Mehr als 10.000 Anwohner, Kleingärtner und Besucher des Britzer Gartens haben schon eine Petition unterschrieben. Dagegen, dass auf dem Parkplatz am Sangerhauser Weg ein Flüchtlingsheim hochgezogen wird. Sie fühlen sich von Senat und Bezirken übergangen. „Dieses Projekt landet hier wie ein Ufo, das einfach in die Landschaft gesetzt wird“, sagt Anwohnerin Christiane Böttcher (65).
Um den Ärger zu verstehen, muss man wissen, dass dieser Platz nicht irgendein Parkplatz ist. Er ist Teil einer öffentlichen Straße und der zentrale Parkplatz des Britzer Gartens. Eines der größten Naherholungsgebiete Berlin, mit über 1 Mio. Besuchern pro Jahr.
„Aus Sicht des Britzer Gartens ist die Entscheidung, hier ein Wohncontainerdorf für geflüchtete Menschen hinzusetzen, eine Katastrophe“, sagt Johannes Thiem vom Förderkreis Freunde des Britzer Gartens. „Das ist hier ist der einzige große Parkplatz für die Besucher. Das ist ein Supergeschenk des Senats zum 40. Jahrestag des Britzer Gartens.“
Der Parkplatz für den Britzer Garten schrumpft
Zwei Drittel der Parkplätze werden wohl ausradiert. „Älteren, Rentnern mit Rollator wird der Zugang erschwert, wenn sie hier nicht mehr parken können“, sagt Johannes Tiem. Er befürchtet Verkehrschaos. Auch für Anwohner. „Schon jetzt ist am Wochenende im Umkreis von einem Kilometer alles zugeparkt“, sagt Christiane Böttcher.
Der Sangerhauser Weg, genau an der Grenze zwischen Neukölln und Tempelhof, ist zweigeteilt. Beidseitig eine Einbahnstraße, geteilt durch einen breiten, grünen Mittelstreifen. Mit 500 Pkw-Parkplätzen, vier Behinderten- und zwei Busparkplätzen.
Eine Hälfte soll jetzt abgezäunt werden – für ein Flüchtlingsheim. Drei Container-Blocke, jeweils dreistöckig, für 352 Personen. Autos müssen sich dann eine Fahrbahn teilen. „Doch die ist in Teilen nur 5,10 Meter breit ist, mit Parkplätzen rechts und links“, sagt Christiane Böttcher. Der gesamte PKW- und Schwerlastverkehr würde dann entlang dieser schmalen Straße mit Gegenverkehr rollen. „Der Sangerhauser Weg ist eine wichtige Zufahrtsstraße zu den Laubenkolonien, dem Wirtschaftshof des Britzer Gartens, einer Tennishalle, einem Lokal und einer Bio-Gärtnerei mit Verkauf“, sagt die Anwohnerin.

Befürchtet wird auch, dass der grüne Mittelstreifen, der jetzt dem Wohnprojekt zugeschlagen wurde, plattgemacht wird. Doch der sei ein schützenswertes Biotop, erklärt Anna Stein (47), die in der Nähe eine Bio-Gärtnerei betreibt. „Dort leben viele Bodenbrüter“, sagt sie. Zaunkönig, Rotkehlchen, Fitis und Gartenrotschwanz. Dazu kommen Bock- und Nashornkäfer, die dort vor 40 Jahren gepflanzten Japanischen Schnurweiden seien Insektenweiden, die wichtig für die hier lebenden Fledermäuse sind.
„Und im angrenzenden Waldstück überwintern Erdkröten, die vom Britzer Garten herwandern“, sagt die 47-Jährige. Für Anna Stein ist die geplante Bebauung eine nachhaltige Zerstörung, sie sieht sich in ihrer Existenz bedroht. Sie befürchtet auch, dass Schadstoffe in die Senke reinlaufen, in der sich ihre Bio-Gärtnerei befindet. Der Sangerhauser Weg ist an drei Seiten von Kleingartenkolonien umgeben, die nicht an das Abwassersystem angeschlossen sind. „Nach unserem Kenntnisstand verlaufen auch unter dem Parkplatzgelände keine Abwasserleitungen“, erklärt Anwohnerin Christiane Böttcher.
„Als Anwohnerin, als Mutter bin ich besorgt“
Doch es fehle auch an einem soziales Umfeld. „Im Winter ist hier Totentanz“, sagt die Gärtnerin. Da sei keine Nachbarschaft zum Integrieren da, die Kleingärten ständen dann leer. Auch sonst wäre hier nicht viel los, erklärt Anwohnerin Christiane Böttcher. In 500 Meter Entfernung gäbe es einen kleinen SB-Supermarkt. Der Bus, der alle 20 Minuten fährt, sei schon jetzt immer voll, der nächste Arzt ist einen Kilometer entfernt. „Da bekommen nicht mal Anwohner einen Termin“, sagt sie. Es gäbe keine freien Schulplätze, keine Kita sei in der Nähe.

Für Sina Hoffmann (44) ist auch noch ein anderer Aspekt wichtig: „Viele Wege sind hier nachts stockduster und kaum beleuchtet. Meine 17-jährige Tochter fühlt sich hier jetzt schon nicht sicher – und dann kommen noch 400 Nachbarn dazu, die man nicht kennt“, sagt sie. „Als Anwohnerin, als Mutter bin ich besorgt.“
In die Bezirksverordnetenversammlungen von Neukölln und Tempelhof wurden Einwohneranträge eingebracht. „Keine Bebauung des Sangerhauser Wegs“, heißt es dort. Es sei der falsche Standort. Am Dienstagabend hat der Umweltausschuss der BVV Neukölln einen Anwohnereintrag abgelehnt. In einer Umwelt-Potenzialanalyse (UPA) heißt es, dass zwar sechs Vogelarten durch die neue Nutzung ihren Brutplatz verlieren könnten, langfristige Auswirkungen aber gering seien.

Die Gegner des Standortes kommen nicht recht weiter, Bitten um Einsicht in bereits erfolgte Untersuchungen werden abgeschmettert. Auch am Dienstag: „Die vollständige UPA ist Verschlusssache und wurde uns nicht zugänglich gemacht“, sagt Anwohnerin Christine Böttcher.