Im Fall der mutmaßlich erfundenen Belästigungsvorwürfe gegen den Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar hat die Berliner Staatsanwaltschaft nun offiziell Ermittlungen aufgenommen. Davor hatte die Justiz nur geprüft, ob sich die frühere Grünen-Funktionärin Shirin Kreße strafbar gemacht haben könnte.
Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte dem Tagesspiegel, dass ein Anfangsverdacht wegen Verleumdung bestehe. Die einstige Bezirkspolitikerin war im Januar angezeigt worden – sowohl von der Grünen-Spitze als auch vom RBB. Der öffentlich-rechtliche Sender fühlt sich offenbar von Kreße getäuscht.
Die 27-Jährige soll sich als „Anne K.“ ausgegeben und dem Sender von angeblichen Grenzüberschreitungen durch Gelbhaar berichtet haben. Im Herbst 2024 war der damalige Pankower Bundestagsabgeordnete zunächst parteiintern mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung und des möglichen Missbrauchs konfrontiert worden.
Die Aussagen von „Anne K.“ spielten, laut Tagesspiegel eine zentrale Rolle in der RBB-Berichterstattung im Dezember 2024. Gelbhaar, ein anerkannter Verkehrsexperte, wurde mit den schweren Vorwürfen konfrontiert – die er als „frei erfunden“ zurückwies. Mitte Januar 2025 gestand der RBB schließlich massive Recherchefehler ein.
Ob und in welchem Ausmaß der Sender zur öffentlichen Demontage Gelbhaars beitrug, müssen nun Gerichte klären. Der Ex-Bundestagsabgeordnete fordert eine Entschädigung inklusive Schadenersatz: 1,7 Millionen Euro. Er argumentiert, dass ihm erhebliche Einnahmen entgehen, die er nach einem wahrscheinlichen Wiedereinzug in den Bundestag erhalten hätte.
Gelbhaar fordert 1,7 Millionen Euro Entschädigung
Der RBB hält die Forderung für überzogen und weist darauf hin, dass Gelbhaar bereits vor der Berichterstattung seinen Platz auf der Grünen-Landesliste freiwillig geräumt habe. Auch die parteiinterne Entscheidung, die Wahl des Direktkandidaten für Pankow zu wiederholen, sei unabhängig von der RBB-Story Ende Dezember 2024 getroffen worden.
Noch im November 2024 hatte Gelbhaar als Direktkandidat der Pankower Grünen mit beeindruckenden 98 Prozent Zustimmung das Rennen gemacht. Doch mit den ersten Anschuldigungen zog er seine Bewerbung für Platz zwei der Grünen-Landesliste zurück – ein Platz, der letztlich an Andreas Audretsch ging, den Wahlkampfmanager von Kanzlerkandidat Robert Habeck.

Anfang Januar wurde dann die Wahl um die Direktkandidatur wiederholt. Gelbhaar verlor gegen Julia Schneider, die Unterstützung aus prominenten Grünen-Kreisen erhielt und nun im Bundestag sitzt.
Gelbhaar-Affäre: Wer steckt hinter „Anne K.“?
Die große Frage bleibt: Ist Shirin Kreße wirklich die ominöse „Anne K.“, auf die sich der RBB stützte? Und hat sie möglicherweise noch weitere Anschuldigungen verbreitet? Die Staatsanwaltschaft geht diesen Fragen nach. Bis zum Beweis des Gegenteils gilt für sie die Unschuldsvermutung.
Kreße war Fraktionsvorsitzende der Grünen in der Bezirksverordnetenversammlung Mitte und arbeitete für den Berliner Grünen-Abgeordneten Ario Mirzaie. Doch als ihre mutmaßliche Rolle bei den Anschuldigungen gegen Gelbhaar publik wurde, zog sie die Reißleine: Sie legte ihr Mandat nieder, kündigte ihren Job im Abgeordnetenhaus und kehrte der Partei den Rücken. Ob sie das aus eigenem Willen tat, ist unklar. ■