Pankower Rebellen-Rentner

Wut-Renter in Pankow kämpfen wieder um ihr Haus

In Pankow formiert sich erneut Widerstand: Die Seniorinnen und Senioren der Begegnungsstätte in der Stillen Straße 10 wehren sich gegen das drohende Aus.

Author - Stefanie Hildebrandt
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In der Stillen Straße kämpfen die Senioren wieder für ihr selbstverwaltetes Haus.
In der Stillen Straße kämpfen die Senioren wieder für ihr selbstverwaltetes Haus.Hildebrandt

Im Garten der alten Villa in der Stillen Straße 10 flattern bunte Transparente. „Aus die Maus, mit raus aus dem Haus“ und „Für Solidarität ist’s nie zu spät“ steht auf den Plakaten, die Schüler des Max-Delbrück-Gymnasiums gemalt haben. Sie wollen den Seniorinnen und Senioren beistehen, die um ihre Begegnungsstätte bangen – 13 Jahre, nachdem sie das Haus einst besetzten und damit bundesweit Schlagzeilen machten.

„Die Angst im Haus ist groß“, sagt Brigitte Klotzsche (86) bei einer Tasse Kaffee. Gleich kommt wieder das Fernsehen vorbei. Seit bekannt wurde, dass die Volkssolidarität die Trägerschaft ab 2026 aufgibt, ist es mit der Ruhe vorbei. Für die älteren Aktivisten aber steht fest: Aufgeben ist keine Option.

„Wir wollen selber der Träger sein“

„Wir wollen selber der Träger dieses Hauses sein“, sagt Eveline Lämmer und blickt entschlossen in die Runde. Seit Jahren organisieren die Senioren Kurse, Lesungen, Cafébetrieb und Konzerte in Eigenregie. „Wir haben ein Recht darauf, das Haus zu betreiben. Und das lassen wir uns auch nicht wegnehmen.“

Auch im Bezirksamt ist man sich der Bedeutung der Stätte bewusst. Sozialstadträtin Dominique Krössin betont: „Der Bezirk möchte die Einrichtung erhalten – als Ort der Begegnung, als Ort für generationsübergreifendes Miteinander, als Ort der Vielfalt, für Kultur und Geschichte.“

Wie das konkret aussehen soll, ist jedoch offen. „Erste Gespräche beginnen kommende Woche“, so Krössin. Eingeladen sind Vertreter der Verwaltung und des Fördervereins Stille Straße e.V. – jener Verein, der seit Jahren das Herzstück des Hauses bildet.

Senioren mit Rückgrat – und Rückhalt

Die Mitglieder des Fördervereins, organisiert im Paritätischen Wohlfahrtsverband, wollen sich nicht klein machen lassen. „Was wir nicht wollen, ist ein neuer Träger, bei dem wir darum bitten müssen, wann wir welchen Raum nutzen dürfen“, sagt Eveline Lämmer entschieden.

Schüler des benachbarten Max-Delbrück-Gymnasiums haben die Plakate als Unterstützung gemalt.
Schüler des benachbarten Max-Delbrück-Gymnasiums haben die Plakate als Unterstützung gemalt.Hildebrandt

Unterstützung bekommen die Pankower Senioren längst aus dem ganzen Bezirk – und darüber hinaus. Eine Spendenkampagne läuft, um die Betriebskosten für das kommende Jahr zu sichern. Regelmäßig finden Lesungen und Konzerte statt, meist mit ausverkauftem Haus. Am 17. Oktober etwa wird Marianne Rosenberg aus ihrer Autobiografie lesen.

Prominente Hilfe – und große Sorgen

Ihre prominenten Unterstützer aus Kultur und Politik sind den Senioren wichtig – und sie wissen, dass Öffentlichkeit hilft. Doch ohne langfristige Perspektive bleibt das Haus auf wackligen Füßen. Nur ein unbefristeter Mietvertrag würde es den Senioren ermöglichen, Fördermittel zu beantragen und die dringend nötige Sanierung anzugehen.

Brandschutzauflagen beschränken derzeit die Nutzung der oberen Etage auf acht Personen. Eine Außentreppe und ein Aufzug für Barrierefreiheit würden rund 50.000 Euro kosten, schätzen die Pankower. Das Gebäude, einst Villa von Stasi-Minister Erich Mielke, ist in die Jahre gekommen. Der Bezirk bezifferte 2013 den Sanierungsbedarf auf 2,3 Millionen Euro, ein Gutachten von 2023 nennt knapp eine halbe Million Euro allein für notwendige Reparaturen.

Kampfgeist in schwierigen Zeiten

„Alle anderen freien Träger im Bezirk müssen derzeit Kosten sparen“, sagt Lämmer. Die Finanzlage des Bezirks Pankow gilt als angespannt. Die Volkssolidarität hatte das Haus mietfrei genutzt, musste aber alle weiteren laufenden Kosten tragen. Weil es nie eine langfristige Perspektive gab, zog sich der Verband schließlich zurück – so vermuten es die Senioren.

„Wir haben die ganze Zeit über trotz Einjahresverträgen und Unsicherheit durchgehalten“, sagen sie. Jetzt hoffen sie auf eine dauerhafte Lösung.

2013 jubelten die Senioren bei der Schlüsselübergabe. Seitdem verwalten sie ihr Haus selbst. Und das soll auch so bleiben.
2013 jubelten die Senioren bei der Schlüsselübergabe. Seitdem verwalten sie ihr Haus selbst. Und das soll auch so bleiben.Bernd Friedel/ Imago

Ein Haus als Symbol für Zusammenhalt

„Wir erwarten, dass man uns die Chance gibt, das Haus in Eigenregie zu führen. Damit würde man auch das jahrelange ehrenamtliche Engagement hier würdigen“, sagt Brigitte Klotzsche.

Der Garten ist inzwischen wieder Treffpunkt – Nachbarn, Unterstützer, junge Menschen kommen vorbei. Am 18. Oktober wollen die Senioren ein Gartenfest mit Grill und Trommelgruppe veranstalten. Politiker und Weggefährten sind eingeladen.

Denn es geht um mehr als ein Haus: Es geht um einen Ort, an dem Generationen sich begegnen, wo Nachbarn zusammenhalten, wo ein Stück Kiezkultur lebt. Ob sie es noch einmal besetzen würden? „Darauf wollen wir es nicht ankommen lassen“, sagen die Senioren. „Wir werden jetzt gemeinsam eine dauerhafte gute Lösung finden.“