Union-Kolumne

Gosens und Bonucci: Wie viel Wechsel-Wirbel kann der 1. FC Union vertragen?

Nicht zum ersten Mal: Der Weggang eines Spielers mitten in der Vorbereitung auf das Spiel gegen St. Pauli stellt das System infrage. 

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Der eine kam, der andere ging am Deadline Day: Leonardo Bonucci (r.) und Robin Gosens (l.) sorgten beim 1. FC Union für viel Wechsel-Wirbel. 
Der eine kam, der andere ging am Deadline Day: Leonardo Bonucci (r.) und Robin Gosens (l.) sorgten beim 1. FC Union für viel Wechsel-Wirbel. Beautiful Sports/imago

Robin Gosens ist beim 1. FC Union Geschichte. Vorerst zumindest, für den großen Rest des gerade begonnenen Spieljahres. Ob der Mittelfeldmann jemals aus Florenz, aus der Toskana, nach Köpenick zurückkehrt, steht in den Sternen. Spuren hat der Nationalspieler, der erste, der als Eiserner für das A-Team des DFB auflief, wohl hinterlassen. Es hätten jedoch gern markantere sein dürfen. Sowohl nach seinem als auch nach Geschmack des Vereins. Mit sechs Treffern in der Bundesliga war er im Vorjahr zwar bester Schütze der Köpenicker, nur ist das eher eine zweifelhafte Ehre.

1. FC Union: Wechsel von Robin Gosens wirft Fragen auf

Im Normalfall hätte ihm der eine oder andere nominelle Offensivspieler deutlich den Rang ablaufen müssen. Das ist nicht Gosens‘ Schuld. Nur wird das Dilemma, in dem die Eisernen im Vorjahr steckten und aus dem auch ihr umtriebiger Linksfuß sie nie richtig befreien konnte, damit nur umso deutlicher. Am bittersten musste Gosens selbst es mit der Ausbootung für die Heim-Europameisterschaft erfahren.

Sein Weggang, so oft und so heftig damit auch in den vergangenen Wochen, ja Monaten, spekuliert worden war und so spektakulär er sich am Ende zeigte, wirft dennoch einige Fragen auf. Und zwar am System. Dreieinhalb Stunden vor Anpfiff des ersten Heimspiels der Saison, der mit Ach und Krach gewonnenen Partie gegen St. Pauli, war der Deal erst klar. Auf den letzten Drücker. All das platzte in die unmittelbare Spielvorbereitung – Gosens sollte in der Startelf auflaufen – hinein. In eine Phase, in der sich eine Mannschaft gedanklich schon halbwegs in den Tunnel begibt. Wer da stört, ist normalerweise unten durch.

Deadline Day hält nicht nur den 1. FC Union in Atem

Auch andere Wechsel gehen am Deadline Day (was für ein blödes Wort für den letzten Tag der Sommer-Transferperiode) über die Bühne. Manches Mal hat es dann auch nicht mehr geklappt, weil, wie einst bei einem eigentlich schon in trockenen Tüchern gewähnten Transfer des damals 21-jährigen Eric Maxim Choupo-Moting vom Hamburger SV zum 1. FC Köln ein Defekt am Faxgerät dazwischenfunkte. So hat Choupo-Moting zwar später für Nürnberg gespielt und für Mainz, für Schalke und für Stoke City, für Paris St.-Germain und für Bayern München – aber nie für Köln.

Unions Cheftrainer Bo Svensson (45) hätte gern auch in Zukunft mit Robin Gosens (30) zusammen gearbeitet. 
Unions Cheftrainer Bo Svensson (45) hätte gern auch in Zukunft mit Robin Gosens (30) zusammen gearbeitet. Contrast/imago

Die Vereine mögen das anders sehen, schließlich haben Transfers am letzten möglichen Tag Hochkonjunktur. Für manchen Geschmack jedoch hat das ziemlich viel von Geschachere, von Spieler-Hin-und-Herschieberei in der Hoffnung und angesteckt von der allgemein verbreiteten Dynamik (die hier und da an Aktionismus grenzt) des Tages, Versäumtes zu kaschieren und auf Teufel komm raus doch noch den Deal des Jahres zu stemmen. Allzu oft endet so etwas auch in Enttäuschung, ja Ernüchterung.

Leonardo Bonucci spielte nur fünf Monate für den 1. FC Union

Welch Aufmerksamkeit erhielten vor genau einem Jahr die Eisernen dafür, mit Leonardo Bonucci (37) einen damals aktuellen Europameister und einen 121-maligen italienischen Nationalspieler ins Stadion An der Alten Försterei geholt zu haben. Nur sieben Spiele in der Bundesliga und drei in der Champions League später, davon nur vier über die volle Distanz, war das Intermezzo nach lediglich fünf Monaten beendet. Missverständnis mag dafür noch ein smartes Wort sein.

Zurück zu Gosens. Ihm gelang nur 48 Stunden nach seinem angeblich tränenreichen Abschied aus Köpenick in Florenz ein Kopfballtor. So etwas kann er ja. Schön für ihn und schön für Florenz, weil es dadurch zum 2:2 gegen Monza reichte. Der Grund, warum Gosens um seinen Wechsel bat, soll ein persönlicher gewesen sein. Sollte es tatsächlich so sein, kann man den 1. FC Union zu seinem menschlichen Handeln nur beglückwünschen.

1. FC Union: Profifußball ist ein Haifischbecken

Andererseits ist Bundesliga-Fußball Hochleistungssport. Dort herrschen knallharte Gesetze. Haifischbecken und so, Konkurrenzkampf nicht nur mit Ellbogen und Grätschen, Sie wissen schon. Zumal es um ganz viel Zaster geht. Zudem gibt es Verträge, die hier von Managern und Präsidenten, dort von Spielern im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte unterschrieben werden. Davon zumindest ist auszugehen.

Vielleicht kommt demnächst jemand und möchte seinen Vertrag mit einem Kreditinstitut auflösen. Aus persönlichen Gründen, einfach mal so. Jeder Bänker sollte dafür doch bitte Verständnis aufbringen. Strafzinsen? Ach wo, lassen wir, weil Sie so ein netter Mensch sind und uns derart höflich gebeten haben, unter den Tisch fallen. Oder ist die Welt, so böse sie manchmal daherkommen mag, doch ein Ponyhof? Die meisten von uns haben es wahrscheinlich nur noch nicht bemerkt.