Wollen uns die Macher des DDR-Kultcomics Mosaik einen Bären aufbinden? Im neuen September-Heft wird da steif und fest behauptet, die Abrafaxe hätten unser schönes Berlin gegründet – und das vor etwa 860 Jahren! Machen die Comic-Knirpse, die dieses Jahr 50 werden, die Hauptstadt noch älter, als sie wirklich ist? Denn laut „Geburtsurkunde“ gibt es Berlin doch erst seit 788 Jahren.
Der KURIER machte sich auf die Spurensuche, besucht die Mosaik-Redaktion in Berlin-Westend, die in diesen Tagen die neue Abrafaxe-Geschichte „Die Fehde“ herausbringt. Auf dem Titel ist der Markgraf Albrecht der Bär (1100–1170) zu sehen, wie er um 1168 einen Pfahl mit dem Berliner Stadtwappen in die Erde rammt. Davor kichern vergnügt die Abrafaxe. Dahinter steht Taubenschlag in Form des Fernsehturmes.

Die Mosaik-Macher haben ganz schön viel Humor. Aber im Ernst: Bisher lautete die historische Wahrheit, dass Berlin aus der Doppelstadt Berlin-Cölln entstanden sei. Kurios: Ausgerechnet die erste urkundliche Erwähnung von Cölln im Jahr 1237 wird allgemein als Geburtsjahr von Berlin angesehen.
Und jetzt kommt die Mosaik-Redaktion (20 Mitarbeiter) mit dem Jahr 1168. Eigentlich ist es Autor Jens Uwe Schubert (62), der sich die Berlin-Gründungsgeschichte mit den Abrafaxen ausgedacht hat. „Die erste urkundliche Erwähnung von 1237 heißt ja nicht, dass es Berlin, das erst 1244 urkundlich erwähnt wird, nicht schon länger gegeben hat“, sagt Schubert. „Irgendwann muss ja der Ort im Vorfeld entstanden sein.“

Nach einigen Recherchen erzählt nun Schubert diese Geschichte mit etwas dichterischer Freiheit im Mosaik. Sie spielt um 1186. Da sitzen im Norden, wo heute etwa Spandau ist, Albrecht der Bär mit seinem Gefolge. Gegenspieler ist der slawische Fürst Jacza von Copnic (Köpenick) mit seinen Leuten. Beide Herrschaften ringen um das Land, das dazwischenliegt. So ist es auch historisch belegt.
Im neuen Mosaik-Heft: Per Zeitsprung gründen die Abrafaxe Berlin
Allerdings nicht, dass die Mosaik-Helden Abrafax, Babrax und Califax per Zeitsprung in diese Historie platzen. Sie sind mit den Geschwistern Katharina und Karl unterwegs, die an der Spree ein neues Zuhause aufbauen wollen – und landen in Cölln. In der Tat ist dieser wohl von Rheinländern errichtete Ort (wo heute die Fischerinsel in Berlin-Mitte liegt) schon länger existent als Berlin.

Die Mosaik-Geschichte geht nun so, dass man in Cölln die Neulinge, die dort ein Haus errichten wollen, nicht haben will. Also setzen die Abrafaxe mit dem Geschwisterpaar Katharina und Karl mit einem Boot über die Spree. Und mitten in diesem sumpfigen Gebiet finden sie einen trockenen Fleck Erde, auf dem sie ein Haus bauen – und Berlin gründen.

„Man sieht, in Berlin gab es schon Wohnungsnot, als es gegründet wurde“, scherzt Autor Schubert. Er erzählt auch, wie es zu dem Namen kam – aufgrund des sumpfigen Gebietes. „Das Wort ,Berl‘ kommt aus dem Slawischen, bedeutet ,Sumpf‘. Also heißt Berlin übersetzt: Ort im Sumpf.“
Die Geschichte stimmt. Aber nicht, dass Markgraf Albrecht der Bär wirklich dem Örtchen Berlin seinen Segen erteilte, so wie es im Heft erzählt wird. Fakt ist aber die Darstellung, dass Albrechts Gegner Jacza von Copnic zurück ins Königreich Polen ging und die Zukunft von Köpenick anderen überließ. Das war 1168, also vor etwa 860 Jahren.
Als Berlin gegründet wurde, gab es schon lange Köpenick und Spandau
Egal, wie alt nun Berlin wirklich ist: „Diese Geschichte zu machen, hat uns allen sehr viel Spaß gemacht“, sagt Zeichner Jörg Reuter (65), gebürtiger Berliner und seit 1980 beim Mosaik. „Wenn man es genau nimmt, ist unsere Stadt tatsächlich viel älter als man denkt. Köpenick gab es schon um 1150, wie Münzen aus jener Zeit zeigen, auf denen Jacza von Copnic zu sehen ist.“

Um den Umriss des frisch gegründeten Berlins zu zeichnen, nahm Reuter historische Kartenskizzen zur Hilfe. „Der Ursprung lag an der Mühlendammbrücke und dem heutigen Nikolaiviertel, gegenüber war Cölln“, sagt er.
Man merkt: Für die Mosaik-Geschichte zur Gründung Berlins wurde wirklich viel recherchiert. „Unser Autor, acht Zeichner und ein Colorist waren an dem Heft beteiligt“, sagt Redaktionsleiterin Maren Ahrens (54). „Drei Monate dauerte es, bis die Geschichte samt Zeichnungen druckfertig waren.“

Die meisten Zeichnungen werden am Computer gemalt. So mancher, wie Zeichner Andreas Schulze (66), setzt aber noch auf die klassische Zeichenart mit Stift und Feder.