Zuletzt hatte es nicht einmal Urs Fischer geschafft. Dabei haben die Spieler des 1. FC Union dem Schweizer alsbald alles geglaubt, auch sind sie für ihn durchs Feuer gegangen. Ein nur halbwegs ähnliches Abschneiden wie in den ersten sechs Partien dieses Spieljahres mit elf Punkten und nur einer Niederlage hätte den langjährigen Erfolgstrainer vor einem Jahr nicht das Handtuch werfen lassen. Andererseits wäre es in Köpenick schwerlich zu einem Trainer Bo Svensson gekommen. Der wiederum ist nach hundert Tagen im Amt in Fischer-Dimensionen vorgedrungen.
100 Tage: Bo Svensson tut dem 1. FC Union gut
Hundert Tage – das ist die Marke, nach der üblicherweise eine erste Bilanz gezogen wird. Natürlich ist Tabellenrang 6 noch immer eine Momentaufnahme, gerade zu einem solch frühen Zeitpunkt. Die Nachbarschaft zu Doublegewinner Leverkusen (Bayer ist bei gleicher Punktzahl in der Tordifferenz lediglich um zwei Treffer besser), Champions-League-Finalist Dortmund (folgt mit einem Zähler Rückstand) und Vizemeister Stuttgart (einen weiteren Punkt dahinter) tut der im Vorjahr arg gebeutelten Union-Seele gut. Vor allem auch, weil mit dem 2:1 gegen den BVB nach einer gefühlten Ewigkeit endlich mal wieder ein Schwergewicht bezwungen wurde.
Mehr als eine erste Hochrechnung ist Svenssons 100-Tage-Bilanz jedoch nicht. Ein Trend ist zu erkennen, das schon. Nur ähnelt eine Saison eher einem Marathonlauf. Bei mancher Wahl steht der Sieger auch nicht 18.30 Uhr, dreißig Minuten nach Schließung der Wahllokale, fest. Verschiebungen, ob an der Spitze im Rennen um eine mögliche Kanzlerschaft oder sportlich um die Meisterschaft wie auch am Ende beim Hoffen auf das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde oder dem Erreichen des Klassenerhalts sind nicht ausgeschlossen.
1. FC Union: Bo Svensson legt die Latte hoch
Mit drei Siegen und zwei Unentschieden sowie dem wenn auch zittrigen Weiterkommen im DFB-Pokal jedenfalls hat Svensson die Latte hochgelegt. Die Brust ist breit, die Stimmung prächtig und das Selbstvertrauen gestärkt. Im Falle des Dänen kehren neue Besen tatsächlich gut.
Nicht immer war die Hundert-Tage-Bilanz eines neuen Trainers im Stadion An der Alten Försterei derart anheimelnd. Als Heinz Werner im Januar 1976 in der DDR-Liga übernahm, musste sich das Team um den damaligen Kapitän Joachim „Bulle“ Sigusch auch erst einmal finden. Fünf Siege, je zwei Remis und Niederlagen bei 12:6 Toren hatten kaum was von Fußball von einem anderen Stern, wenngleich am Ende, und nur darum ging es, der Aufstieg in die Oberliga stand. Werner ist längst Ehrenmitglied mit Kult-Status.
Union-Katastrophe macht Bilanz von Frank Pagelsdorf kaputt
Karsten Heine begann seine erste Trainertätigkeit in Köpenick im Frühjahr 1988 mit nur einem Punkt aus den ersten drei Spielen. Der einstige pfeilschnelle Angreifer ließ dem Stotterstart jedoch drei Siege am Stück folgen, um deutlich nach seinen ersten hundert Tagen mit dem alsbald zur Legende gewordenen 3:2 in Karl-Marx-Stadt einen Meilenstein in der Klubhistorie zu errichten.

Nicht zu überbieten ist Frank Pagelsdorf aus der Saison 1992/93. Zwar setzten die Eisernen den Start in der damaligen NOFV-Oberliga Mitte mit einem 0:2 bei Hertha Zehlendorf grandios in den Sand, danach aber folgten neun Siege. Nur weiß jeder, der sich auch nur ein winziges bisschen mit der Geschichte auskennt, dass das seinerzeitige Superjahr mit einer gefälschten Bankbürgschaft in einer Katastrophe endete.
Rafal Gikiewicz rettete die Urs-Fischer-Serie
Besser als Svensson war nicht einmal der große Hans Meyer 1995 in der Regionalliga Nordost. Dafür jedoch Georgi Wassilew, der in seinen ersten hundert Tagen ohne Niederlage blieb. Zum Aufstieg in die 2. Bundesliga reichte es trotzdem nicht. Auch Eckhard Krautzun (in der Regionalliga sieben Siege, je zwei Remis und Niederlagen) schaffte nicht den Sprung in den Profibereich. Aus dem musste sich der 1. FC Union dafür 2004 mit Aleksandar Ristic (nur ein Sieg aus neun Zweitligaspielen) sang- und klanglos verabschieden. Frank Wormuth, später zehn Jahre Leiter der Fußballlehrerausbildung an der Hennes-Weisweiler-Akademie des Deutschen Fußball-Bundes, schaffte als Ristic-Nachfolger (ganze zwei Siege, aber sieben Niederlagen in zehn Regionalligaspielen) nicht einmal hundert Tage.
Zurück zu Urs Fischer. Der schloss die neun Punktspiele in seinen ersten hundert Tagen ungeschlagen ab – beim denkwürdigen 1:1 gegen Heidenheim am 7. Oktober 2018 köpfte Schlussmann Rafal Gikiewicz in der vierten Minute der Nachspielzeit den Ausgleich, wahrte Fischers Nimbus und hielt die Eisernen hinter dem 1. FC Köln auf Tabellenrang 2. Nur war das damals in der Zweiten Liga.