An einem grauen Donnerstagmorgen feierte sich die Hauptstadt gebührend selbst. Mit viel Medienrummel, langen Reden und zufriedenem Politikerlächeln wurde im Berliner Mauerpark der erste Cooling Point der Hauptstadt eröffnet. Sechs Wochen ist das jetzt her. Die Versprechen klangen groß: Ein vom Bund gefördertes Pilotprojekt gegen die Hitze, das vom Land betreut und von Ämtern, Gesellschaften und Sozialträgern umgesetzt wird. Schattenplätze und ein paar Blumen sollten zeigen, wie die Stadt der Klimakrise trotzt.

Teurer Schatten in Berlin: Der Cooling Point im Mauerpark floppt
Der KURIER testete an einem der heißesten Tage des Sommers, wie sinnvoll der Cooling Point tatsächlich ist. Bei über 30 Grad blieb die Anlage aber leer. Während die Mittagssonne gnadenlos auf Asphalt und Beton brannte, suchten die Besucher des Mauerparks Schatten. Jedoch nicht in der neuen Oase, sondern ein paar Meter weiter unter alten Bäumen.
„Im Cooling Point ist es zu heiß“, sagte Alexander (45) aus Eisenach, der mit seinem Freund Michael dort saß. Dabei war das Ensemble nicht billig. Über einen Zeitraum von drei Jahren summieren sich die Kosten auf 120.000 Euro. Davon wurden 45.000 Euro für die Blumenkübel, Bänke und das Dach ausgegeben, inklusive Versicherung für den Fall, dass Berlins rauer Alltag das Projekt allzu schnell beschädigt.

Kritik am Mauerpark-Projekt: „Für 45.000 Euro lieber Bäume pflanzen“
Die Sorge vor Vandalismus bewahrheitete sich bereits nach knapp sechs Wochen. Erneut fuhr der KURIER zum Cooling Point, um sich vor Ort einen Eindruck zu verschaffen. Das Bild, das sich uns bot, war traurig: keine Bienchen und Blümchen. Stattdessen gab es zerwühlte Erde, vertrocknete Sträucher und in den Ecken gesammeltes Laub. Auf dem Pflaster trocknete Erbrochenes fest. Die Stadt hat bereits Zettel aufgehängt. Man sei sich der Schäden bewusst und werde sie „zeitnah“ beheben.
Bei den Spaziergängern im Mauerpark stößt der Cooling Point auf wenig Verständnis. Armin Scholz (74) aus München bleibt länger vor dem Cooling Point stehen und wirkt fast fassungslos. „Das kann nichts werden mit dem Cooling“, sagt er und deutet auf das Dach. „Das ist ja offen. Das ist wirklich blamabel.“ Als er schließlich von den Kosten in Höhe von 45.000 Euro erfährt, schüttelt er nur den Kopf: „45.000 Euro? Das ist mir unbegreiflich. Die sollten sich schämen.“ Und was denkt er über den Pflanzendiebstahl? „Das ist Berlin“, sagt er. „Eigentlich ist es erschreckend, wie dreckig und marode es hier ist.“

Der 73-jährige Wilhelm aus Mitte zeigt sich fassungslos über die Kosten. „45.000 Euro! Das ist für mich unbegreiflich.“ Für ihn ist der Cooling Point weder ein Rastplatz noch eine Lösung gegen die Hitze, sondern schlichtweg Verschwendung. „Tstststs, Wahnsinn. Ist das besonderes Holz? Das ist wirklich Wahnsinn.“ Auch Jacob (39) aus Pankow zeigt sich skeptisch und sagt auf Englisch: „Es sieht nicht nach 45.000 Euro aus. Für mich ist das reine Geldverschwendung, das hätten auch ein paar Studenten bauen können.“


„Ich finde es total albern. Hier gibt es doch überall Bäume, auf denen man sitzen kann“, sagt Julia (50) aus Berlin-Mitte, während sie mit ihrer Hündin Lola durch den Mauerpark spaziert. „Ich bin öfter im Mauerpark, aber genutzt habe ich das Ding noch nie.“ Ebenso wenig begeistert von der Initiative ist Maria (35), eine Einwohnerin von Prenzlauer Berg. „Erst dachte ich, es sieht ganz nett aus, fast wie ein Kunstwerk. Aber dann habe ich den Preis erfahren, das ist absurd.“ Sie spekuliert, dass der Vandalismus eine Art Reaktion sein könnte: „Vielleicht haben die Leute die Pflanzen aus Wut herausgerissen. Für 45.000 Euro hätte man doch einfach Bäume pflanzen können.“

Dr. Hermann Dreier (83), in Friedrichshagen geboren und nach Jahren in Stockholm wieder in Berlin lebend, findet deutliche Worte: „45.000 Euro – das ist reiner Wahnsinn! Dafür kann man so viel Sinnvolleres machen.“ Für das Arrangement hätte er höchstens 2000 Euro bezahlt, sagt er. „Für einen kleinen Garten, ja. Aber so ein Ding würde ich mir in meinem eigenen Garten nie hinstellen, denn es wirkt lieblos.“

