Archäologie-Institut geschröpft?

Iris von Arabien zockte 800.000 Euro ab

Der Staatsanwalt ist sich sicher: Iris G. lebte in Berlin und kassierte unrechtmäßig Auslandszulagen ab, insgesamt mehrere Hunderttausend Euro.

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Altstadt von Sanaa im Jemen. Hierhin reiste die Archäologin, war aber bald wieder in Berlin.
Altstadt von Sanaa im Jemen. Hierhin reiste die Archäologin, war aber bald wieder in Berlin.IMAGO/Depositphotos

Sie bereiste als Archäologin den Orient, stieg in einem Bundesinstitut auf zur Oberamtsrätin. Eine glänzende Laufbahn. Doch nun geht es vor Gericht nicht nur um den tadellosen Ruf der Wissenschaftlerin.

Kassierte Iris G. (57) jahrelang zu ihrem Gehalt monatlich rund 3.600 Euro Auslandszuschlag, obwohl sie dauerhaft in Berlin wohnte? Das Amtsgericht Tiergarten wird sich am Freitag mit dem Fall befassen. Brisant: Bei einer Verurteilung könnte die Oberamtsrätin auch Beamtenstatus und Pension verlieren.

Die promovierte Archäologin auf der harten Anklagebank. Der Vorwurf: Betrug durch Unterlassen in einem besonders schweren Fall. Verhandelt wird um knapp 176.000 Euro, die sie von Februar 2017 bis Dezember 2020 illegal eingestrichen haben soll.

Allerdings ist es laut Staatsanwaltschaft nur der Rest einer mutmaßlichen Schummelei über etwa 18 Jahre hinweg: Insgesamt über 800.000 Euro an Zulagen, obwohl sie aus Sicht der Anklage dienstlich nicht in der Ferne war. Bis der Arbeitgeber schließlich Strafanzeige erstattete. Die Zahlungen vor 2017 aber seien verjährt.

Iris G. studierte Archäologie, nahm an Ausgrabungen in Deutschland, Syrien, dem Irak, der Türkei teil, ging im Jahr 2000 für das Deutsche Archäologische Institut in den Jemen und war bei wichtigen Funden dabei. Im ärmsten Land der arabischen Halbinsel aber herrscht seit Jahren Krieg.

Verliert die Archäologin ihren Beamtenstatus und Pension?

Die Archäologin kehrte bald wieder zurück nach Berlin. Seit 2002 habe sie wieder dauerhaft in Deutschland gelebt. Die Staatsanwaltschaft überzeugt: „Das teilte sie der für die Lohnzahlungen zuständigen Stelle allerdings nicht mit.“

Monat für Monat ein erkleckliches Sümmchen für eine Beamtin, die längst wieder in Berlin weilte? Mit einem Auslandszuschlag sollen „materieller Mehraufwand sowie allgemeine und dienstortbezogene immaterielle Belastungen“ im Ausland abgegolten werden.

Iris G. (Archivbild 2015)
Iris G. (Archivbild 2015)BERLIN/DAHLEM: DR.IRIS GERLACH DEUTSCHES ARCHÄOLOGISCHES INSTUTUT, ORIENT-ABTEILUNG

Schaltete Gier den Verstand aus? Handelt es sich um einen Fall unglaublicher Schlamperei in einem Bundesinstitut? Warum fiel niemandem über so viele Jahre auf, dass die Mitarbeiterin gar nicht tausende Kilometer entfernt im Ausland war, aber doppelt kassierte?

Das Deutsche Archäologische Institut bezeichnet sich selbst als „das größte weltweit agierende Forschungsinstitut im Bereich Archäologie“. Mit 350 Mitarbeiter an 20 Standorten.

Iris G. legte eine Bilderbuch-Karriere hin, leitet seit 2000 die Orient-Abteilung, Außenstelle Sanaa, mit Sitz in Berlin-Dahlem. Als Jemen-Expertin ist sie in Sachen Kulturerhalt aktiv, forscht zu Bewässerungsstrategien, Kultstätten oder Bestattungssitten – von Berlin aus, denn vor Reisen nach Jemen wird gewarnt.

Der Schock vor zwei Jahren: Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage. Der Rechtsanwalt der Archäologin konterte: „Der Vorwurf ist unzutreffend. Die Sicherheitslage im Jemen zwang meine Mandantin zur zeitweiligen Rückkehr.“ Und das sei dem Institut auch bekannt gewesen. Iris G. sei allerdings viel unterwegs gewesen im Auftrag des Instituts – „in andere arabische Staaten“.

Iris G. zahlte halbe Million zurück

Die Oberamtsrätin hat inzwischen tief in die Tasche gegriffen. Vor dem Berliner Verwaltungsgericht kam es zu einer Verhandlung ums Geld, das Institut und Iris G. sollen einen Vergleich geschlossen haben. Eine halbe Million Euro zahlte sie demnach zurück.

Der Verteidiger vor dem jetzigen Prozess: „Es wird um rechtliche Fragen gehen.“ Und die Entscheidung, ob sich Iris G. tatsächlich strafbar gemacht hat. Um 9 Uhr soll sie sich im Saal A371 im Moabiter Kriminalgericht einfinden – und wird sich wohl gegen die Vorwürfe wehren.