Der Kampf der Berliner Bezirke gegen illegales Glücksspiel, Geldwäsche, Schwarzarbeit: Um gezielt das kriminelle Treiben einzudämmen oder zu beenden, führen Ordnungsämter Verbundeinsätze (Razzien) mit der Polizei in Lokalen, Bars, Geschäften durch oder durchforsten mit dem Zoll Baustellen. Bezirke wie Neukölln sind bei den Einsätzen mit Eifer dabei. Bezirke wie Lichtenberg anscheinend nicht. Warum? „Das Bezirksamt hat offenbar kein Interesse an der Aufklärung von Straftaten“, sagt der Lichtenberger BSW-Fraktionschef Norman Wolf dem KURIER.
Wie ernst die Behörde die Kriminalität in Lichtenberg nimmt, hat ein Fall gezeigt, über den der KURIER vor kurzem berichtete. Da flohen Tom Hoffmann, seine Freundin Isabel (beide 38) und ihre gemeinsame Tochter (3) aus dem Bezirk, weil sie sich im Weitlingkiez nicht mehr sicher fühlten.

Einbrüche, Jugend-Gangs, die in Wohnvierteln Bewohner bedrohen: Die kleine Familie packte ihre Sachen, zog nach Mecklenburg-Vorpommern. „Die Menschen hier fühlen sich im Stich gelassen, keiner unternimmt etwas gegen die Gewalt“, sagte Hoffmann.
Wie recht die Familie wohl hat, zeigt nun ein Bericht, den BSW-Fraktionschef Norman Wolf vom Bezirksamt Lichtenberg in Sachen Kriminalitätsbekämpfung bekam. Er hatte in einer Anfrage von der Behörde wissen wollen, wie viele Einsätze von Polizei und Ordnungsamt es seit 2023 bis heute gab.
„Bezirksamt Lichtenberg tut so, als gebe es Geldwäsche oder illegales Glücksspiel nur in anderen Teilen Berlins“
Die Antwort des Bezirksamtes liegt dem KURIER vor. Berauschend viele Einsätze mit der Polizei waren es demnach nicht: fünf im Jahr 2023, sieben ein Jahr später, nur sechs in diesem Jahr. „Zu wenig“, sagt Wolf. Den Politiker wurmt das laxe Vorgehen. „Das Bezirksamt tut so, als würde es Geldwäsche, illegales Glücksspiel oder Schwarzarbeit in vielen Teilen Berlins geben – nur in Lichtenberg nicht. Das kann nicht sein“, kritisiert Wolf. „Bezirke wie Neukölln schaffen deutlich mehr Einsätze.“
Ist das so? Der KURIER fragte beim Bezirksamt Neukölln nach. „Die Zusammenarbeit mit der Polizei ist ausgezeichnet“, teilt die Behörde mit. „Die Einsätze gehören in Neukölln zum laufenden Tagesgeschäft und finden zu den unterschiedlichsten Anlässen und in den unterschiedlichsten Größenordnungen statt.“
So führte der Bezirk allein 2024 zwischen Januar und September 13 Einsätze mit der Polizei gegen die Clan-Kriminalität durch. Dazu kamen im 15 weitere Verbundeinsätze, bei denen Geschäfte, Bars und Lokale kontrolliert wurden. Bei diesen wurden insgesamt 116 Ordnungswidrigkeiten festgestellt und angezeigt – unter anderem wegen Verstößen gegen das Jugendschutzgesetz. Kontrolliert wurde außerdem, ob etwa Nichtraucherschutzvorschriften oder die Preisabgabeverordnung eingehalten wurden.

Solche Angaben kann das Bezirksamt zu seinen wenigen Verbundeinsätzen mit der Polizei nicht machen. Die Fragen des BSW-Politikers Wolf danach, wo die Einsätze stattfanden und welche Verstöße ermittelt wurden, werden nur spärlich oder gar nicht beantwortet.
Liest man die Antworten des Bezirksamtes, so hat man den Eindruck, als hätte der Bezirk nur ein paar „Schankwirtschaften mit Schwerpunkt auf Geldspielgeräte“ kontrolliert, bei denen Ermittler der Finanzämter und des Zolls zugegen waren. Eines der wenigen konkreten Details, die der Bezirk dem BSW-Politiker liefert.
Glücksspiel, Verstöße gegen Jugendschutz: Lichtenberger Amt führt keine Statistik
Auf Fragen nach Anzahl der ermittelten Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz, dem Spielhallengesetz und dem Glücksspielstaatsvertrag oder der Gewerbeordnungen erhält Wolf nur eine Antwort vom Amt: „Zur Anzahl der Verstöße wird keine Statistik geführt. Daher ist keine Nennung von Zahlen möglich.“
Allerdings erklärt die Behörde, in der Stadträtin Filiz Keküllüoğlu (Grüne) für das Ordnungsamt zuständig ist: „Es wäre wünschenswert, mehr Verbundeinsätze durchführen zu können. Voraussetzung dafür wäre mehr Personal.“ Denn es werden bei den wenigen Einsätzen „doch relativ viele Ordnungswidrigkeiten und Straftaten festgestellt“. Nur wie viele es sind, verrät die Behörde nicht.

BSW-Fraktionschef Wolff ist über so ein merkwürdiges Gebaren des Bezirksamtes mehr als verwundert. „Die Aussage, das Bezirksamt führe keine Statistiken, ist sehr fragwürdig“, sagt er. Dabei ließe sich die Anzahl der Verstöße leicht aus der Ordnungswidrigkeiten-Datenbank herauslesen, „wenn man weiß, an welchem Tag man die Einsätze gemacht hat und das wird das Ordnungsamt ja nicht vergessen haben“, so der Politiker.

Der Lichtenberger BSW-Fraktionschef erklärt weiter: „Wenn das Bezirksamt selbst feststellt, dass bei wenigen Einsätzen viele Ordnungswidrigkeiten und Straftaten aufgedeckt werden, stellt sich die Frage: Wieso werden die Verbundeinsätze dann nicht forciert? Der Verweis auf die Personalsituation allein genügt nicht.“