Da staunt der Fachmann, und wir wundern uns: An der Mühlendammschleuse in Berlin-Mitte soll eine Schleuse für Welse gebaut werden! Das ist kein Scherz! Fast sechs Millionen Euro soll das kosten – und das in Zeiten, wo Berlin so knapp bei Kasse ist.
Berlin plant eine barrierefreie Fischtreppe
Die Spree am Mühlendamm nahe der Fischerinsel: Hier befindet sich der Ursprung Berlins. Und hier müssen Tausende von Freizeitbooten und Dampfer einen Stopp einlegen, um auf dem Wasser einen Höhenunterschied von 1,50 Meter zu überwinden – mittels der Mühlendammschleuse.
Nun bekommt die Anlage einen Luxus-Neubau, damit auch Fluss-Monster wie der Wels barrierefrei durch die Spree in der Berliner Innenstadt kommen. Diese Fischtreppe, die gerade nahe der Schleuse gebaut wird, soll 5,6 Millionen Euro kosten und 2029 fertig sein, berichtet die B.Z.
83 Meter lang, 5,60 Meter: Die Fischtreppe besteht aus zwölf Becken, die korrekt „Vertikalschlitzpass“ heißt und in dieser Form „für die Bemessungs-Fischart Wels“ geplant ist. Hätte es nicht auch eine Nummer kleiner sein können?
Schließlich holen Angler recht selten aus der Innenstadt-Spree einen Wels heraus. Eher sind es Barsche und im Glücksfall ein Zander oder Hecht. Für diese Fische ist die Treppe genauso gedacht wie für Brassen und Rotaugen, die in diesem Bereich vermehrt zu finden sind.

Doch warum baut man plötzlich so eine Fischtreppe, die für Welse ausgelegt ist, die bekannterweise im Schlachtensee oder eher im brandenburgischen Bereich der Havel vorkommen? Dort hatte vergangenes Jahr eine Anglerin einen 2,25 Meter großen und 67 Kilogramm schweren Wels gefangen – den bisher größten in Brandenburg.
Aber gibt es diese Monster-Fische in der Innenstadt-Spree? Der KURIER fragte beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Spree-Havel nach. Die Bundesbehörde ist der Bauherr der Fischtreppe und bezahlt sie auch. Weil es seit Jahren ein EU-Gesetz gibt, das solche Anlagen an Schleusen vorsieht, wird sie nun auch an der Mühlendammschleuse gebaut, sagt ein Behördensprecher.
Irre! Warum Berlin eine Luxus-Treppe für Welse bekommt
Solche Treppen gibt es an vielen Schleusen oder Talsperren, die quasi Aufstiegshilfen sind und den Fischen den Weg auf ihren Wanderungen erleichtern sollen – etwa zu ihren Laichgebieten. Doch müssen solche Anlagen gleich an der Mühlendammschleuse unbedingt für Welse gemacht werden?
„Die Auswahl der Bemessungsfischart spielt für die Dimensionierung einer Fischwanderhilfe eine entscheidende Rolle“, teilen die Wasserstraßen-Experten der Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt dem KURIER mit. Und die Dimensionierung „richtet sich im Regelfall nach der größten natürlicherweise in einem Wasserkörper vorkommenden Fischart und ist Grundlage für die Bemessung der Fischwanderhilfe. Die Fischart Europäischer Wels gehört zum natürlichen Arteninventar der Spree.“

„Fischtreppen sind absolut notwendig“, sagt auch Stephan Höferer (69), der Angelpapst von Berlin-Brandenburg. Der Mann ist Autor vieler Angelbücher und Filmemacher – und ist vor allem Wels-Experte. Höferer bezweifelt, ob nun die Fischtreppe unbedingt Ausmaße haben muss, um auch Welse ungehindert an der Mühlendammschleuse von A nach B zu bringen. „Diese Fische sind in der Regel standorttreu.“
Aber es gibt auch Fälle, wo Welse doch schon ein paar Kilometer ein neues Revier suchen, meint der Angelpapst. Laut Fischereiamt Berlin wurden in den Gewässern der Hauptstadt bisher 67 Welse gesichtet.
Nicht nur im Schlachtensee oder im Havelbereich bei Spandau: „Klar, auch in der Spree gibt es Welse“, sagt Angelpapst Höferer. Nur weil man sie an der Mühlendammschleuse nicht gesichtet oder gefangen hat, heißt es nicht, dass es sie nicht gibt. „Auch im Innenstadt-Bereich, etwa in der Rummelsburger Bucht haben sie ihr Revier“, sagt Höferer. „Als ich in der DDR mit dem Angeln begann, habe ich meinen ersten Wels aus der Spree geholt.“



