Workshop als Dienstzeit

Berliner Feuerwehr: Fortbildung gegen „toxische Männlichkeit“ statt Einsatztraining

Bei der Berliner Feuerwehr mangelt es an Übungen für technische Hilfeleistung. Stattdessen gibt es eine Fortbildung über männliche Machtstrukturen.

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Am 12. Juni 2018 wurde die 13-jährige Ronja am Blockdammweg in Rummelsburg von einer Straßenbahn erfasst. Bei der Bergung wurde sie tödlich verletzt.
Am 12. Juni 2018 wurde die 13-jährige Ronja am Blockdammweg in Rummelsburg von einer Straßenbahn erfasst. Bei der Bergung wurde sie tödlich verletzt.Morris Pudwell

Das Schicksal der 13-jährigen Ronja, die in Rummelsburg unter eine Straßenbahn geraten war, hat Berlin vor sieben Jahren geschockt. Das Mädchen war eingeklemmt worden, hatte das Unglück aber zunächst wie durch ein Wunder überlebt. Doch die Rettung wurde zur Tragödie. Der BVG-Kranwagen war nicht verfügbar. Als die Feuerwehrleute schließlich mit den Mitteln,die sie hatten, selbst die 34 Tonnen schwere Tram anhoben, stürzte sie ab. Und Ronja war tot.

Der tragische Fall von Ronja und das Gerichtsverfahren, das folgte, hatten gezeigt, dass die Berliner Feuerwehr für solche Bergungen zu wenig trainiert war. Daran hat sich wohl wenig geändert. Seit Jahren fehlen die Kapazitäten für Fortbildungen in technischer Hilfeleistung oder zum Umgang mit Gefahrenstoffen, einsatzrelevante Übungen sind eingeschränkt. Da erstaunt eine Fortbildung bei der Feuerwehr, die Ende Mai stattfand – nicht zu Techniken der Rettung, sondern über „toxische Männlichkeit“.

In der Hauptfeuerwache in Berlin Mitte hielt am 28. Mai ein Literaturwissenschaftler, der ein „Institut für kritische Männerforschung“ betreibt, eine Schulung, wie die Berliner Zeitung berichtet. In dem Vortrag, organisiert vom „Team Diversität und Kulturwandel“ der Berliner Feuerwehr, sprach der Referent über männliche Machtstrukturen. 1800 Euro erhielt er dafür.

Referent zieht über Bundeskanzler her, nennt Christentum „feuchten Männertraum“

Der Referent redete über strukturelle und toxische Männlichkeit, zog über Donald Trump, Elon Musk und Bundeskanzler Friedrich Merz her. Und über die CDU allgemein. Das Christentum hatte er laut Teilnehmern als „feuchten Männertraum“ bezeichnet, schreibt die Berliner Zeitung. Den Islam erwähnte er nicht.

Den geistigen Tiefpunkt habe die Veranstaltung nach Angaben einiger Zuhörer erreicht, als der Referent den von Hannah Arendt geprägten Begriff „Banalität des Bösen“ verglich mit Formen der „toxischen Männlichkeit“. (Die Philosophin hatte mit „Banalität des Bösen“ SS-Obersturmbannführers Adolf Eichmann beschrieben, der ab 1941 die sogenannte Endlösung der Judenfrage koordinierte.) Das habe Verärgerung ausgelöst, sagte einer der Feuerwehrmänner, der bei dem Vortrag war, der Berliner Zeitung. Der Referent habe „quasi den Holocaust und die heutige, aus seiner Sicht toxische Männlichkeit mit dem Holocaust gleichgesetzt.“

Bei der Veranstaltung des „Männerforschers“ hatten 74 Feuerwehrleute teilgenommen. Die Schulung wurde ihnen als Fortbildung angerechnet und dafür zweieinhalb Stunden Dienstzeit gutgeschrieben.

Zu den Äußerungen des Vortragenden wollte sich die Behördenleitung gegenüber der Berliner Zeitung nicht äußern, „insbesondere nicht mit Bewertungen ‚aus der Ferne‘“, sagte ein Sprecher. Man wolle „den vertrauensvollen Raum der offen geführten Diskussion auch nicht mit einer Nachrecherche belasten.“ Jedoch distanziere sich die Berliner Feuerwehr „ausdrücklich von einer Verharmlosung von Bösem oder verunglimpfenden bzw. missinterpretierbaren Vergleichen in der Sprache.“

Eine Anfrage der Berliner Zeitung an den Referenten, der sich als „Männerforscher, Berater und Dozent“ bezeichnet, für eine Stellungnahme zu seinen Aussagen zur Banalität des Bösen, zu Kanzler Merz und dem Christentum als feuchter Männertraum, beantwortete dieser nicht.