„Da gibt es nur Stress“

DDR-Legende Winfried Glatzeder: Kein Bock aufs Feiern – zum 80. geht er angeln

Party ist nicht sein Ding. Auch zum 80. Geburtstag macht da Winfried Glatzeder („Die Legende von Paul und Paula“) keine Ausnahme. Er vergnügt sich lieber in der Natur – oder auf dem Friedhof.

Author - Norbert Koch-Klaucke
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Winfried Glatzeder wird 80.: In der Öffentlichkeit zeigt sich der Star gerne, bei Familienfesten verdrückt er sich.
Winfried Glatzeder wird 80.: In der Öffentlichkeit zeigt sich der Star gerne, bei Familienfesten verdrückt er sich.Star-Media/imago

Er war „Der Mann, der nach der Oma kam“, „Till Eulenspiegel“ oder „Tatort“-Kommissar Ernst Roiter: Doch für uns alle wird Winfried Glatzeder stets der Paul aus dem Defa-Klassiker „Der Legende von Paul und Paula“ sein. Die DDR-Legende, die auch im Westen zum Star wurde: Am 26. April wird der Berliner Schauspieler 80 Jahre alt. Zum Feiern hat er keinen Bock. Denn er hat an diesem Tag Wichtigeres vor.

Wenn Schauspielkollegen über „Winne“ sprechen, dann loben sie ihn in den höchsten Tönen. Aber es gab auch schon einmal Schelte. Als Glatzeder 2014 das erste Mal im RTL-„Dschungelcamp“ auftrat (2024 wurde er zum Wiederholungstäter) und im Busch ordentlich für Krawall sorgte, sagte damals unter anderem die DDR-Legende Lutz Jahoda (97) dem KURIER: „Das hat doch Herr Glatzeder nicht nötig!“

Hatte er auch nicht. Es geschah aus Neugierde, sagt Glatzeder heute. Er wollte Australien sehen. So eine Reise selber zu finanzieren, dafür sei er zu geizig gewesen.

Typisch Glatzeder. Kantig und direkt. So wie wir ihn mögen, diesen 1,93 Meter großen Kerl. „Er ist unheimlich exzentrisch, unheimlich schwierig, er ist sehr eigensinnig – aber er ist der großartigste Schauspieler, den ich je erlebt habe“, sagt Kollegin Brigitte Grothum (90) jüngst in der ARD, die 2011 mit Glatzeder bei den „Jedermann“-Festspielen im Berliner Dom zusammenarbeitete. Kurz gesagt: Man muss Glatzeder nehmen, so wie er ist.

Selbst wenn er sich genervt oder gestört fühlt, ist „Winne“ am Ende doch ganz schnell wieder Profi. Wie am Donnerstag, als der KURIER unangemeldet anrief. Erst ein Grummeln: „Komme gerade von einem Filmfest aus Schwerin, habe keine Zeit!“ Doch dann schiebt er schnell versöhnlich nach: „Wir können ja auch später telefonieren!“

Filmszene aus  Die Legende von Paul und Paula“: Winfried Glatzeder spielt an der Seite der zehn Jahre älteren Angelica Domröse.  Der Film von 1974 wird in der DDR-Kult und Glatzeder ein Star.
Filmszene aus Die Legende von Paul und Paula“: Winfried Glatzeder spielt an der Seite der zehn Jahre älteren Angelica Domröse. Der Film von 1974 wird in der DDR-Kult und Glatzeder ein Star.DEFA-Stiftung/Herbert Kroiss, Manfred Damm

Glatzeder ruft tatsächlich etwas später an. Er ahnt ja, worum es geht, wenn in diesen Tagen die Presse sich bei ihm meldet. Hauptsächlich um die Frage, wie der Star nun seinen Geburtstag feiern wird. „Gar nicht“, lautet seine Antwort.

DDR-Legende Winfried Glatzeder: DARUM feiert er seinen 80. Geburtstag nicht

Glatzeder will wirklich nicht feiern. Zu seinem 80. ist er in Brandenburg zu einer Lesung seines Buches „Paul und ich“ (Aufbau Verlag) unterwegs, sagt er. „Ich werde danach irgendwo an der Oder stehen und ein wenig angeln“, sagt Glatzeder dem KURIER. Ein Zander oder ein Hecht zum Geburtstag – das wäre nicht schlecht. Allerdings muss Glatzeder dem Zander, falls er einen fangen sollte, die Freiheit schenken. Bis zum 31. Mai hat dieser schmackhafte Fisch Schonzeit.

Angeln am Geburtstag, warum auch nicht. Ungestört in der Natur zu sein und mit der Rute kapitale Fische aus dem Fluss zu holen: Etwas Schöneres gibt es in der Tat nicht. Und wenn Glatzeder nicht mit der Angelrute unterwegs ist, zieht es ihn in den heimischen Garten: „Den Garten umgraben, den Kompost umsetzen und mit dem Rasentraktor fahren“ sei sein Ding. Das hatte Glatzeder dem KURIER schon zu seinem 70. Geburtstag gesagt.

Auch wenn er in die Jahre gekommen ist: Winfried Glatzeder ist bei seinem Publikum beliebt, muss weiter fleißig Autogramme schreiben.
Auch wenn er in die Jahre gekommen ist: Winfried Glatzeder ist bei seinem Publikum beliebt, muss weiter fleißig Autogramme schreiben.Funke Foto Services/imago

Doch was hat er nur gegen Geburtstage und Familienfeiern? „Das ist nur Stress“, so Glatzeder. „Mit dieser Meinung bin ich ja nicht allein. Was alles so bei Familienfeiern schiefgehen kann, hat uns ja Loriot mit seinem ‚Weihnachten bei Hoppenstedts‘ nicht umsonst gezeigt.“

Angst vorm Feiern hat Glatzeder. Und vor dem Altwerden? „Ach ja“, sagt er da. „Es ist alles nicht so einfach. Aber die Menschen freuen sich, wenn sie mich auf der Straße sehen, dass der Alte noch da ist.“ Schließlich will Glatzeder 104 Jahre alt werden. Schon, um einer Bank ein Schnippchen zu schlagen, wie er sagt. Denn erst in 24 Jahren würde sich seine mit einem Geldinstitut abgeschlossene Rentenversicherung auszahlen.

Seit Jahren erzählt Glatzeder, dass er auf dem Friedhof in Frohnau beerdigt werden will. Ein Grund: Nach seiner Ausbürgerung und Ausreise aus der DDR (1982) lebte Glatzeder in dem Stadtteil fast 30 Jahre. Der zweite Grund: Auf diesem Friedhof sind Marlene Dietrich und Helmut Newton begraben. Bei ihnen möchte aber Glatzeder, wenn es einmal so weit ist, nicht ruhen. Da ist in der Nähe ein Sportplatz, da wäre es dem Schauspieler zu laut.

Winfried Glatzeder als Till Eulenspiegel im DDR-Comic Mosaik
Winfried Glatzeder als Till Eulenspiegel im DDR-Comic MosaikSteinchen für Steinchen Verlag

Angenehmer wäre ihm ein Platz neben einem Komposthaufen, „wo die Witwen ihren Abfall“ von den Gräbern ihrer Männer schütten. „Die Frauen überleben uns ja“, sagt Glatzeder. Und damit sie etwas zum Lachen haben, wenn sie an seinem Grab vorbeigehen, hat sich Glatzeder schon vor Jahren zwei Sprüchen ausgesucht, die auf seinem Grabstein stehen sollen.

DDR-Legende Winfried Glatzeder: Mit seinem Grabstein will er Witwen zum Lachen bringen

Das Goethe-Zitat:  „Gerne der Zeiten gedenk’ ich, da alle Glieder gelenkig – bis auf eins. Doch die Zeiten sind vorüber, steif geworden alle Glieder – bis auf eins“. Und: „Hier liegen meine Gebeine, ich wünschte, es wären deine.“ Das würde sicher die alten Damen amüsieren, meint Glatzeder.

Winfried Glatzeder im Dschungelcamp. Zweimal war er dort.
Winfried Glatzeder im Dschungelcamp. Zweimal war er dort.RTL

Doch zunächst will der Schauspieler weiter auf der Erde wandeln. Viele Aufgaben stehen noch an: Seine Lesungen („Es gibt noch viele Bücher von ,Paul und ich‘.“), dann Reisen für den Film „Kundschafter des Friedens 2“, in dem Glatzeder mitspielt. Und auch Dreharbeiten für eine neue TV-Folge „Liebling Kreuzberg“ stehen an, berichtet der Star.

Wenn man Glatzeder so hört und erlebt, hat man den Eindruck, dass seine Rolle als Till Eulenspiegel besser als der Paul aus der „Legende von Paul und Paula“ zu ihm passt. Das sahen auch die Macher des DDR-Comic-Heftes „Mosaik“.

Im Januar-Heft begann ein neues Abenteuer mit den Abrafaxen, auf dem Cover war groß Spaßmacher Till Eulenspiegel zu sehen, dessen Gesichtszüge denen von Glatzeder ähneln. „In der Tat war das beabsichtigt“, sagt Verlags-Sprecher Robert Löffler.

„Mosaik“-Autor Jens U. Schubert hatte den Defa-Film „Till Eulenspiegel“ mit Glatzeder, der 1975 in die DDR-Kinos kam, beim Schreiben des Heftes genau vor Augen. Vor wenigen Tagen war Glatzeder in der Redaktion und bedankte sich. „In der Tat bin ich mehr Till Eulenspiegel als der Paul“, sagt Glatzeder. ■