokus, die jeweils innerhalb von zwei Jahren sechs Messerangriffe verübt haben.
Was ändert sich bei den Strafen? Verurteilten Messerkriminellen kann jetzt auch die Fahrerlaubnis entzogen werden. Nach der rechtskräftigen Verurteilung erhält das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten eine Mitteilung der Polizei. Da Messertäter ein hohes Aggressionspotenzial haben, kann ihnen die charakterliche Eignung zum Führen eines Fahrzeugs abgesprochen werden. Dauer: bis zu fünf Jahre. „Jemanden mit hohem Aggressionspotenzial und niedriger Reizschwelle kann man nicht mit der ‚Waffe Auto‘ auf die Straße loslassen“, sagt ein Beamter.
Wie sieht es in Brandenburg aus? Das brandenburgische Innenministerium rechnet für dieses Jahr mit einem Anstieg bei der Zahl der Messerangriffe. Die genauen Zahlen werden zwar erst 2025 genannt, wie es in Potsdam heißt. Aber die Tendenz sei klar: Für das Jahr 2024 werde im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg der Fallzahlen für das Phänomen „Messerangriffe“ erwartet. Im vergangenen Jahr wurden laut der Kriminalstatistik insgesamt 680 Messerangriffe in Brandenburg erfasst. Davon entfielen 31,4 Prozent auf nicht-deutsche Tatverdächtige.
„Deutschland hat ein Messer-Problem“
Wie sieht es in Deutschland aus? Am Abend des 23. August kam es auf einem Solinger Volksfest zu einem islamistischen Terroranschlag. Der Täter, ein 26-jähriger Syrer, tötete mit dem Messer drei Menschen und verletzte acht weitere, davon vier lebensgefährlich. Für das Jahr 2024 gibt noch keine genauen Zahlen, aber laut einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur stieg in einigen Bundesländern die Zahl der Messer-Angriffe dieses Jahr erneut – etwa in Sachsen, dem Saarland und in Schleswig-Holstein. Einen Rückgang gab es in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern.
Wie reagierte die Politik auf den Anschlag von Solingen? Im August beschloss die damalige Koalition aus SPD, Grünen und FDP das sogenannte Sicherheitspaket. Der Bundestag nahm dies im Oktober an, der Bundesrat stoppte einen Teil davon – Verschärfungen im Waffenrecht wurden allerdings beschlossen. Im Waffengesetz steht nun, dass das Verbot, Waffen bei Volksfesten oder Sportveranstaltungen mitzuführen, ausdrücklich auch für Messer gilt. „Wir verbieten Messer auf öffentlichen Veranstaltungen und ermöglichen den Ländern, weitergehende Messer-Verbote zu erlassen“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser.
