
Die neuen 20er-Jahre sollten eigentlich ein rauschendes Jahrzehnt werden, auch in Berlin. Ausschweifende Partys, wilde Feste. Doch daraus wurde nichts: Am Ende saß die Hauptstadt im Lockdown, der Tanz auf dem Vulkan musste leider ausfallen. Der deutsch-holländische Entertainer Sven Ratzke (47), seit Jahren zu Hause auf den Bühnen Berlins, holt das jetzt nach: Mir seiner neuen Show will er die wilde Seite von Berlin noch einmal ans Tageslicht holen. Und zugleich vor dem warnen, was nach den 20er-Jahren schon einmal blühte.
„Tanz auf dem Vulkan“: Neue Show soll eine Hymne auf die Stadt Berlin werden
Entertainer Sven Ratzke stand auch in Berlin schon in unzähligen Rollen auf der Bühne. Er spielte die Punk-Braut Hedwig im Musical „Hedwig and the Angry Inch“, hauchte den Songs von David Bowie in seinen Shows „Starman“ und „Where Are We Now“ neues Leben ein. Und brachte mit „Marlene“ eine Show über die Dietrich auf die Bühne, die seit Jahren läuft. „Alles, was ich gemacht habe, hat irgendwie auch mit Berlin zu tun“, sagt Ratzke dem KURIER.

Denn die Hauptstadt ist im Laufe der Jahre zu seinem zweiten Zuhause geworden. „Ich liebe an dieser Stadt, dass man hier immer wieder Neues entdecken kann“, sagt Sven Ratzke dem KURIER. „Dass man in Berlin sagt: Das kenne ich schon – das gibt es hier eigentlich nicht. Man kann hier auf einer großen Straße stehen und trotzdem ganz allein sein.“ Dann gebe es wieder Ecken mit viel Lärm. Ecken, an denen „die ganzen Verrückten“ unterwegs sind, sagt er. „Berlin war für mich auch immer eine Stadt, die ihre Wunden offen zeigt. Das Berliner Publikum ist besonders! Die gehen nicht einfach so mit. Aber wenn du sie einmal hast, dann bleiben sie für immer.“
Theater-Star Sven Ratzke liebt Berlin und die Eigenarten der Stadt
Nun habe er darum eine Hymne an Berlin auf die Bühne bringen wollen. „Es ist natürlich auch ein Klischee, das über die 20er-Jahre zu tun“, sagt Ratzke. „Ich schwimme aber nicht nur in Nostalgie, sondern entführe die Gäste auch in meine eigenen Phantasiewelten. Denn das Berlin der 20er-Jahren gibt es heute nicht mehr, nur noch die Schatten davon.“ Natürlich sei auch in der damaligen Zeit nicht alles schön gewesen. „Es gab Armut und Inflation. Aber es gab eben auch die Freiheit, sich zu entfalten und so zu leben, wie man es wollte.“
Für „Tanz auf dem Vulkan“ hat Ratzke berühmte Lieder des Komponisten Kurt Weill neu arrangiert – gespielt werden sie von einem kleinen Streichquartett namens Matangi. Lieder wie „Surabaya Johnny“, „Die Zuhälterballade“ und natürlich das berühmte „Moritat von Mackie Messer“. Der Entertainer erzählt dazu Geschichten, wie es Fans aus seinen Shows kennen. Gleichzeitig schwingt auch beim „Tanz auf dem Vulkan“ mit, was nach den 20er-Jahren kommen sollte – wie es auch in Shows wie „Cabaret“ im Tipi am Kanzleramt und bei „Berlin Berlin“ im Admiralspalast ist. „Wir sind ein kleines Orchester, wie auf der Titanic“, sagt Ratzke. „Die Welt geht unter. Trotzdem spielen und spielen wir.“

Neue 20er-Jahre-Show soll auch vor der Zerstörung durch die Nazis warnen
Den Zeigefinger will er aber nicht erheben, sagt Ratzke. „Wir erteilen auf der Bühne keinen Geschichtsunterricht.“ Manchmal müsse man die Zuschauer aber etwas anstoßen. Menschen, die die Machtergreifung der Nazis in den 30er-Jahren erlebten, hätten oft gesagt: Es ging Schritt für Schritt, es ist uns einfach widerfahren. „Das sind Dinge, die wir heute auch sehen können. Damals durften die Leute auf einmal keine Bücher von Erich Kästner und Thomas Mann mehr lesen. Heute wird veranlasst, dass die Show von Jimmy Kimmel aus dem Programm fliegt.“ Den Teil der Geschichte dürfe man nicht vergessen. „Das Leben vieler Menschen wäre anders gewesen, wenn die Nazis nicht so vieles zerstört hätten“, sagt Ratzke.
Doch die neue Show soll eben auch die Stimmung der 20er-Jahre zu neuem Leben erwecken. Die Ausschweifungen der damaligen Zeit auf die Bühne bringen, die Phantasie anregen. „Berlin ist einfach die Stadt der Nacht“, sagt Ratzke. „Hier kann man viel mehr erleben als in Amsterdam – und die Nächte enden oft erst beim Frühstück.“ Wo endete sein letztes Abenteuer im rauschenden Berlin? „Ich arbeite sehr viel, ich kann es mir nicht mehr leisten, darf am nächsten Tag nicht verkatert sein“, sagt Ratzke und lacht. „Die Shows verlangen sehr viel von einem. Zudem steht hinter mir ein ganzes Team – und ich muss ein gutes Vorbild sein.“