Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner fordert angesichts der schlechten Ergebnisse von deutschen Schülern bei internationalen Vergleichstests Reformen in der Bildungspolitik. „Wir müssen den Mut haben, Bildung neu zu denken“, sagte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. „Wir müssen auch den Mut haben, uns wieder auf das Wesentliche zu konzentrieren“, führte er aus. „Damit meine ich vor allem, dass die Kinder lesen, schreiben und rechnen können.“ Diese Kernkompetenzen müssten gestärkt werden.
Wichtig sei, hier frühzeitig in den Kindergärten zu beginnen, nicht erst ab der ersten Klasse in der Schule, sagte Wegner. Im internationalen Vergleich stünden gerade die Staaten weit vorne, die sehr viel in frühkindliche Bildung investierten. Erst Anfang Dezember streikten in Berlin die Erzieher in Kitas und Schulen für ein besseres Gehalt. Der Mangel an gut ausgebildeten Erziehern ist seit langem bekannt.
Einheitliche Struktur in Deutschland
Reformbedarf sieht Wegner in dem Zusammenhang auch im föderalen System in Deutschland, in dem die Bundesländer die Hoheit über die Schul- und Bildungspolitik haben und ein Kooperationsverbot mit dem Bund gilt. „Das Kooperationsverbot ist in dieser Form nicht mehr zeitgemäß“, sagte er. „Ich bin sehr für Föderalismus, ich bin auch für Wettbewerb unter den Bundesländern. Aber ich würde begrüßen, wenn wir uns auf eine einheitliche Struktur des Bildungswesens in Deutschland verständigen könnten.“
Wegner nannte ein Beispiel: In Berlin gebe es neben dem Gymnasium die Integrierte Sekundarschule (ISS). „Wenn Eltern aus Baden-Württemberg nach Berlin kommen, um hier zu arbeiten, und ihre Kinder mitbringen, dann wissen sie nicht, was eine Integrierte Sekundarschule überhaupt ist.“ Sie existiere in ihrem bisherigen Bundesland nicht.
„Wir brauchen eine einheitliche Struktur in Deutschland – das würde ich richtig und sehr wichtig finden“, sagte der CDU-Politiker. „In Zeiten, wo wir immer mehr Flexibilität von Menschen erwarten, auch beim Ort ihres Arbeitsplatzes, dürfen Eltern und vor allem ihre Kinder den Anspruch haben, dass sie zumindest auf ein vergleichbares Bildungssystem stoßen, in dem sie dann weiter beschult und ausgebildet werden.“
Mehr Geld von Bund für Schulen
Wegner forderte zudem stärkere finanzielle Unterstützung des Bundes für die Länder bei der Bildung – auch hier setzt das im Grundgesetz verankerte Kooperationsverbot bisher enge Grenzen. Der Regierungschef verwies auf Geldleistungen des Bundes für Hochschulen und Wissenschaft, etwa im Rahmen der sogenannten Exzellenzinitiative oder im Zuge des Digitalpakts für Schulen. Hier sei mehr möglich.

„Bildung ist Länderhoheit, und das soll auch so bleiben“, sagte Wegner. „Aber dass es einheitliche Strukturen gibt, dass der Bund auch in die Möglichkeit versetzt wird, mit in die Finanzierung zu gehen, das ist ein absolutes Zukunftsthema.“ Spätestens die jüngsten schlechten Ergebnisse bei der Pisa-Studie hätten gezeigt, wo Deutschland in der Bildungspolitik stehe. „Das sollte uns doch allen zu denken geben und uns alle dazu animieren, dass wir sowohl über finanzielle Mittel im Bereich der Bildung sprechen als auch über Bildungsstrukturen.“ Er wünsche sich in dem Zusammenhang auch mehr Kompetenzen der Kultusministerkonferenz (KMK), ergänzte Wegner. „Bei der KMK ist ja immer ein Goodwill dabei.“
Das System Schule krankt in Berlin und in Deutschland an der Tatsache, dass immer mehr Aufgaben von immer weniger Menschen bewältigt werden sollen: die Integration Geflüchteter, die Erziehung von mehr auffälligen Kindern aus bildungsfernen Familien, Bürokratie und Digitalisierung soll ein auch durch die Pandemie ausgelaugter Lehrkörper stemmen. Überforderte Lehrer, die seit Jahren mehr Stunden in immer größer werdenden Klassen unterrichten müssen, kommen den Anforderungen nicht mehr hinterher.
Was in den letzten Jahrzehnten als pädagogische Reformen angepriesen wurde, war letztlich auch immer Sparmaßnahme. Die Konsequenz, dass nun Quereinsteiger ohne adäquate Ausbildung in den Schulen unterrichten, ist eine Notlösung, deren Folgen erst später sichtbar werden. Ein überfrachteter Lehrplan und das Abitur in zwölf Jahren erhöhen den Stress für Schüler und Lehrer, die keine Zeit für wichtige Beziehungsarbeit haben, gerade in den ersten Schuljahren, in denen Grundlagen gelegt werden.
Der Schulneubau kommt nicht schnell genug voran, sodass räumliche Einschränkungen die Konzentration auf das Kerngeschäft zusätzlich erschweren. Es gibt also viele Ansatzpunkte für Verbesserungen. Ohne mehr Geld geht es nicht. ■