Union-Kolumne

Eiserne Magie: Janik Haberer hätte nie für den 1. FC Union treffen dürfen!

Auf der letzten Rille katapultierte er Union mit seinem ersten Saisontreffer in den siebten Himmel. Doch wie kam es dazu?

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Janik Haberer (30) wurde mit seinem Tor gegen Freiburg zum Held des 1. FC Union. 
Janik Haberer (30) wurde mit seinem Tor gegen Freiburg zum Held des 1. FC Union. Contrast/imago

Wer kennt sie nicht, die Ansage, die kommt, wenn im Training beim Abschlussspiel oder auf dem Bolzplatz ein Team deutlich überlegen ist und, um den hoffnungslos unterlegenen Gegner zu einem letzten erfolgreichen Angriff zu motivieren und ihm ein unvermutetes Glücksgefühl einzuräumen: „Wer das letzte Tor schießt, gewinnt!“

Das mit dem letzten Tor gilt natürlich nicht für Wettkämpfe und allgemein nicht für wichtige Partien. Irgendwie stimmt es aber sogar für WM-Endspiele. Elfmeterschießen inbegriffen, ist in der fast hundertjährigen Geschichte der Titelkämpfe ein Team, das das letzte Tor erzielte, nur zweimal nicht Weltmeister geworden: 1982 die Bundesrepublik Deutschland nach einem 1:3 gegen Italien und 2018 Kroatien nach einem 2:4 gegen Frankreich. Ansonsten stimmt das ungeschriebene Gesetz des letzten Tores auch hier. Es trifft selbst auf das letzte Gruppenspiel 1950 zu, als es kein ausgemachtes Endspiel gab, die Partie zwischen Uruguay und Brasilien dennoch einem solchen entsprach.

1. FC Union gewinnt alles, was es zu gewinnen gab

Die Magie des letzten Tores kennt nun auch jeder Anhänger des 1. FC Union. Eigentlich war die Spielzeit gegen den SC Freiburg vorbei und die Eisernen mit dem 1:1 in der Relegation. Überall lief die Nachspielzeit. Doch ein Treffer fiel nirgendwo mehr – nur im Stadion An der Alten Försterei. Wie eng es war, weil Kevin Volland seinen Elfmeter nicht ins Tor brachte, haben alle Eisernen danach hinlänglich diskutiert. Wie eng es zudem für Janik Haberer war, der von allen in den Strafraum stürmenden Spielern den weitesten Weg zum Ball hatte, will sich am liebsten niemand, der die rot-weiße Brille trägt, vorstellen. Es könnte schockartig enden. In diesem Augenblick war der Fußball-Gott mal wieder richtig eisern.

Alles, was es für den 1. FC Union am letzten Spieltag dieser Saison zu gewinnen gab, haben die Eisernen in dieser einen Sekunde gewonnen! Alles! Mit ihrem letzten Tor in dem für sie so ungemein holprigen Spieljahr. Mit dem 985. Tor überhaupt in dieser Saison. Ein Happy End auf der letzten Rille. In diesem Moment war klar: Mehr! Ging! Nicht!

Janik Haberer erstes Saisontor für den 1. FC Union

Es ist schier unglaublich, was für Geschichten sich um diesen abschließenden Augenblick ranken. Da ist erst einmal Haberer. Natürlich er. Kaum gespielt hat er in der Rückrunde. Es war seine siebte Partie erst. Nur eine davon, beim 1:1 in Mainz, ging über die volle Spielzeit. Noch verrückter ist, dass er bis in eben diese Nachspielzeit kein Tor erzielt hatte in dieser Saison. Dann gelingt es dem ehemaligen Freiburger auch noch gegen die Männer aus dem Breisgau und deren scheidenden Trainer Christian Streich, unter dem Haberer sechs Jahre gespielt hat. Wenn da der Fußball-Gott seine Hände nicht im Spiel hat, wann dann?

Da sind auch zwei verschusselte Elfmeter. Wer sich in einem Alles-oder-nichts-Spiel einen derartigen zweifelhaften Luxus leistet, muss entweder des Wahnsinns nahe, dazu von allen guten Geistern verlassen und außerdem selbstzerstörerisch veranlagt sein. Mit Elfmetern haben es die Eisernen schon Jahre nicht mehr so. Zumindest nicht nach Max Kruse.

Werder Bremen und 1. FC Union sind quitt

Nicht zuletzt ist da Werder Bremen. Ohne die Schrittmacherdienste aus dem Norden wäre all das nichts. Nur gut, dass das Team von der Weser bis zuletzt die Mini-Chance besaß, sich für Europa zu qualifizieren. Um eine Winzigkeit, um zwei Tore, hat es die, einen Pokalsieg von Bayer Leverkusen vorausgesetzt, verpasst. Nichts gegen den grandiosen Aufsteiger Heidenheim, der nun darauf lauern darf, aber durch die dankbare Union-Brille geschaut eigentlich schade. Als es am Ende ihres Premierenjahres in der Bundesliga für die Eisernen um nichts mehr ging, leisteten sie den Grün-Weißen mit einem 3:0 über Fortuna Düsseldorf wertvolle Unterstützung. Wenn man so will, sind beide nunmehr wenigstens quitt.

Im wahrscheinlich schönsten Augenblick des Spieljahres, dem erlösendsten jedenfalls, hat mancher sich 36 Jahre zurückversetzt gefühlt. 1988, Karl-Marx-Stadt. 3:2 und Klassenerhalt in letzter Minute. Die Geburt des Fußball-Gottes schlechthin. Auch der scheint sich in der eisernen Not an den magischen Moment von damals erinnert zu haben. Nur hat er es mit der Nachspielzeit und den Elfmetern diesmal noch deutlich bunter getrieben. Zu oft sollten die Männer aus Köpenick diesen mystischen Herrn jedoch nicht bemühen. Die Nerven aller und der Herzschlag vieler werden es danken.■