Für die Macher des Karnevals der Kulturen war der Umzug vom Pfingstsonntag ein großer Erfolg. 750.000 Besucher, „alles verlief friedlich, das Awareness Team und die Johanniter meldeten keine besonderen Vorkommnisse“, verkündeten sie stolz. Doch viele Anwohner der Karl-Marx-Allee sind sauer über das Partyvolk. Das sei kein Karneval der Kulturen, sondern eher ein Karneval der Vandalen gewesen, erklärt Achim Bahr, Vorstand des Anwohner-Vereins Stalinbauten e.V.
Anwohner Achim Bahr: „Alle Hauseingänge waren vollgepisst“
Der grüne Mittelstreifen zwischen Strausberger Platz und Straße der Pariser Kommune ist nur noch ein brauner, staubiger Acker. Hecken sind niedergetreten, Schleichpfade wurden durch Büsche gewalzt. Sicher, der Karneval sei friedlich abgelaufen, sagt Anwohner Achim Bahr. „Aber die Veranstaltung ist nur ein weiterer Event für Leute, die sich sinnlos besaufen wollen.“ Am Sonntag seien die Anwohner kaum trockenen Fußes in ihre Wohnungen gekommen. „Alle Hauseingänge waren vollgepisst“, sagt er angewidert.

Bahr hatte von seiner Terrasse aus den Umzug im Blick. „Die Leute sind auf denkmalgeschützte Laternen geklettert, alles war voller Müll.“ Im Blog der Vereinsseite postete er seine Bilder vom Umzug. Von jungen Männern, die gemeinsam und nebeneinander auf der Wiese pinkeln, von Hauseingängen voller Pfützen, von zugemüllten Grünflächen, von Papierkörben, die überlaufen.
Der Müll ist inzwischen größtenteils weg. Noch am späten Sonntagabend kurz nach 22 Uhr kam die BSR. Mit Müllbläsern, „die einen unfassbaren Lärm machten“, wie er sagt. Anwohnerin Sabine Heiser lobt die rasche Müllbeseitigung. „Da haben die Veranstalter Wort gehalten“, sagt sie. „Ich wusste gar nicht, dass die BSR so viele Mitarbeiter für die Straßenreinigung hat.“

Aber auch Sabine Heiser findet es falsch, dass der Karneval der Kulturen über die Karl-Marx-Allee in Berlin-Friedrichshain zog, Hunderttausende hier feiern durften. Alle redeten davon, dass der Umzug schützenswerte Kultur sei, aber keiner achte darauf, dass die Karl-Marx-Allee ein denkmalgeschütztes Kulturgut sei, wie sie sagt. Sie geht zu einer der Laternen: „So eine Fliese wie hier kostet mehr als 100 Euro – und trotzdem sind Zuschauer hier ohne Rücksicht auf Verluste hochgeklettert.“

Die Macher des Karnevals der Kulturen hatten auch das Tempelhofer Feld als Austragungsort für den Umzug in Erwägung gezogen. Doch die Idee wurde verworfen, weil auf dem Feld gerade die Feldlerche brütet. Das verstehe sie, sagt Sabine Heiser. Doch an die Bewohner und die denkmalgeschützten Häuser der Karl-Marx-Allee denke keiner. „Immobilien aber können nicht wegfliegen“, sagt sie.
„Für die Karl-Marx-Allee ist der Karneval der Kulturen eine Katastrophe“
Wie es aussieht, könnte es für den Karneval der Kulturen auf der Karl-Marx-Allee eine Fortsetzung geben. Die Ursprungsstrecke (Gneisenaustraße in Berlin-Kreuzberg) ist eine Dauerbaustelle, die sich noch vier weitere Jahre zieht.
Clara Herrmann, die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, befürwortet die Karl-Marx-Allee auch für den Karneval 2026. „Wenn die Veranstalter im kommenden Jahr wieder anfragen würden, würden wir Ja sagen“, sagt Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes.

Sabine Heiser und Achim Bahr vom Anwohnerverein wollen gegen eine Rückkehr kämpfen. „Für die Karl-Marx-Allee ist der Karneval der Kulturen eine Katastrophe“, sagen sie.
