Berlin-Prenzlauer Berg wird immer öder. Die Burlesque-Bar „Zum starken August“ in der Schönhauser Allee ist das nächste Opfer der Gentrifizierung. Immer weiter steigende Mieten, spießige Nachbarn, die sich über Lärm beschwerten und die Gerichte einschalteten. Mit einer Kundgebung und einem Trauerzug verabschieden sich schon Stammgäste und Freunde, jetzt wird ein letztes Mal gefeiert – und das Inventar versteigert.
Das Konfetti glitzert noch in den Ritzen der Pflastersteine vor dem starken August. Wird es noch, auch wenn die Tür zu Berlins berühmtester Burlesque-Bar „Zum starken August“ für immer zu ist. Ende Juni geht auf der Schönhauser Allee im Prenzlauer Berg eine Ära zu Ende. Doch vorher wird Holly, die Betreiberin, die tagsüber Sandra Hollweck heißt, noch einmal alle um sich scharen. Am kommenden Montag und Dienstag soll das Inventar im starken August versteigert werden.
Die Schönhauser Allee wird immer öder
Ein paar Taler kann Holly, die die laufenden Kosten bis zum bitteren Ende weiter tragen muss, jetzt ganz gut gebrauchen. Denn ganz freiwillig geht der starke August nicht von uns.

Eins ist klar, auf der Schönhauser Allee, die mit Brückensanierung und Parklets schweren Zeiten für Geschäftsleute entgegen geht , wird es ohne die ausrangierten Autoscooter der Bar auf dem Bürgersteig noch öder werden.
In Berlins frivolstem Wohnzimmer, in dem die Kunst des anziehenden Ausziehens gelebt und geliebt wurde, gehen die Lichter aus. Einen der kleinen Leuchter aber können sich Liebhaber mit nach Hause nehmen. Ebenso die Tische und Stühle, die Diskokugel.

Das gesamte Inventar samt „Manege frei“-Schild kommt unter den Hammer. Besonders einzigartig: großformatige Fotografien, die der Künstler Andry Kezzyn jedes Jahr vom gesamten Team anfertigte. Oder Zeichnungen, die die Bar-Sketcher vom August spendeten.
Rote Samtvorhänge, goldene Kordeln, Kronleuchter aus der Garderobe: wer einen Teil der Einrichtung ersteht, kauft auch ein Stück schwindendes Berlin-Gefühl.
Burlesque-Shows in Berlin legendär
„Die Leute gehen seltener aus, sie haben das Amüsieren verlernt“, sagt Holly. Jeder müsse sich auch selber fragen, ob er nicht seinen Anteil hat am Ausverkauf der Stadt. Dazu kommen verschärfte Bedingungen, unter denen sie alle in der Gastronomie arbeiten. Steigende Gewerbemieten und nörgelnde Nachbarn machen aus Berlins Kiezen öde Dörfer.

Berlin steht an einem Scheideweg, verkauft seine Nischen und Freiräume, pflastert sich zu mit austauschbaren Ketten. Wo etwas frei wird, zieht ein Barbershop ein oder ein internationaler Player.
„Für so spezielle Läden wie unseren müsste es Schutz geben“, sagt Holly. Doch der käme für sie in jedem Fall zu spät. Sie hat die Koffer längst gepackt und geht nach der Schließung der Bar zurück in ihre bayerische Heimat. All die Performer, die so gern im „Zum starken August“ auftraten, müssen sich nun neue Bühnen suchen. Gar nicht so einfach in einer Stadt, die sich selbst nicht mehr so recht über den Weg traut. Vom unbeschwerten Ausgehvergnügen ganz zu schweigen.

Bei der Fete de la Musique werden im August ein letztes Mal drei Bands auftreten, die Getränke-Vorräte geleert. Und dann bleibt nur das Glitzerkonfetti auf dem Bürgersteig an der Schönhauser Allee 56.
„Andenkenjäger aufgepasst“, heißt es in der Ankündigung zu Versteigerung. „Bevor hier die letzte Glühbirne rausgedreht ist, öffnen wir am Montag & Dienstag ab 19 Uhr noch einmal unsere heiligen Hallen zum großen Räumungsverkauf!“ Auch live via Instagram kann man mitbieten und so einzigartige Stücke sichern.