Am Sonnabend beginnt die Finalshow. Beim großen SPD-Casting. Nachdem die Partei bei den letzten Wahlen in Berlin hart abgestraft wurde und Spitzenkandidatin Franziska Giffey im Januar als Parteivorsitzende das Handtuch geworfen hatte, sucht die SPD nun neue Anführer, die wieder Schwung in die Berliner Sozialdemokratie bringen. Am Sonnabend beginnt die Abstimmung. KURIER stellt die sechs Kandidaten der Finalshow vor.
Eine Castingshow ganz ohne Dieter Bohlen und Musik. Beim Berliner DSDS (Die suchen die SPD-Spitze) geht es trockener zu, es geht um die große Hauptstadt-Politik, um das Führungsduo, dass die SPD zurück an die Macht oder zumindest in den Wahlkampf zur nächsten Berlin-Wahl im Herbst 2026 führen soll.
Ab Sonnabend wird gewählt: Wer führt die Berliner SPD aus der Krise?
Die Berliner SPD steht vor einer Zäsur: Nach vielen Jahren des politischen Abstiegs und dem Verlust des Roten Rathauses bei der Wiederholungswahl 2023 soll eine neue Doppelspitze die Partei endlich wieder nach vorn bringen. Ähnlich wie bei der Bundes-SPD 2019 dürfen ab Sonnabend (6. April) gut 18.000 Mitglieder darüber abstimmen, wer diese Aufgabe übernehmen soll – zu der zuallererst gehört, die in vielen Fragen zerstrittene Hauptstadt-SPD, die derzeit nur noch als Juniorpartner der CDU mitregiert, wieder zu einen.
Beim SPD-Casting haben sich drei Bewerberduos für die Final-Abstimmung qualifiziert. Einige mit bekannten Namen, einige mit neuen Gesichtern. Wer am Ende das Rennen macht, ist offen. Was wollen die Kandidaten, wie unterscheiden sie sich?
Duo 1: Raed Saleh (46) und Luise Lehmann (27). Raed Saleh, langjähriger SPD-Fraktionschef, Strippenzieher und bisher schon Co-Vorsitzender von Franziska Giffey, geht diesmal mit jüngerer Partnerin ins Rennen. Saleh will es wieder wissen und kandidiert gemeinsam mit der Bezirkspolitikerin Luise Lehmann aus Marzahn-Hellersdorf. Während die Person Saleh wohl am wenigsten für einen Neuanfang steht, den sich viele Parteimitglieder wünschen, will Neurochirurgin Lehmann „frischen Wind und neue Ideen“ in die Parteiarbeit einbringen.
Lehmann ist stellvertretende Vorsteherin der Bezirksverordnetenversammlung, war schon im Gymnasium in der Schülervertretung und liebt „verschiedensten Sport, Zimmerpflanzen“ und spielt „hin und wieder Klavier“. Ein Schwerpunkt des Duos ist die soziale Sicherheit.
Duo 2: Martin Hikel (37) und Nicola Böcker-Giannini (49). Die beiden fallen schon optisch auf. Mit 2,08 Meter ist Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel, auch über Neukölln hinaus für klare Worte gegen die Clankriminalität bekannt, der größte Spitzenpolitiker Berlins, Ex-Innenstaatssekretärin Nicola Böcker-Giannini ist mehrere Köpfe kleiner. Beide greifen einen Eckpfeiler der bisherigen SPD-Politik an. Das Duo kritisiert offen das von Saleh maßgeblich vorangetriebene Konzept der „Umsonststadt für alle“.

Kostenloses Mittagessen in Kitas, kostenloses Schülerticket für Busse und Bahnen, gebührenfreie Bildung: Diese Verteilung nach dem Gießkannenprinzip unabhängig vom Einkommen sei nicht gerecht, führe nicht zu mehr Qualität der Angebote und habe der SPD bei Wahlen nichts gebracht, sagen sie. Einen Neuanfang fordern sie nicht nur bei der Programmatik, sondern auch im Hinblick auf die innere Verfassung der Hauptstadt-SPD. „Der Zustand unserer SPD ist desaströs“, sagt Hikel und prangert Hinterzimmerpolitik und Mauscheleien an. „Wir geben der Stadt keine Orientierung, weil wir selbst keine haben.“
Kritik der Kandidaten: „Unsere stolze Partei hat besseres verdient“
Duo 3: Kian Niroomand (33) und Jana Bertels (35). Auch das dritte Bewerberteam sparte im innerparteilichen Wahlkampf nicht mit Kritik an der Führungsspitze Saleh und Giffey. „Es ist Zeit, wegzukommen von der Kultur des unbedingten Machterhalts und der fehlenden Verantwortungsübernahme der letzten Jahre“, sagen Parteivize Kian Niroomand, SPD-Chef im mächtigen Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf, und Jana Bertels als Co-Vorsitzende der Berliner SPD-Frauen. „Unsere stolze Partei hat besseres verdient.“
Die Berliner SPD sei von Flügelkämpfen geprägt, beschäftige sich mit falschen Themen und habe sich von den Problemen der Bürger entfernt, beklagen beide. „Die Partei braucht einen Neustart.“ Diese Diagnose zum Zustand der Partei bestätigte jüngst eine wissenschaftliche Studie zu den Ursachen für das schlechte Abschneiden bei der Wahl im Februar 2023.
Die Mitgliederbefragung zur neuen SPD-Doppelspitze dauert vom Sonnabend bis zum 19. April. Abstimmen können alle Berliner SPD-Mitglieder per Briefwahl oder online. Am 20. April wird dann ausgezählt. Kommt keines der drei Kandidatenduos auf eine absolute Mehrheit, folgt eine zweite Runde mit den beiden bestplatzierten Zweierteams vom 2. bis 17. Mai. Endgültig gewählt wird die neue Parteiführung dann auf einem Parteitag am 25. Mai. Dass die Delegierten dabei vom – rechtlich nicht bindenden – Ergebnis der Mitgliederbefragung abweichen, gilt als praktisch ausgeschlossen. ■