Es gibt Dinge, die bekommt die Berliner Öffentlichkeit nicht zu sehen. Etwa, wie sich die Baggerschaufel gerade immer mehr in das Jahnstadion im Osten der Stadt hineinfrisst. Bauzäune verhindern, dass man einfach so miterleben kann, wie schnell der Abriss der legendären DDR-Arena voranschreitet. Doch es gibt Bilder, die zeigen, wie der Bagger an der Haupttribüne wütet. Auf der saß einst Stasi-Chef Erich Mielke bei Fußballspielen seines Lieblingsvereins BFC Dynamo.
Zaghaft hatte ein kleiner Bagger noch an der Treppe des Haupteinganges genagt, als nach dem 7. Oktober 2024 der Abriss des Jahnstadions begann. Jetzt ist schon etwas schweres Gerät auf dem Areal. Und dessen riesiger Ausleger samt Schaufel hat in den vergangenen Tagen ganze Arbeit geleistet.
Die Haupttribüne, auf der mit Stasi-Chef Erich Mielke der meistgehasste Mann der DDR seinen Stammplatz hatte, gleicht fast einer Ruine. Am 30. Januar war der Anfang vom Ende für dieses Bauwerk.


Der extra für Grobarbeiten angeforderte Spezialbagger startete an der Rückseite, wo sich die Glasfassaden befinden – nein, nun mehr befanden. Die Schaufel von diesem mechanischen Arbeitstier riss gnadenlos ein Fassadenteil nach dem anderen aus der Verankerung. Inzwischen ist dort nur noch der Rohbau zu sehen.
Abriss Jahnstadion: Jetzt ist der Stammplatz von Stasi-Chef Erich Mielke weg
Seit Tagen macht sich nun dieser Bagger über das Dach der Haupttribüne her. Unter diesem saß vor über drei Jahrzehnten noch der Stasi-Chef. Warum? Erich Mielke kam wegen des 1966 gegründeten Fußballvereins BFC Dynamo, dessen Heimat das 1951 errichtete Jahnstadion war. Die Geschicke des Klubs wurden von der Stasi und dem Innenministerium der DDR gelenkt.
Vor allem gelenkt: Von 1979 bis 1988 holte der BFC jährlich den Fußball-Meistertitel der DDR. Mielke soll da schon seine Hände mit im Spiel gehabt haben, dass der Verein zehn Mal hintereinander den Meister-Pokal bekommen konnte. Schließlich war der Stasi-Chef auch der Vorsitzende der Sportvereinigung Dynamo, zu der der BFC gehörte.

Zurück zum Abriss des Jahnstadions: Die DDR-Arena hatte in den Jahrzehnten ihrer Existenz oft das Aussehen verändert. Und so gehörte die Haupttribüne, so wie sie jetzt vernichtet wird, zu den jüngsten Teilen des Jahnstadions.
Der einstige Bau aus Glas, Stahl und Beton: Die Haupttribüne hatte eine tschechische Firma aus Anlass der 750-Jahrfeier Berlins 1987 errichtet. Für heutige Architekten ist das Gebäude ein historisches Zeugnis, wie sich die DDR-Staatsmacht im Jahn-Sportpark präsentierte.

Die wuchtige Rampe, die als Zufahrt für Mielke diente, oder der gesonderte Eingang, dessen Gittertür an ein Gartentor erinnert: Dies alles ist jetzt mit dem Abriss für immer verloren.
Dabei sollten eigentlich nistende Spatzen die Haupttribüne und die Arena vor der Abrisswut des Bausenators Christian Gaebler (SPD) retten. Mithilfe dieser Vögel setzen Naturschützer auch per Eilantrag einen Baustopp vor Gericht durch. Doch die Behörde des Bausenators besserte nach. Und so wurde der Baustopp nach drei Monaten aufgehoben.
Abriss Friedrich-Ludwig-Jahnstadion: So soll es weiter gehen
Wie es mit dem Abriss weiter geht? Die Spatzen auf dem Areal des Jahnstadions pfeifen und zwitschern da so einiges von dem nicht mehr vorhandenem Haupttribünendach.
Etwa, dass die beiden legendären Flutlichtmasten neben der Haupttribüne angeblich weggesprengt werden sollen. Die anderen Flutlichtmasten an der Grenze zum Mauerpark sollen erhalten bleiben.
Die berühmten Flutlichtmasten des Jahnstadions: Sie waren so etwas wie Markenzeichen, das weit sichtbar in der Stadt war. Bereits vor Jahren hatte man sie stillgelegt, die Flutlichter abgebaut.
Dann kam 2021 der 3.Liga-Aufstieg des Berliner Fußballvereins FC Viktoria 1889. Weil laut DFB-Regularien dafür ein fähiges Stadion vorhanden sein musste, wurde das schon abgeschriebene Jahnstadion reaktiviert. Vom Verein Carl-Zeiss Jena erhielt Aufsteiger Viktoria sogar eine mobile Flutlichtanlage.

Diese, noch voll funktionsfähig, soll nun mit dem Abriss des Jahnstadions offenbar verschrottet werden. Dabei könnten andere Berliner Vereine diese gut gebrauchen, etwa der BFC für das Sportforum. Auch das zwitschern so einige Spatzen.
Nur eines können sie nicht von den Dächern dieser Stadt pfeifen: Nämlich, wann das neue Jahnstadion auf dem Areal stehen wird. Es ist noch nicht einmal wirklich das Geld für den Neubau da. Über 200 Millionen Euro soll er kosten. Aber nur 20 Millionen Euro sind dafür im Haushalt 2025 eingeplant.
Ob der Rest kommt, ist fraglich. Denn der Senat muss drastisch sparen. Eine Botschaft, die nicht nur die Spatzen von den Berliner Dächern pfeifen. ■