Union-Kolumne

Gefahr für Harry Kane: Verkehrte Welt beim 1. FC Union!

Danilho Doekhi und Rani Khedira glänzten zuletzt außerhalb ihrer Kernkompetenz. Ähnliches trifft auf Andrej Ilic und Tom Skarke zu

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Super-Stürmer Harry Kane bricht beim FC Bayern München einen Rekord nach dem anderen. Doch Union-Verteidiger Danilho Doekhi (r.) ist ihm auf den Fersen.
Super-Stürmer Harry Kane bricht beim FC Bayern München einen Rekord nach dem anderen. Doch Union-Verteidiger Danilho Doekhi (r.) ist ihm auf den Fersen.IMAGO/Marco Steinbrenner/DeFodi Images

Wenn Verteidiger Tore erzielen und Angreifer hinten welche verhindern, mag mancher darin eine verkehrte Fußballwelt sehen. Für andere ist es der Inbegriff einer modernen Spielidee. So wie es dem 1. FC Union vorigen Freitag beim 3:1-Erfolg über Borussia Mönchengladbach auf eindrucksvolle Weise gelungen ist. Zwei Tore durch Danilho Doekhi, den rechten Außenverteidiger, eines durch Rani Khedira, vor der Abwehr in Personalunion Ab- und Aufräumer, Zerstörer und Aufbauer.

Für Doekhi geht eine muntere Serie weiter, auf die nicht viele Defensivspieler verweisen können. Auch in seiner vierten Spielzeit in Köpenick hat er getroffen. Zunächst in einer Saison fünf-, dann zweimal. In der vorigen einmal und nun schon wieder doppelt. In der Summe ist das nunmehr zweistellig. Neu ist lediglich, dass er beim zwischenzeitlichen 2:0 gegen Mönchengladbach nach neun Kopfballtoren erstmals per Fuß erfolgreich war. Es wäre auch viel schwerer gewesen, mit dem Kopf in die Nähe der Grasnarbe zu kommen, um den nach feiner Einzelleistung von Ilyas Ansah vom Pfosten zurückgekommenen Ball vor Borussia-Keeper Moritz Nicolas über die Linie zu wuchten.

Danilho Doekhi trifft in jedem neunten Union-Spiel

Mit seinem neuesten Doppelpack ist Doekhis Trefferwahrscheinlichkeit leicht auszurechnen. Bei genau 90 Spielen trifft er damit im Durchschnitt in jeder neunten Partie. Für einen auf seiner Position hat die Quote hohes Niveau. Die meisten Mittelfeldspieler würden darauf stolz sein. Als Doekhi im TV-Interview gefragt wurde, wie viele Treffer er sich für diese Saison noch vorgenommen hat, hatte er selbst auf diese gerade für einen Abwehrspieler eigentlich untypische Frage mit einem frappierenden Lächeln geantwortet: „Es gibt keine Anzahl, aber so viele wie möglich.“ Mit ein wenig mehr Schlagfertigkeit hätte er auch sagen können, dass sich Harry Kane ab jetzt oder spätestens in der Rückrunde etwas wärmer anziehen möge.

Ein Verteidiger wird zum Stürmer: Unions Danilho Doekhi (l.) traf beim 3:1 gegen Mönchengladbach gleich doppelt.
Ein Verteidiger wird zum Stürmer: Unions Danilho Doekhi (l.) traf beim 3:1 gegen Mönchengladbach gleich doppelt.IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Eines jedenfalls ist klar: Bisher war auf den Holländer nicht nur hinten Verlass. So wie auf Rani Khedira auch. Der hat, wie Doekhi, auch gerade sein zehntes Tor in der Bundesliga erzielt (wenn auch seine ersten sechs für Augsburg), trifft aber, weil er bereits 262 Spiele im Oberhaus bestritten hat, trotzdem deutlich seltener als der. Seine Kernkompetenz ist ja auch eine völlig andere. Er soll möglichst vielen anderen den Rücken freihalten, ab und an aber doch nach vorn aufrücken. Auch beschäftigt ihn bei eigenen Standards das Thema Restverteidigung viel stärker als den ausgemachten Kopfballspezialisten, der bei solchen Gelegenheiten lieber den Weg in den gegnerischen Torraum sucht.

Nur Ansah und Burke sorgen beim 1. FC Union für Stürmer-Tore

Während nunmehr vier der elf Saisontreffer auf gelernte Defensivspieler gehen (außer Doekhi und Khedira hat auch Tom Rothe getroffen), verteilen sich die übrigen sieben auf die Angreifer – allerdings ziemlich ungleichmäßig. Während mit Ilyas Ansah (4) und Oliver Burke (3) die beiden Neuen ganz gut dabei sind, Burke außer seinem Ausreißer beim 4:3 in Frankfurt allerdings Luft nach oben hat, fühlen sich Andrej Ilic und Tim Skarke von ihrem Torriecher derzeit im Stich gelassen. Skarke hat in der Bundesliga zwar schon getroffen, als Leihspieler für Schalke (1) und Darmstadt (8), aber für die Eisernen in 42 Bundesligaspielen nicht.

Dafür könnte für ihn (vielleicht?) eine etwas andere Perspektive Sinn ergeben. Bei seinen fünf Einsätzen als Joker im bisherigen Saisonverlauf (gegen Borussia stand er erstmals in der Startelf) kam er zweimal für Christopher Trimmel in die Partie. Deutet sich da eventuell etwas an? Dass er hinten aushelfen kann, hat er längst bewiesen. Auch macht ihm im Tempo kaum jemand etwas vor. Mit einem Topspeed von 35,1 km/h war er zuletzt der mit Abstand schnellste Mann auf dem Feld. Das könnte, nur mal ganz weit in die Ferne geschaut, nicht die schlechteste Voraussetzung dafür sein, eines Tages den Capitano auf dessen rechter Flanke zu beerben.

1. FC Union: Andrej Ilic trifft nich, aber ...

Mit Andrej Ilic hat diesen Plan niemand. Der 1,89-m-Mann geht bei 90 Kilo eher als Typ Brecher durch. Sein Plus ist manchmal auch sein Minus, denn seine Statur macht ihn bei gegnerischen Standards auch im eigenen Strafraum wertvoll. Nur werden Leute wie er eher an geschossenen als an verhinderten Toren gemessen. Das ist nicht immer fair, aber einfach.

Sein Trost und der von Tim Skarke mag sein: Ob verkehrte Fußballwelt oder moderne Spielidee – zum erfolgreichen Ausgang gehört heutzutage immer beides.