Die Brandenburger SPD könnte wieder ein Vorbild in Ostdeutschland sein. Wie einst vor Jahren, als dort die Sozialdemokraten als eine der ersten im ganzen Land mit der Linkspartei eine Regierung bildeten, mit denen zuvor keiner zusammen gehen wollte. Nun will Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ein Bündnis mit dem BSW, der noch recht jungen und populistischen Partei von Sahra Wagenknecht. Es wird keine Liebesheirat, eher eine Notlösung. Denn Woidke muss die Rot-Lila-Koalition wagen, wenn er nach den Landtagswahlen vor einem Monat einen Herrschaftseinfluss der AfD in Brandenburg im neuen Parlament verhindern will.
Zweimal haben sich SPD und BSW in Brandenburg bereits getroffen. Rot und Lila wäre politisches Neuland, die erste Landesregierung in Deutschland, wenn sie zustande käme. Die Chancen stehen nicht schlecht. Denn SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke und BSW-Landeschef Robert Crumbach zeigen sich – bisher zumindest – recht zuversichtlich.
Noch sind es Sondierungsgespräche, das Vorspiel zu möglichen Koalitionsverhandlungen, die dann zu einer Landesregierung führen könnten. So ohne Reibereien wird das auch nicht hinter den Kulissen geschehen. Aber um dem zarten Pflänzchen einer Mussheirat überhaupt eine Chance zu geben, wird zunächst eisern über die Ergebnisse der Treffen geschwiegen.
Woidke sagt auch nach dem jüngsten Treffen am Wochenende nur, dass er die bisherigen Gespräche für erfolgversprechend hält. „Es geht erst mal um die inhaltlichen Fragen, die geklärt werden müssen“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Es gehe auch darum zu prüfen, ob eine Grundlage da sei, fünf Jahre gemeinsam Verantwortung für das Land zu tragen. „Aus diesen zwei Punkten heraus sind die Gespräche erstmal erfolgversprechend verlaufen bis jetzt.“

Ansonsten hält sich Brandenburgs Landesvater bedeckt. Woidke möchte das gerne wieder werden. Und er weiß, dass er mit seiner Partei bei den Wahlen mit einem blauen Auge davon gekommen ist. Nur ein hauchdünner Vorsprung sicherte der SPD einen Vorsprung vor der zweitstärksten Partei AfD, die der Verfassungsschutz in Brandenburg als rechtsextrem eingestuft hat.
Das Problem kennt auch Sahra Wagenknechts Mann in Brandenburg. BSW-Landeschef Robert Crumbach, der nun die Chance hat, dass die Wagenknecht-Partei mithilfe der SPD ihren größten Erfolg wahr machen kann – mit dem ersten Einzug der BSW in eine Landesregierung.
Auch Crumbach zieht ein erstes positives Zwischenfazit in den Gesprächen mit den brandenburgischen Sozialdemokraten. „Es sind bislang gute Gespräche, die wir fortsetzen werden“, sagt er. Nur eine Koalition aus Wahlsiegerin SPD und dem BSW hat nach der Landtagswahl am 22. September eine realistische Mehrheit. Alle anderen Parteien wollen nicht mit der zweitstärksten Kraft AfD koalieren – und SPD und CDU fehlt knapp eine Mehrheit.
Rot und Lila waren im Wahlkampf politische Gegner. Und auch bei den Sondierungsgesprächen, die dann zu ernsten Koalitionsverhandlungen werden sollen, deuten sich Knackpunkte an, die das Bündnis gefährden könnten.
Da wären Aussagen von BSW-Chefin Sahra Wagenknecht, die zwar am Verhandlungstisch in Brandenburg nicht sitzt, aber gehörigen Einfluss auf die Gespräche hat. So fordert sie eine klare Position zur Aufstellung von US-Mittelstreckenraketen, ein Eintreten für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der überfallenen Ukraine sowie ein „Corona-Amnestie-Gesetz“ zur Einstellung laufender Verfahren.
Bündnis zwischen SPD und Wagenknecht in Brandenburg: Das wird ein harter Brocken
Das wird für Woidke ein harter Brocken. Zwar setzen er, Sachsens CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer sowie Thüringens CDU-Chef Voigt bereits ein Signal und sprachen sich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ für stärkeres diplomatisches Engagement Deutschlands zur Beendigung des russischen Kriegs gegen die Ukraine aus. Woidke bleibt aber dabei, dass er militärische Unterstützung für die Ukraine für nötig hält.
Für Wagenknecht sitzen in Brandenburg BSW-Vizevorsitzende Friederike Benda und Brandenburgs Landesgeschäftsführer Stefan Roth am Verhandlungstisch mit der SPD. Sie und BSW-Landeschef Crumbach stimmen sich eng abstimmen mit der Parteichefin ab.
Woidke machte vor der Wahl im „Tagesspiegel“ deutlich, dass er direkten Einfluss Wagenknechts skeptisch sieht. „Für mich unvorstellbar ist, dass es in Brandenburg so läuft, wie es jetzt in Sachsen und in Thüringen diskutiert wird, dass Frau Wagenknecht als Ich-AG vom Saarland aus die Geschicke im Lande mit lenken will.“
Rot-Lila in Brandenburg? SPD bewertet Wagenknecht-Einfluss skeptisch
Konfliktpotenzial lauert möglicherweise auch bei Migration und Bildung. Das BSW will einen „Stopp unkontrollierter Migration“ und die Streichung von Geldleistungen für Ausreisepflichtige. Das Brandenburger Bildungssystem – das Ministerium ist seit 1990 in SPD-Hand – ist nach Ansicht des BSW eines der schlechtesten in Deutschland.
Doch es gibt positive Signale. Nach dem ersten Gespräch hieß es von beiden Seiten, die Atmosphäre sei gut gewesen. Beide Parteien betonten die Verantwortung, die das Wählervotum ihnen aufgegeben habe. Damit haben SPD und BSW deutlich gemacht, dass sie die Gespräche nicht leichtfertig aufs Spiel setzen wollen.

Von Vorteil ist dabei, dass die fünfköpfige Verhandlungsgruppe der SPD unter Leitung von Woidke den BSW-Landeschef kennt: Der Arbeitsrichter war langjähriges SPD-Mitglied, Ortsvereinsvorsitzender in Potsdam und Referent der SPD-Landtagsfraktion. Ein weiterer BSW-Verhandler ist Templins Bürgermeister Detlef Tabbert, Ex-Linker.
Der SPD geht es vor allem um eine stabile Regierung. Die Koalition mit der Sahra-Wagenknecht-Partei hätte im Parlament eine Mehrheit von zwei Stimmen. Das ist nicht komfortabel, reichte aber, wenn alle mitziehen.