Wir hörten seine deutsche Stimme und sahen auf der Kinoleinwand oder im TV Tony Curtis, Elvis, John Lennon, Jean-Paul Belmondo. Nun ist diese Stimme, die fast jeder Film-Fan in Deutschland kannte und die so herrliche Schnoddersprüche wie „Sleep well in your Bettgestell“ heraushaute, für immer verstummt. Die vom Berliner Synchron-Papst Rainer Brandt, der jetzt im Alter von 88 Jahren gestorben ist.
Am Mittwochabend bestätigte die Hörspielproduzentin Heikedine Körting vom Audiolabel Europa den Tod des Sprechers, Schauspielers und Autors, der in Zehlendorf lebte. „Mit Rainer Brandt ist einer von den ganz großen Schauspielern und wunderbaren Synchronsprechern von uns gegangen. Wir sind immens traurig und denken an seine wunderbare Familie“, sagte Körting, die mit Brandt bei den Hörspielreihen „TKKG“ und „Fünf Freunde“ zusammengearbeitet hat.

Durch einen Irrtum kam der Berliner zum Synchronisieren. Das war 1954, als Rainer Brandt sich eigentlich in einem Filmstudio bewerben wollte und versehentlich in einem Synchronstudio landete. Mit Erfolg: Zwei Jahre später fing Brandt als Sprecher bei der Defa in Potsdam-Babelsberg an. Sein Talent sprach sich herum. Auch die Studios in Westberlin wollten ihn, er bekam größere Sprecherrollen – und blieb.
Was dort Rainer Brandt hinter dem Mikro trieb, revolutionierte die deutsche Kinowelt in den 60er- und 70er Jahren. Brandt hielt sich nicht an die oft trögen Originaltexte der ausländischen Filme und baute sie einfach in freche Dialoge um. Die coolen Schnoddersprüche entstanden, die beim Publikum ankamen. Ganz besonders, als 1971 das ZDF die britische Krimi-Serie „Die 2“ zeigte.
Synchron-Papst Rainer Brandt: Erfolg mit frechen Sprüchen in der Krimi-Serie „Die 2“

Millionen von Zuschauern lachten vor dem Fernseher, wenn sich Tony Curtis als Playboy Danny Wilde und Roger Moore als Lord Brett Sinclair unterhielten. „Was halten Sie von zwei warmen Ohren? Ich meine, ein Hieb auf die Lauscher!“, war da zu hören. „Mir schwellt da eine Frage im Gebeiß!“, oder „Ja, steh’ ich denn im Wald und Rübezahl beißt mir ins Beinkleid?“ – diese Sprüche wurden über Nacht Kult.
Dazu gehörten auch die Redewendungen wie „Zum Bleistift“ oder „Tschüssikowski“, die sich Brandt für die Serie ausdachte. Sie sind noch heute im Sprachgebrauch der Deutschen geblieben.

„In Wahrheit waren die Figuren gar nicht so locker drauf“, sagte Brandt vor fünf Jahren bei einem Treffen mit dem KURIER. „Die originalen Dialoge waren langweilig. Kein Wunder, dass die Serie in England floppte.“
Das sollte in Deutschland mit der Serie „Die 2“ nicht passieren. Der Synchron-Papst erzählte damals dem KURIER: „Also schrieb ich die Drehbücher komplett um, verpasste den Rollen die coolen Sprüche. Eine Mischung aus Berliner Umgangston, Unterweltjargon und jüdischem Humor“, sagt Brandt. „Als Curtis erfuhr, wie erfolgreich die Serie im deutschen Fernsehen lief, rief er bei mir an, damit ich die Fortsetzungsfolgen von ‚Die 2‘ schreibe. Leider kam es nicht dazu, weil Curtis und Moore sich später zerstritten haben.“

In der Serie lieh Brandt dem US-Star Tony Curtis seine Stimme. Er synchronisierte auch Stars wie Jean-Paul Belmondo, Franco Nero, Jean-Louis Trintignant, Oliver Reed, sprach in Musikfilmen Elvis oder John Lennon.
Nicht ganz ohne Stolz verriet Rainer Brandt damals dem KURIER: „Die frechen Dialoge für die deutsche Fassung des Beatles-Films ,A Hard Day's Night‘ habe ich auch geschrieben. Man kann nicht englischen Humor 1:1 ins Deutsche übersetzten. Das funktioniert nicht.“
Synchron-Paps Rainer Brandt: „Ich habe aus so manchem Schrott Gold gemacht“

Brandt, der seine eigene Synchronfirma gründete und mit der Synchronsprecherin Ursula Heyer (sie war die deutsche Stimme von Joan Collins alias Alexis im „Denver Clan“) verheiratet war, arbeite mit zahlreichen deutschen Filmverleihern. Diese bekamen oft Filme aus Italien und Frankreich, die in diesen Ländern ein Mega-Flop waren. Rainer Brandt machte sie in Deutschland erfolgreich.

Und so ging es mit den coolen Sprüchen des Synchron-Papstes weiter. Er nahm sich unter anderem die Filme mit Terence Hill und Bud Spencer aus den 70er-Jahren vor, für die der Berliner die frechen Dialoge schrieb.
„Ich habe aus so manchem Schrott Gold gemacht“, sagte Brandt in dem KURIER-Gespräch. „Da gab es zum Beispiel eine französische Komödie, die überhaupt nicht ankam. Der Produzent der deutschen Verleihfirma ließ mich machen. Und ‚Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh‘ bekam 1976 den deutschen Filmpreis Goldene Leinwand.“

Ab und zu war Rainer Brandt nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen. Er hatte Gastauftritte in TV-Serien („Berliner Weiße mit Schuss“, „Ein Heim für Tiere“, „Sylter Geschichten“). Den Berlinern ist Rainer Brandt noch gut als Stasi-Chef Erich Mielke in Erinnerung. In dieser Rolle, eine seiner letzten, war er in dem Lindenberg-Musical „Hinterm Horizont“ zu sehen, das von 2011 bis 2017 im Theater am Potsdamer Platz und im Hamburger Operettenhaus lief.
Seine markante Stimme, mit denen er den Weltstars flotte Sprüche schenkte, werden unvergessen bleiben. Tschüssikowski, Rainer Brandt! ■