Florian Schmidt, Baustadtrat von Friedrichshain‑Kreuzberg, steht an der Warschauer Brücke und legt den Kopf in den Nacken. Der Grünen-Politiker nimmt die Dachterrasse des Amazon-Towers in den Blick. Neulich war er das erste Mal dort oben. „So weit über den Menschen“, sagt er. „Anmaßend“, „schrecklich“. Und jetzt sollen hier noch mehr solcher Klötzer dazugestellt werden: drei neue Hochhäuser direkt gegenüber, eins davon 167 Meter hoch. „Fernsehturm‑mäßig“, klagt Schmidt.
Bei einem Stadtspaziergang mit rund 40 Leuten zieht der Bezirkspolitiker Bilanz: Gegen den größten Turm habe er sich so lange gewehrt, bis SPD-Bausenator Gaebler ihm das Planungsrecht „über Nacht“ entzogen habe. Stadtplanung sei oft wie ein Spiel, bei dem der Bezirk die Regeln nicht macht.
Ein etwas kleinerer Investoren‑Turm soll am Rand des RAW‑Geländes entstehen. Daneben will die Anschutz‑Gruppe den Amazon‑Tower noch einmal kopieren – weil es davon gar nicht genug geben kann. Der 167-Meter-Klotz ist als Wohnturm geplant. Alles am U‑ und S‑Bahnhof Warschauer Straße.
Die Härte der Stadt und die Härte der Stadtentwicklung
Während Touristen und Feiernde vorbeiziehen, erklärt Schmidt, wie der Bezirk in die Zange genommen wird: Manche Flächen blieben nur dank Zugeständnissen an Investoren erhalten — Skaterhalle und Clubs auf dem RAW-Gelände zum Beispiel. Kompromisse, sagt er, seien die „Härte der Stadtentwicklung“.
Was die Spaziergänger auf dem Weg zu spüren bekommen, ist die Härte der Stadt. Zwischen jungen Partyleuten campieren Saufbrüder. Die Einkaufswagen mit ihren Habseligkeiten machen das Gedränge noch dichter. Und mitten auf der Brücke hat ein Bettler ein Schachbrett vor sich aufgestellt. Keiner guckt hin, aber zwei Jugendliche prahlen mit ihren Schachkenntnissen, als sie vorbeigehen.
Vor einer riesigen Menge unnützer Fahrradständer muss Stadtrat Schmidt sich von einem der Spaziergänger sagen lassen, dass er sich von den Eigentümern des RAW-Geländes an der Nase herumführen lasse. Die Kurth‑Gruppe habe das Areal zum Schnäppchenpreis erworben. Der Wert sei schon heute viel höher. Erhalte die Gruppe nun noch Baugenehmigungen, werde der Wert explodieren. Und das Gelände werde parzelliert und weiterverkauft. Einige Spaziergänger applaudieren spontan. Schmidt weist die Unterstellung, „Investoren Geschenke zu machen“, weit von sich.
Wo der Party-Rewe stand, wird das Wohnen teuer
Immer wieder erklärt er, wie fest ihm die Hände gebunden sind. Einmal vor einer Baustelle, auf der gearbeitet wird. Hier stand eine der größten Kaufhallen der DDR-Hauptstadt. Später wurde das Gebäude als „Party-Rewe“ berühmt. Nun entstehen hier Wohnungen, Büros und Gewerbe. Stadtrat Schmidt hat darauf kaum Einfluss. „Wir können nur die Einhaltung der Vorschriften kontrollieren“, bedauert er. Und ergänzt, dass er gerne selbst zum Beispiel vorschreiben würde, dass die Wohnungen bezahlbar wären.
Am nächsten Eckhaus, das sichtlich heruntergekommen ist – ein Balkon ist abgebrochen, die Reste werden von einem Holzkreuz zusammengehalten - erzählt Schmidt vom verpassten Vorkaufsrecht. Er hätte Wohnungen für Azubis und Obdachlose sichern wollen, doch der Senat habe lange gepennt und dann mitgeteilt: „Keine Zeit, die Frist ist abgelaufen.“