Sie verwirren nur

Countdown-Ampeln in Berlin: Werden sie jetzt auf Rot geschaltet?

Im März kündigte die Berliner Verkehrsverwaltung an, dass immer mehr Ampeln in der Hauptstadt umgerüstet werden. Doch die Pläne haben sich anscheinend geändert, wie Experten sagen.

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Die Countdown-Ampel an der Brunnenstraße: Fußgänger haben schon Rot, die Balkenanzeige darunter soll die ablaufende Zeit deutlich machen, bis die Fußgänger die Straße verlassen haben müssen.
Die Countdown-Ampel an der Brunnenstraße: Fußgänger haben schon Rot, die Balkenanzeige darunter soll die ablaufende Zeit deutlich machen, bis die Fußgänger die Straße verlassen haben müssen.Stefan Henseke

2013 wurden die ersten Countdown-Ampeln in Berlin aufgestellt, im März dieses Jahres wurde dann beschlossen, dass schon ab diesem Jahr immer mehr Ampeln in Berlin auf das neue System umgestellt werden. 60 Millionen Euro waren dafür eingeplant. Doch viele Berliner fremdeln bis heute mit dieser Art von Ampel, verstehen die Anzeigen überhaupt nicht. Jetzt sieht es aus, als ob die Pläne zum Ausbau wieder einkassiert werden, wie Roland Stimpel von Fuss e.V., vom Lobbyverband der Fußgänger, dem KURIER berichtet.

Eine der Test-Ampelanlagen steht an der Kreuzung Brunnen-, Ecke Anklamer Straße in Berlin-Mitte. Für Fußgänger gibt es hier drei Signal-Lichter: Rot, Grün und dazwischen eine Balkenanzeige, die dem Fußgänger nach jeder Grünphase signalisieren soll, wie viel Zeit ihm zum Überqueren der Straße noch bleibt.   

Grünphase: Nur neun Sekunden für Fußgänger

Wir stoppen die Zeit. Die Grünphase für Fußgänger ist sehr knapp bemessen. Gerade mal neun Sekunden. Die wenigsten überqueren die Brunnenstraße innerhalb dieser Zeitspanne, eine ältere Dame mit Rollator schafft gerade mal die Hälfte und wird dann hektisch schneller, weil sie Angst hat, dass gleich die Autos anfahren. Dabei hätte sie noch Zeit.

Denn die Ampel für Fußgänger springt zwar auf Rot, aber gleichzeitig beginnt die Balkenanzeige in fünf Stufen zu laufen. Für gut zwölf Sekunden, also viel länger, als die Grünphase ist. Doch wie viel Zeit einem wirklich bleibt, lässt sich an den Balken nicht ablesen. Wir erleben beim Zuschauen alles. Fußgänger, die beim Umschalten auf Rot stehenbleiben, wieder einen Schritt zurück machen oder einen Zwischenspurt einlegen. Einige, die sich auskennen, laufen auch geruhsam weiter.

Also: Eigentlich haben Fußgänger an dieser Kreuzung 21 Sekunden Zeit, um die Straße zu überqueren. Doch Grün wird nur neun Sekunden angezeigt – und das sorgt für Verwirrung.

Die Countdown-Ampel wäre auch ein großes Problem für Autofahrer, sagt Roland Stimpel von Fuss e.V. „Abgesehen davon, dass die Ampel vielen gar nicht bekannt ist, ist es für Autofahrer beim Abbiegen auch schwer, die Balken überhaupt wahrzunehmen“, sagt der Fußgänger-Lobbyist. Autofahrer, die hier nach rechts abbiegen, haben noch grün, die Fußgänger aber schon lange Rot. Autofahrer glauben sich im Recht, immer wieder komme es an diesen Kreuzungen zu aggressiven Situationen.   

Die Fußgänger haben schon Rot, die abbiegenden Autos müssen aber noch warten.
Die Fußgänger haben schon Rot, die abbiegenden Autos müssen aber noch warten.Stefan Henseke

Schon im Kindergartenalter lernt man: Bei Rot sollst du stehen, bei Grün kannst du gehen. Doch hier wäre es umgekehrt, sagt Roland Stimpel und das sorge immer wieder für gefährliche Situationen. An Countdown-Ampeln könne man bei Rot weitergehen – und Autos müssten bei Grün stehen.  

2013 wurden Test-Ampeln für 90.000 Euro installiert

Eine viel bessere Lösung gibt es im Ausland, etwa in den USA. Ampeln mit rückwärts laufenden Zeitanzeigen für Fußgänger. Da versteht jeder sofort, wie viel Sekunden einem bleiben, bis die Straße wieder geräumt werden muss, ob die Zeit zum Queren der Straße noch reicht, bis auf Rot geschaltet wird. 

2013, damals war noch Michael Müller (SPD) Stadtentwicklungssenator, wurden die ersten Countdown-Ampeln in Berlin in Betrieb genommen. 90.000 Euro kostete das damals, die Testphase sollte ein Jahr dauern. Aber wir sind in Berlin: Die Testphase zog sich Jahr um Jahr in die Länge. Countdown-Testampeln gibt es auch am Olivaer Platz und an der Kreuzung Hohenzollerndamm und Fehrbelliner Platz. 

Und jetzt, nachdem im März die Pläne für weitere Countdown-Ampeln in Berlin auf Grün geschaltet wurden, blitzt anscheinend wieder Rot auf. Roland Stimpel sagt, dass er aus der Verkehrsverwaltung gehört hätte, dass die Pläne demnächst wieder beerdigt werden. Der Countdown läuft, so oder so ... ■