In Berlin-Charlottenburg

Berliner rätseln: Was sollen diese „Gewächshäuser“ auf den Gehwegen?

Das Bezirksamt stellt immer mehr sogenannte Fahrradboxen auf. Was sie kosten und wo sie überall aufgestellt werden – mit kompletter Liste.

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Ringsherum ist alles mit Fahrrädern zugeparkt: Die neue Fahrradbox ist aber noch leer. Mietpreis pro Monat: 11 Euro.
Ringsherum ist alles mit Fahrrädern zugeparkt: Die neue Fahrradbox ist aber noch leer. Mietpreis pro Monat: 11 Euro.Stefan Henseke

Was ist denn das? Ein Gewächshaus? Eine überdimensionierte Brot-Frischhaltebox? In Charlottenburg-Wilmersdorf schießen immer mehr dieser durchsichtigen Dinger wie Pilze aus dem Boden. Sie machen die Gehwege schmaler und sollen aber Fahrradfahrern mehr und sicheren Platz zum Abstellen ihrer Räder geben. Zwölf Fahrradboxen wurden seit Dezember installiert, 31 weitere kommen bis Mitte des Jahres dazu. Aber nicht jeder freut sich darüber.

Am Dienstag in der Fritschestraße 70: Ein Pärchen mit Rollkoffern bleibt an einem der sogenannten Fahrradboxen stehen. Sie schüttelt den Kopf und sagt: „Hässlich! Wer braucht den so was? Die Dinger nehmen nur Platz weg.“ Die „Dinger“ sind rund 3,60 Meter lang und bis zu 2,15 Meter breit – unter dem durchsichtigen, aufklappbaren und abschließbaren Deckel sieht man drei Fahrradbügel. Was man auch sieht: kein Fahrrad. Während etwa in der Fritschestraße rings um die Box viele Fahrräder abgestellt sind, waren alle von uns angefahrenen Fahrradboxen leer und sahen wie bisher ungenutzt aus.

Fahrradbox: Stellplatz kostet 11 Euro pro Monat

Laut dem zuständigen Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grünen) aber sind die neuen Fahrradboxen aber begehrt. „Für die zwölf Standorte, die im Dezember aufgestellt wurden, liegen bereits mehr Anfragen als Stellplätze vor“, erklärt er dem KURIER. Und die bereits 50 bestehenden Stellplätze in den Radboxen am Klausenerplatz seien voll vermietet, die Warteliste umfasse etwa noch mal genau so viele Personen. Ein Stellplatz kostet für den Mieter 11 Euro pro Monat, um die laufenden Kosten, wie eine regelmäßige Kontrolle und Reinigung zu finanzieren.

Für Felix Recke-Friedrich, Chef der FDP-Fraktion im Bezirksparlament, aber sind diese Boxen jedoch Steuergeldverschwendung. „Sie nehmen extrem viel Platz im öffentlichen Raum ein und sind eine staatliche Subvention von Garagen für Fahrräder, bei denen es für das Auto einen Aufschrei geben würde“, sagt er zum KURIER. Der betroffene Kiez habe heute schon mit Flächenkonflikten zu kämpfen. „Es erschließt sich mir nicht, warum der Steuerzahler für einen überdachten, abschließbaren Fahrradparkplatz zahlen soll, insbesondere in Zeiten knapper Kassen“, erklärt er. „Für einen Dieb, der Fahrräder klauen will, stellt diese Vorrichtung zudem keine große Hürde dar. Das Ganze ist grüne Schaufensterpolitik.“

Billig ist das Ganze nicht. Die Kosten des Projektes belaufen sich auf insgesamt 691.000 Euro, teilt der Bezirksstadtrat dem KURIER mit. 75 Prozent der Kosten trägt der Bund  (Sonderprogramm Stadt und Land), das Bezirksamt stellt 25 Prozent der Summe als Eigenmittel. Kosten pro Box: im Schnitt 14.395 Euro. Viel Geld für so ein Plastikhäubchen.

Felix Recke-Friedrich überzeugt das alles nicht. „Wenn man sich überlegt, was man davon alles hätte finanzieren können, beispielsweise auch klassische Fahrradbügel überall verteilt im Bezirk statt der Subventionierung von Fahrradgaragen für einige Wenige“, sagt er – so aber fänden lediglich sechs Fahrräder pro Anlage Platz. „Wir haben tatsächlich im Bezirk eine Unterversorgung von Fahrradbügeln, insbesondere rund um die Bahnhöfe. Da helfen diese Garagen für eine wenige Privilegierte aber nicht.“

Diese Standorte sind laut Bezirksamt schon installiert

+ Fredericiastraße 1, 14059

+ Fritschestraße 60, 10627

+ Fritschestraße 67, 10585

+ Fritschestraße 70, 10585

+ Gierkeplatz, 10585

+ Guerickestraße 39, 10587

+ Mierendorffstraße 3, 10589

+ Sybelstraße 56, 10629

+ Tegeler Weg 6, 10589

+ Tegeler Weg 23, 10589

+ Wintersteinstraße 15, 10587 (2 Boxen)

Sollte schon fertig sein: Doch die Bauarbeiter in der Mierendorffstraße 3 sind spurlos verschwunden.
Sollte schon fertig sein: Doch die Bauarbeiter in der Mierendorffstraße 3 sind spurlos verschwunden.Stefan Henseke

Bei einem Vorort-Termin am Dienstag war die Fahrradbox in der Mierendorffstraße 3 allerdings noch Baustelle. Eingezäunt, mit Steinen, die noch installiert werden müssen, die Bügel fehlen. Alles vollgemüllt. Es sah aus, als hätten die Bauarbeiter diese Stelle schon vor einiger Zeit fluchtartig verlassen.

Hier werden weitere Radboxen installiert

+ Behaimstraße 13, 10585

+ Danckelmannstraße 34, 14059

+ Detmolder Straße 59, 10715

+ Droysenstraße 4, 10629

+ Durlacher Straße 27, 10715

+ Gardes-du-Corps-Straße 15, 14059

+ Geisenheimer Straße 36, 14197

+ Goethestraße 26, 10625

+ Güntzelstraße 16, 10717

+ Haeselerstraße 15, 14050

+ Haeselerstraße 19, 14050

+ Haubachstraße 39, 10585

+ Haubachstraße 40, 10585

+ Herschelstraße 16, 10589

+ Holtzendorffstraße 1, 14057

+ Koblenzer Straße 2, 10715

+ Lohmeyerstraße 21, 10587

+ Lohmeyerstraße 16, 10587

+ Mainzer Straße 18, 10715

+ Mierendorffplatz 12, 10589

+ Mierendorffstraße 30, 10589

+ Nassauische Straße 26, 10717

+ Nehringstraße 20, 14059

+ Sigmaringerstraße 29, 10713

+ Soorstraße 76, 14050

+ Stadtplatz Wundtstraße, 14059

+ Südwestkorso 56, 14197

+ Südwestkorso 25, 14197

+ Tauroggener Straße 40, 10589

+ Tauroggener Straße 34, 10589

+ Wernigeroder Straße 9, 10589

Stellplätze in den Fahrradboxen werden nach Eingang vergeben, es besteht weiterhin die Möglichkeit, sich für alle geplanten Standorte beim Dienstleister Inselprojekt unter radbox@insel-projekt.berlin für einen Stellplatz zu melden. Interessierte Personen, die keinen Stellplatz bekommen haben, werden kontaktiert, sobald weitere Standorte zur Verfügung stehen. ■