Wer schon mal zwischen Teltowkanal, Dreilinden und Kleinmachnow spazieren war, weiß, was das für eine Idylle ist. Ein ruhiges Fleckchen, dessen Ruhe jetzt aber bedroht ist. Denn bald könnten hier Züge rollen. Eine neue Regioverbindung zwischen Berlin und Potsdam ist geplant – auf einer historischen Strecke. Doch nicht alle sind darüber glücklich.
Auf der einen Seite Wald, auf der anderen Seite Gärten. Ein Idyll nicht nur für Spaziergänger, auch Geschichtsbeflissene und Lost-Place-Fans sind hier unterwegs. Denn das Wäldchen hinter Dreilinden schrieb einst Verkehrsgeschichte. Der Wanderweg war früher die Reichsautobahn 51, überwucherte Bahnsteige tauchen am Wegesrand auf, tote Gleise – und mittendrin eine Brücke, die ins Nirgendwo führt. Heute ein beliebter Spot für Graffitikünstler.
Stammbahn soll 200 Jahre nach ihrer Fertigstellung wieder in Betrieb gehen
Diese Brücke ist ein Überbleibsel deutscher Eisenbahngeschichte, Teil der Stammbahn, der ersten Eisenbahnstrecke in Preußen, seit 1945 fuhren hier aber keine Züge mehr. Das soll sich jetzt ändern, die Strecke zwischen Berlin und Potsdam soll reaktiviert werden, die brachliegende Stammbahn soll 200 Jahre nach ihrer Fertigstellung wieder in Betrieb gehen, bekräftigt der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB).

Geplant sind bisher sieben neue Bahnhöfe für Regiozüge: Europarc Dreilinden, Düppel-Kleinmachnow, Berlin-Zehlendorf, Rathaus Steglitz und Berlin-Schöneberg. Neu entsteht auch Südkreuz (Ring) und ein Regio-Bahnsteig an der Hermannstraße oder in Neukölln. Bis auf Südkreuz werden alle Stationen für 215-Meter-Züge ausgelegt.
Anwohner gegen Anwohner: Streit über den Ausbau der Stammbahn
Bisher sieht es so aus, dass die Linien RB20/22 und RB23 dann über die Stammbahn nach Potsdam führen. In Richtung Michendorf sollen Züge der Linien RE7 und RB37 unterwegs sein. Rund 20 Kilometer lang soll der zentrale, durchgängig zweigleisige Bereich der Stammbahn werden, ausgelegt für eine Geschwindigkeit von 120 km/h. Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg geht von 72 Regionalzugfahrten pro Tag und Richtung aus, davon neun zwischen 22 und 6 Uhr. Auch Güterzüge könnten später auf der Stammbahn fahren.
„Die Finanzierung steht, die Vorplanung soll 2026 vorliegen“, so die Bürgerinitiative Stammbahn laut Berliner Zeitung. Die Zielmarke für die angestrebte Inbetriebnahme sei gesetzt: „Dies ist das Jahr 2038 – das 200-jährige Jubiläum der Strecke“, bekräftigte André Stapf vom Verkehrsverbund.
Klar: Es gibt Streit um den Ausbau. Auf der einen Seite unmittelbare Anwohner, die nicht wollen, dass wenige Meter hinterm Gartenzaun ein Regio vorbeidonnert, dass der Wald verkleinert wird und die von einem „Band aus Stahl und Beton“ sprechen. Auf der anderen Seite ebenfalls eine Bürgerinitiative, die auf bessere Verkehrsanbindungen nach Berlin hofft.
Bleibt die Frage: Ergibt die Reaktivierung der Stammbahn wirklich Sinn? 2008 verwarfen Berlin und Brandenburg den Wiederbetrieb, weil die Strecke als unwirtschaftlich eingestuft wurde, auch die Idee einer S-Bahn wurde zu den Akten gelegt. Inzwischen aber ziehen immer mehr Menschen in den Speckgürtel Berlins, siedeln sich hier große Firmen an – aber bis auf ein paar Buslinien ist Kleinmachnow (über 20.000 Einwohner) schlecht an Berlin und Potsdam angebunden. Die Stammbahn wird wohl ein Fall für die Gerichte werden. Ein paar geschützte Kröten, Salamander oder Vögel werden in dem Waldstück bestimmt noch auftauchen. ■