Er ist einer der gefährlichsten Serienmörder der DDR: Ex-NVA-Feldwebel Mario S., heute ist der Mann 62 Jahre alt. Im Sommer 1983 tötete, missbrauchte und folterte er vier Kinder und einen jungen Mann in Neubrandenburg und bei Oranienburg. Bei seiner Verurteilung zu einer lebenslangen Strafe vermerkte der Richter auf der Akte, es sei auszuschließen, dass er jemals wieder auf freien Fuß komme. So gefährlich erschien er den Richtern.
Nach dem Systemwechsel befand Mario S. sich weiterhin in Haft, fast 40 Jahre hinter Gittern. Zuletzt war er im Haftkrankenhaus Leipzig behandelt worden. Doch seit Mai 2024 ist seine Haft ausgesetzt. Der KURIER fragte bei der Generalstaatsanwaltschaft Berlin nach den Gründen.
Lebenslange Haft unterbrochen
„Zum 15. Mai 2024 wurde gem.§ 455 Abs.4 StPO die weitere Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe auf unbestimmte Dauer unterbrochen“, teilt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin mit. Bedingung für die Unterbrechung sei, dass die „Überwachung des Verurteilten durch die Staatsanwaltschaft Berlin infolge der Bestellung eines Betreuers sichergestellt wird.“
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass wegen seines schlechten Gesundheitszustands derzeit keine Gefahr von Mario S. ausgeht. Zuvor hatte ein Arzt auch seine Haftunfähigkeit bescheinigt.
„Aufgrund des Gesundheitszustandes des Verurteilten war von einer Haftunfähigkeit auszugehen und eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit war als höchst unwahrscheinlich erachtet worden“, so der Sprecher auf KURIER-Anfrage.
Serienmörder in Pflegeheim
Mario S. befindet sich derzeit in einer Pflegeeinrichtung, ein Betreuer wurde bestellt, so die Staatsanwaltschaft weiter. Zum konkreten Gesundheitszustand sowie zum Aufenthaltsort des Verurteilten könne keine detaillierte Auskunft erteilt werden, „da dessen Persönlichkeitsrechte den presserechtlichen Auskunftsanspruch überwiegen“. Soviel Einblick gewährt der Sprecher aber doch: „Der Verurteilte ist mobil eingeschränkt.“
Kindermorde in der DDR
Mario S. saß im Gefängnis, weil er vier Jungen und einen jungen Mann grausam und sadistisch ermordete. Seine Taten und Opfer, die ihn sexuell erregten, fotografierte er. Akribisch hielt er in seinem Tagebuch fest, wie er die kleinen Jungen folterte und missbrauchte, sich an ihrer Angst ergötzte. „Voll todestauglich“ notierte er über seine Opfer, an die 20 weitere Kinder spähte er laut seinen eigenen Aufzeichnungen auch in Berlin und Umgebung aus.
Am 19. November 1985 wird Mario S. wegen Mordes in fünf Fällen, versuchten Mordes in einem Fall und wegen geplanten Mordes in 20 Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt. Er ist zunächst in Bautzen inhaftiert. 2013 lehnt die Staatsanwaltschaft Berlin ein Gesuch um vorzeitige Haftentlassung ab.
Psychologin über Sexualverbrecher
Gilda Giebel arbeitete als Psychologin sechs Jahre in einer JVA mit brutalen Sexualverbrechern. Über ihre Patienten sagt sie im Interview mit der Berliner Zeitung: „Sie zu heilen ist sehr schwer und in einigen Fällen unmöglich. Es muss benannt werden, dass nicht jeder Mensch resozialisiert werden kann.“
Oft helfe nur noch die chemische Kastration, die freiwillig erfolgt und therapeutisch begleitet wird. „Es wird weniger bei Vergewaltigern, sondern eher bei Pädophilen mit eindeutigen Neigungen zu Kindern angeboten. Und das ist auch eine schwere Entscheidung für den Verwahrten, weil er seine Sexualität vollständig aufgibt und gegen die Freiheit eintauscht.“
Über den Einfluss von psychologischen Gutachten auf die Freilassung von Straftätern sagt sie: „Es sind viele Menschen an diesem Prozess beteiligt. Es besteht immer ein Restrisiko, dass sich ein nett aussehender Großvater, der Kinder missbraucht hat, das nächste Opfer sucht. Ein schlechtes Gewissen habe ich nicht, manchmal ein mulmiges Gefühl. Trotzdem: Wenn jemand entlassen wird, liegt dahinter ein langer Prozess. Das wird nicht leichtfertig entschieden.“
Dass Mario S. jemals wieder ganz auf freien Fuß kommt, ist unwahrscheinlich. Verbessert sich sein Zustand, muss er wieder in die JVA. Regelmäßige Überprüfungen werden durch die Staatsanwaltschaft kontrolliert. ■