Zurück in die DDR-Vergangenheit

Auf Berliner Weihnachtsmarkt: Das Karussell aus der DDR weckt Erinnerungen

Das älteste Karussell auf dem Berliner Weihnachtsmarkt stammt aus der DDR der 60er-Jahre und weckte viele Erinnerungen.

Author - Stefanie Hildebrandt
Teilen
Einst gab es viele solcher Karussells auf den Märkten der DDR.
Einst gab es viele solcher Karussells auf den Märkten der DDR.Emmanuele Contini/Berliner Kurier

Da gehst du nichtsahnend über einen der Berliner Weihnachtsmärkte und bist auf einmal wieder sieben Jahre alt. Ein altes DDR-Karussell hat mich an einem grauen Novembervormittag in Lichtenberg zurück in meine Ost-Kindheit katapultiert. Inklusive Pelz-Bommelmütze, Fausthandschuhen und rutschender Strumpfhose.

Ost-Kindheit mit Trabi und Straßenbahn

Als wäre all die Jahre über nichts gewesen, drehen sie sich hier an der Landsberger Allee wie vor 40 Jahren: die Trabis mit dem glatten Holzlenkrad. Die kleine Straßenbahn mit der großen Klingel. Satt wie damals rastet das blaue Tor zum Interflug-Hubschrauber ein, seit Jahrzehnten schon. Den Propeller auf dem Dach kann man drehen. Die Technik ist einfach, aber sie überdauert alles.

Aufgehübschte Trabis auf dem Weihnachtsmarkt. Überall in der DDR gab es solche Karussells.
Aufgehübschte Trabis auf dem Weihnachtsmarkt. Überall in der DDR gab es solche Karussells.Emmanuele Contini/Berliner Kurier

Die Zeit meinte es ganz offensichtlich gut mit diesem Stück Geschichte. Die Karussell-Teile sind historisch, aber top in Schuss. Der Pastell-Lack glänzt, die bunten Lampen in der Mitte blinken verheißungsvoll. Nicht alle, die schon als Kinder hier saßen, haben die wilden Jahre, die nach der Wende folgen sollten, wohl so unbeschadet überstanden, denke ich.

Irgendwann in den 60er.Jahren muss das Karussell gebaut worden sein, erzählt mir die jetzige Besitzerin am Telefon, das könne man an den verbauten Teilen, wie dem Motor, ablesen. „Im Baubuch ist der letzte Eintrag aus dem Jahr 1989“, sagt Anna Stummer. Und dann? Dann waren DDR-Baubücher nicht mehr wichtig. Eine Aufnahme aus dem Wendejahr zeigt, wie sich die Karussells auf Märkten dennoch weiter drehten.

Was geschah in den Wende-Wirren?

Was in den Wende-Wirren mit dem Fahrgeschäft, das nun in Lichtenberg steht, geschah, lässt sich schwer rekonstruieren. Verschwand es im Rausch, nun das Neue ausprobieren zu wollen, in der Versenkung? Drehten weiter Kinder ihre Runden mit dem Interflug-Hubschrauber?

Immerhin wurden die DDR-typischen Gefährte in ihrem Originalzustand belassen. Keine Selbstverständlichkeit in Zeiten, in denen alles, was aus dem Osten kam, genau auf den Prüfstand oder gleich auf den Schrott sollte.

Den Propeller am Hubschrauber kann man selber ankurbeln.
Den Propeller am Hubschrauber kann man selber ankurbeln.Emmanuele Contini/Berliner Kurier

Die Stummers, Schausteller aus Nordrhein-Westfalen, haben das DDR-Karussell erst vor sieben Jahren erworben. Viel mehr wissen sie nicht über seine Vergangenheit. Irgendwo bei Berlin habe es gestanden, erinnert sich Stummer. Die Technik laufe noch immer einwandfrei.

Eine Kindheit mit Karussell in Ostberlin. Überall in der Republik gab es diese Art von Karusells.
Eine Kindheit mit Karussell in Ostberlin. Überall in der Republik gab es diese Art von Karusells.Gerhard Leber/imago

So wie mir gehe es aber vielen Gästen, die auf dem Weihnachtsmarkt an dem Karussell vorbeikommen. Sie erinnern sich. „Ältere sagen: damit bin ich als Kind schon gefahren und machen Fotos“, so Anna Stummer. Mein Kollege glaubt sich zu erinnern, dass das Karussell früher auf dem Weihnachtsmarkt am Plänterwald stand. Gibt es nicht genau von dort ein Foto von mir?

Kunstpelz und rutschende Strumpfhosen

Die Sechs- oder Siebenjährige mit dunkelbrauner Kunstpelzmütze. Die langen Schnüre mit Bommeln an den Enden fest unter dem Kinn zusammengebunden. Mit weißen Strumpfhosen und etwas verschreckt blickend sitze ich auf dem Schoß vom Weihnachtsmann. In wie vielen Fotokisten gibt es dieses Foto in Berlin und ganz Ostdeutschland?

Eine Sonderfahrt in die DDR: Das kleine Karussell ist eines der Highlights der „Lichtenberger Winterzeit“. Oliver Hellwig und Christine Meinecke-Wohlthat sind die Macher des Weihnachtsmarktes.
Eine Sonderfahrt in die DDR: Das kleine Karussell ist eines der Highlights der „Lichtenberger Winterzeit“. Oliver Hellwig und Christine Meinecke-Wohlthat sind die Macher des Weihnachtsmarktes.Emmanuele Contini/Berliner Kurier

Für drei Euro können heutige Kinder wieder in das Karussell ihrer Eltern steigen. „Es ist das älteste Fahrgeschäft auf dem Markt“, sagt Manager Oliver Hellwig. Für mich ist es auch das Schönste.

Erinnern Sie sich auch an Fahrten mit dem Karussell? Woran erinnern Sie sich in der Weihnachtszeit? Schreiben Sie uns gern an leser-bk@berlinerverlag.com