„Du kommst von der Arbeit und dann stehen da schon wieder ein paar Container mehr“, sagt Matthias Hofedank (59). Er ist Kleingärtner in der Kolonie „Grünauer Straße 1920“ in Berlin-Köpenick. Inmitten der Anlage wird gerade ein Flüchtlingsheim hochgezogen. Für 342 Menschen, drei Stockwerke hoch – mit direktem Blick in die Gärten. Die Köpenicker Kleingärtner sind sauer.
Bei einem Vor-Ort-Termin, zu dem uns die Kleingärtner einladen, erkennt man sofort das Problem. Viel zu wenig Platz. Nur ein schmaler Sandweg trennt die Wohncontainer von den Kleingärtnern. Aus den drei Etagen wird man direkt in jeden Garten gucken. Wir werden uns hier nicht mehr auf die Liege legen können, sagen Jörg und Astrid Schwethelm (beide 58). „Wie man ein solches Wohnprojekt in ein Erholungsgebiet setzen kann, ist uns völlig unverständlich.“
Kleingärtnerin Ramona Tamm: „Wir fühlen uns hier wie auf einem Präsentierteller“
Man solle sie nicht falsch verstehen, sagen die Schwethelms. „Es gibt hier russische Pächter, türkische Pächter. Wir kommen alle gut miteinander aus.“ Aber in Zukunft wird es so gut wie keinen Winkel im Garten mehr geben, wo man sich unbeobachtet bewegen könne. Man hätte schon wegen eines Sichtschutzes angefragt. „Wir dürfen unsere Hecken hier ja nicht zehn Meter hoch wachsen lassen“, sagt Astrid Schwethelm.

„Den Pool haben wir in diesem Jahr gar nicht erst aktiviert“, sagt Ramona Tamm (53), die ihren Garten direkt gegenüber der Wohncontainer hat – gerade mal fünf, sechs Meter Luftlinie entfernt. Sie nutzt den Garten zusammen mit ihrem Sohn Dennis (32), der das Down-Syndrom hat. „Dennis ist in den Pool auch mal nackt reingesprungen. Doch da fühlt man sich jetzt wie auf dem Präsentierteller, die Bauarbeiter sind ja auch schon da und können rüberschauen.“ Ein weiteres Ärgernis: ein riesiger Stromgenerator neben den Containern. „Der ist so laut, der brummt wie Sau“, sagt Matthias Hofedank (59).
Im September sollen hier die ersten von 342 Flüchtlingen einziehen. Kleingärtner und benachbarte Anwohner kritisieren die Entscheidung für den Ort. Es gibt in direkter Nähe keine Imbissbude, kein Restaurant, nur einen Lidl-Markt in 400 Meter Entfernung. Die Kleingartenlage wurde 1920 gegründet, auf beiden Seiten der Grünauer Straße gibt es 103 Parzellen.

Wütend macht die Köpenicker Kleingärtner auch eines: „Die haben hier angefangen zu bauen, bevor wir überhaupt informiert wurden“, sagt Matthias Hofedank. „Das ist respektlos gegenüber uns Kleingärtnern.“ Im Februar begannen die Bauarbeiten, erst im März wurden Anwohner und Kleingärtner informiert.
Das Amt antwortet nicht auf Anfragen der Köpenicker Kleingärtner
Er hoffe, dass hier alle ganz friedlich zusammenleben werden, sagt Hofedank. Aber gerade bei den Frauen spiele auch ein wenig Angst mit, sie würden sich unwohl fühlen, wenn sie ständig das Gefühl haben müssen, auf Schritt und Tritt beobachtet zu werden.

Laut Bauantrag ist die Nutzung des Geländes als Flüchtlingsunterkunft bis zum 31. Dezember 2029 geplant. In der Unterkunft wird rund um die Uhr ein Sicherheitsdienst tätig sein. In einer Information vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten heißt es: „Die Hausordnung wird vom Betreiber und (zu den Randzeiten nachts und am Wochenende) vom Sicherheitspersonal umgesetzt.“

Dass es laut werden wird, befürchten die Kleingärtner. Da komme ja auch noch ein Kinderspielplatz hin. „Wir haben ja nichts gegen die Menschen“, sagt Kleingärtner Thomas Schulz (53). „Ich sehe auch, dass die Leute irgendwo unterkommen müssen. Aber das werden hier zu viele auf engem Raum.“ Schulz leidet an einer Nervenkrankheit, er hat MS. „Ich habe Bedenken, dass es zu laut wird, ich das nicht aushalte. Das geht an meine Substanz.“

Bei der Bürgerversammlung hat Thomas Schulz nach Möglichkeiten für Schallschutz gefragt. Versprochen wurde ihm eine Antwort innerhalb von drei Wochen. „Jetzt sind drei Monate vergangen – und passiert ist nichts“, erklärt er. „Wenn der Mann mir gesagt hätte, er hat kein Geld, hätte ich ihm die 95 Cent fürs Porto gegeben ...“