Union-Kolumne

Eisernes Universum steht Kopf: Zehn Tage, die die Welt des 1. FC Union erschüttern!

Zwischen Mainz und Mainz: Nach dem 4:1 zum Saisonstart gegen die Rheinhessen war die eiserne Welt schwer in Ordnung. Inzwischen ist sie arg durchgeschüttelt.

Teilen
Erleben eine harte Bundesligasaison mit verdammt viel Frust: Die Profis des 1. FC Union. 
Erleben eine harte Bundesligasaison mit verdammt viel Frust: Die Profis des 1. FC Union. Jan Huebner/imago

Zehn Tage sind es, die einst die Welt erschütterten. Zumindest hat John Reed, amerikanischer Journalist und Autor, es in seinen berühmten Augenzeugenberichten und Reportagen von der Russischen Revolution so empfunden. „Im Kampf waren meine Sympathien nicht neutral“, schreibt er, „aber in meiner Schilderung der Geschichte dieser großen Tage habe ich versucht, die Ereignisse mit den Augen eines gewissenhaften Reporters zu sehen, der nichts anderes will als die Wahrheit zu schreiben.“ 102 Jahre ist es her, dass Reeds Werk in deutscher Erstausgabe erschien, aktuell aber ist es bis heute.

Ex-Unioner Kevin Behrens traf gegen Mainz dreimal

Ganz so schnell, in zehn Tagen, ging es für den 1. FC Union nicht, dass seine Welt erschüttert wurde, auch weil der russische Weg aus dem Feudalismus hin zum gewollten Kommunismus mit dem der Eisernen in die Bundesliga in keiner Weise zu vergleichen ist. Auch sind die Erschütterungen ganz anderer Art. Schließlich kamen die Köpenicker von einem durchaus gepolsterten Platz aus der zweiten Liga, und sie beließen es nicht nur dabei, an die Tür zur Champions League zu klopfen, sondern bekamen sogar Einlass.

Nur um nun vielleicht doch wieder abzuschmieren? Um den Weg zurück nach unten anzutreten?

Vertessen und Bedia beim 1. FC Union gefordert

Siebzehn mal zehn Tage liegen zwischen dem 4:1 gegen Mainz zum Start in die laufende Saison und dem Rückspiel diesen Mittwoch. Nicht alle von diesen Tagen haben den 1. FC Union erschüttert, viele aber schon. Verdammt viele. In dieser für die Entwicklung eines Vereins zeitlich derart kurzen Spanne ist im Union-Universum ganz viel auf den Kopf gestellt worden und noch mehr ist passiert. Das Wenigste davon war gut: Trainer weg, dafür Trainer da, der arg ins Fettnäpfchen getreten ist; Spieler weg, die nicht weg sein sollten, dafür Spieler da, die nicht in der Lage sind zu beweisen, dass sie auf die Schnelle helfen können. So ist die Mannschaft lange schon nicht mehr die von damals und der Verein wahrscheinlich auch nicht.

Union-Präsident Dirk Zingler (59, r.) verfolgte die 0:2-Pleite bei RB Leipzig mit dem gesperrten Cheftrainer Nenad Bjelica (52, M.) auf der Tribüne.
Union-Präsident Dirk Zingler (59, r.) verfolgte die 0:2-Pleite bei RB Leipzig mit dem gesperrten Cheftrainer Nenad Bjelica (52, M.) auf der Tribüne.Matthias Koch/imago

Was waren sie vor einem halben Jahr stolz über den deutlichen Sieg. Drei Tore von Kevin Behrens standen in der Spielstatistik, alle drei mit dem Kopf erzielt. Das zweite Mal erst nach Joel Pohjanpalo war es, dass einer im Union-Dress innerhalb von neunzig Minuten einen Dreierpack abgeliefert hat. Richtig getroffen hat danach niemand mehr. Robin Gosens, damals erst zaghaft dabei, ein Eiserner zu werden und eher in der Defensive verortet denn im Strafraum des Gegners, ist mit vier Treffern ihr Bester. Von 18 Saisontoren sind fast die Hälfte, sieben (Kevin Behrens mit vier, dazu Milos Pantovic, Leonardo Bonucci und David Datro Fofana) sind es, nicht mehr da. Ob Yorbe Vertessen und Chris Bedia in die Bresche springen, ist mit dem einen oder anderen Fragezeichen versehen.

Kevin Vogt tut dem 1. FC Union gut

In die Annalen eingegangen ist auch, dass Frederik Rönnow an jenem 20. August gleich zwei Elfmeter gehalten hat. Beide von Ludovic Ajorque. Rönnow, im Kasten eigentlich unantastbar, fiel beim 0:2 jüngst in Leipzig erkrankt aus. Wenigstens bewies Alexander Schwolow, dass mit ihm immer zu rechnen ist. Eine kleine Unsicherheit bleibt bei einem Torhüter aber immer.

Was Hoffnung macht, ist die zurückgewonnene Stabilität in der Abwehr. Der Schachzug mit Kevin Vogt als neuem Chef der Defensive scheint aufzugehen. Die beiden Niederlagen mit ihm im dortigen Zentrum, vor dem 0:2 in Leipzig war es das 0:1 in München, passierten gegen zwei Teams, die in der kommenden Woche im Achtelfinale in Europas Königsklasse dabei und damit alles andere als Laufkundschaft sind. In Freiburg (0:0) und zu Hause gegen Darmstadt (1:0) stand mit dem 1,94-m-Hünen die Null.

Gelingt dem 1. FC Union in Mainz die Wende?

Union-Trainer Nenad Bjelica verliert während des Spiels beim FC Bayern die Nerven, greift Leroy Sané zweimal ins Gesicht und fliegt vom Platz. 
Union-Trainer Nenad Bjelica verliert während des Spiels beim FC Bayern die Nerven, greift Leroy Sané zweimal ins Gesicht und fliegt vom Platz. Sven Simon/imago

Vielleicht hilft auch eine Erinnerung an einen Tag, der noch viel länger zurückliegt als das 4:1 zu Saisonbeginn: Erstes Jahr für den 1. FC Union in der Bundesliga, 11. Spieltag, 3:2 in Mainz und der erste eiserne Auswärtssieg. Zweifacher Torschütze für die Köpenicker: Sebastian Andersson. Dreimaliger Vorlagengeber (auch beim Eigentor zuvor von Brosinski): Christopher Trimmel. Ohne Rot in Leipzig hätte es wieder was werden können. So müssen es die Eisernen ohne ihren Capitano richten. Sollten sie es packen, wäre es schon eine Gaudi zu erfahren, was Trimmel sich im Fall eines Sieges für sein Team Dankbares ausdenken würde.

Zehn Tage liegen zwischen dem Dreier zu Hause gegen Darmstadt und dem Nachholspiel in Mainz. Zehn Tage zwischen den vielleicht wichtigsten Spielen der Saison. Zehn Tage, die für eine Reportage von John Reed eher nicht taugen. Dennoch zehn Tage, die die Welt der Eisernen weiterhin erschüttern, andererseits aber gut in die andere Richtung verändern könnten. ■