Berlin gilt oft als grau und dreckig. Graffiti, Scherben, Bahnhöfe im Daueraroma von Rauch. Doch an diesem Sonntag zeigt sich die Stadt von einer anderen Seite. Sonne über der Straße des 17. Juni, Trommeln sind zu hören und Fahnen wehen im Wind. Mehr als 55.000 Läuferinnen und Läufer drängen sich an den Start beim Berlin-Marathon. Schon in der S-Bahn wird klar: Berlin ist an diesem Tag international. Spanisch, Englisch, Chinesisch, Französisch – ein einziges Stimmengewirr. Drei Finnen schimpfen über die Wärme. Zu heiß für Bestzeiten.
Läufer aus Vancouver, Stockholm, Brasilien: Berlin ist am Sonntag international
Am Start Isabel aus Vancouver. Es ist ihr erster Marathon, den Platz bekam sie im Nachrückverfahren. „Ich war überrascht. Berlin ist gar nicht so hässlich“, sagt sie. Zu Hause fiebern Mann und Kinder mit. Tochter Presley, acht Jahre alt, mahnte: „Wenn das Knie wehtut, hör auf.“ Kessel aus Kapstadt läuft mit seinem Vater. Beide heißen gleich. Der Ältere hat über 50 Marathons geschafft, Berlin fehlte noch. Ziel: unter fünf Stunden.
Coyntha aus Mexiko lebt seit 25 Jahren in Stockholm. Nach Verletzungspause läuft sie ihren zwölften Marathon. Ihr Mann arbeitet an der Uni Linköping in der IT. Joggt selbst „nur ein Kilometer am Tag“. Am Rand steht Marina aus Brasilien. Ihre Schwester Carmen läuft. Drei Monate ohne Bier. Marina zeigt ein Schild mit Bierglas: „Nach dem Zieleinlauf bekommt sie ihr erstes Bier. Von mir.“ Auch Asien ist vertreten. Thittapang aus Bangkok, Kanchana von Ko Samui – beide mit mehr als 20 Marathons. Ziel wie die Kessels: unter fünf Stunden.

Und da ist Laura, 58, aus Mexiko. Sie läuft nicht, sie erinnert an Paquita la del Barrio, die Sängerin, die vor sechs Monaten starb. Berlin-Marathon heißt auch: Dirk und seine Midnight Runners. Eine internationale Community, 30 Gruppen weltweit. In Berlin treffen sie sich mittwochs. 200 Leute, laute Musik. Dirk, 39, ist Captain. „Wenn wir laufen, kommt kein Auto durch.“ Für ihn ist es Gemeinschaft.
Am Nachmittag dann Zucker statt Schweiß. Im Michelberger-Hotel läuft die erste deutsche Streuselkuchen-Meisterschaft. Drei Mütter gegen drei Köche. Der Kuchen selbst: ein Klassiker. Entstanden im 18. Jahrhundert in Schlesien. Drei Zutaten genügen: Mehl, Zucker, Fett. 200 Gäste sind da, 1500 Stücke werden verteilt. Swingmusik läuft. Der DJ ist seit 16 Jahren Rezeptionist im Haus.
