Millionen für Forschung

„Wie lebende Tote“ – Jetzt kommt Hilfe für ME/CFS-Patienten

In einer nationalen Dekade soll es zur Erforschung der Krankheit 50 Millionen Euro jährlich geben. Ein Tropfen auf den heißen Stein oder der langersehnte Durchbruch?

Author - Stefanie Hildebrandt
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Eine Frau liegt auf einem Kissen mit Kopfhörern gegen Geräusche.

Menschen mit der Krankheit CFS sind oft schon von Kleinigkeiten stark erschöpft und reagieren zum Beispiel empfindlich auf Geräusche.
Eine Frau liegt auf einem Kissen mit Kopfhörern gegen Geräusche.Menschen mit der Krankheit CFS sind oft schon von Kleinigkeiten stark erschöpft und reagieren zum Beispiel empfindlich auf Geräusche.dpa

Dauererschöpfung, Muskelschmerzen, sogenannter Brain Fog: Postinfektiöse Erkrankungen wie ME/CFS sollen endlich besser erforscht werden. Betroffene fordern das mit Demonstrationen schon lange. Geplant ist nun eine „Nationale Dekade gegen postinfektiöse Erkrankungen“ und 50 Millionen für Forschung jährlich.

ME/CFS-Forschung dringend nötig

Das Bundesforschungsministerium will den Fokus verstärkt auf Folgeerkrankungen von Infektionen wie etwa ME/CFS oder dem Post-Covid-Syndrom lenken und in den kommenden zehn Jahren die Forschung in dem Bereich intensivieren. Dafür werde gemeinsam mit Partnern in der Gesundheitsforschung im kommenden Jahr eine sogenannte Nationale Dekade gegen Postinfektiöse Erkrankungen ausgerufen, teilt das Ministerium in Berlin mit.

Es gehe darum, Ursachen, Grundmechanismen und darauf aufbauend neue Therapieoptionen für Betroffene zu erforschen. Über zehn Jahre sollen im Rahmen der Initiative ab 2026 rund 500 Millionen Euro bereitgestellt werden. Die Ankündigung kam im Zusammenhang mit der sogenannten Haushaltsbereinigungssitzung, bei der die Haushälter des Bundestages abschließend über die Ausgaben für das kommende Jahr beraten.

Fatigue und ME/CFS: Erschöpfung, Herzrasen und kein Alltag

ME/CFS steht für Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue Syndrom und ist eine schwere Krankheit, die besonders nach einer Infektion auftreten kann. Betroffene fühlen sich extrem und dauerhaft erschöpft und können an vielen weiteren Symptomen leiden, wie Muskelschmerzen, Herzrasen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit oder Wortfindungs- und Sprachstörungen. Betroffene sind oft jahrelang vom normalen Alltag ausgeschlossen und benötigen Hilfe.

Über ihren von ME/CFS betroffenen Bruder schreibt eine Userin unter dem Post der Forschungsministerin: „Es ist, als wurde ihm die Seele aus dem Leib gesaugt, als wäre jetzt nur noch eine leere Hülle aus abgemagertem Fleisch und Knochen zurückgeblieben. Er ist wie ein lebender Toter.“

Dorothee Bär über das Vorhaben: „Mit der Nationalen Dekade schlagen wir ein neues Kapitel in der Erforschung dieser Erkrankungen auf“, teilt die Forschungsministerin mit. „Wir benötigen eine langfristige Strategie, um die Ursachen und Mechanismen postinfektiöser Krankheiten besser zu verstehen und die Versorgung der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.“

Demonstranten mit unter anderem dem Schild „Wir verlieren unser Leben, ohne zu sterben“ haben sich vor dem Roten Rathaus für fünf Minuten zu einer Liegend-Demo auf den Boden gelegt.
Demonstranten mit unter anderem dem Schild „Wir verlieren unser Leben, ohne zu sterben“ haben sich vor dem Roten Rathaus für fünf Minuten zu einer Liegend-Demo auf den Boden gelegt.dpa

Das Konzept knüpft an die „Nationale Dekade gegen den Krebs“ an, die 2019 von der Bundesregierung ausgerufen wurde, um über die kommenden zehn Jahre mit verschiedenen Partnern, wie der Deutschen Krebshilfe und dem Deutschen Krebsforschungszentrum, die Anstrengungen für Vorbeugung, Diagnostik und Therapien zu intensivieren.

Vorsichtige Hoffnung bei Post-Covid Patienten

Unter dem Post zu dem Vorhaben von Forschungsministerin Dorothee Bär äußern Betroffene vorsichtig Hoffnung: „Ich sage mal vorsichtig danke, weil ich mittlerweile nichts mehr glaube, schreibt eine Betroffene. Hoffentlich fließt das Geld dann nicht in Kneipp Hotels. Die Charité braucht es dringend und hat handfeste Ergebnisse zu Medikamenten!“

An der Berliner Charité forscht mit Prof. Dr. Carmen Scheibenbogen eine renommierte Expertin zum Thema Post-Covid und Long Covid. Aber auch andere Infektionskrankheiten können ME/CFS auslösen. „Hoffentlich werden bei der ganzen Konzentration auf postinfektiöse Krankheiten die ME/CFS-Patienten ohne Coronabezug nicht wieder übergangen“, schreibt eine Betroffene. Sie sei von drei Studien zu ME/CFS ausgeschlossen worden, weil sie den falschen Auslöser hatte.

Und auch Menschen, die nach der Coronaimpfung am Post-Vac-Syndrom leiden, wollen endlich auf Besserung ihrer Leiden hoffen dürfen. Für so viele Bedürftige und gegenüber einem Schaden von 60 Milliarden jährlich, der durch ME/CFS und postinfektiöse Erkrankungen entsteht, nehmen sich die 50 Millionen im Jahr eher wie ein Anfang aus, nicht wie der alles entscheidende Durchbruch.

Tut die Regierung genug für Post-Covid Patienten? Schreiben Sie uns an leser-bk@berlinerverlag.com