Jeder kennt die Behauptung, die da heißt: Meister werden ist nicht schwer, Meister sein dagegen sehr. Niemand will damit weismachen, dass es leicht sei, den Thron zu erklimmen. Wem das gelungen ist, der darf stolz sein und sich durchaus etwas darauf einbilden. Nur besagt der tiefere Sinn, dass es deutlich anspruchsvoller ist, das Erreichte auf möglichst hohem Niveau zu halten oder es sogar zu steigern. Deshalb kommt diese Weisheit auch meist von jemandem, der beides kennt. Der auf dem Gipfel war und dem es später trotz aller Anstrengungen nicht vergönnt war, dem eigenen Erfolg das Sahnehäubchen aufzusetzen.
Der 1.FC Union kennt das aus eigenem Erleben. So ähnlich muss es sich angefühlt haben, zuerst den Schlüssel für Europas Königsklasse zu finden, um nur Monate später in den Niederungen der Liga zu schmoren. Es ist immer ein Graus, von oben zu kommen, dann aber irgendwie doch abzuschmieren. Schön ist das nicht, auch hebt dafür niemand freiwillig den Finger. Und doch kommt es immer wieder vor. Im Großen wie im etwas Kleineren. Bei Teams und bei einzelnen Spielern. Gern nennt man so etwas Eintagsfliegen.
Jordan Siebatcheu schien anfangs beim 1. FC Union alles zu treffen
Spieler, denen so etwas oder Ähnliches widerfahren ist, kennen sie auch in Köpenick. Man nennt es auch Fluch der Debüt-Tore. Jordan Siebatcheu etwa schien, als er vor zweieinhalb Jahren von Young Boys Bern kam, anfangs alles zu treffen und die Gegner in Grund und Boden zu schießen. Urplötzlich aber nicht mehr. Es schien, als ob jemand den Stecker gezogen hätte. Als er zu Beginn dieses Spieljahres von seiner Ausleihe aus Mönchengladbach zurückkehrte, war es völlig aus. Kein Tor in 20 Spielen, nur eine direkte Torvorlage. Bei ihm trifft es das mit den ersten Pflaumen auf den Punkt. Allerdings erwischte es ihn, nachdem er in der vorigen Woche zu seinem Jugendverein Stade Reims zurückging, dort noch viel bitterer. Bei seinem Debüt im Pokalspiel gegen Fünftligist Bourgoin-Jallieu zog er sich eine Knieverletzung zu und wird wochenlang fehlen.
Oder nehmen wir Kevin Behrens. In der vorigen Saison mit vier Treffern in den ersten beiden Spielen wie ein Komet gestartet und kurz sogar im Nationalteam gelandet, war danach der Ofen aus: kein Tor mehr in seinen letzten 16 Spielen für die Eisernen. Flucht nach Wolfsburg, dort aber gelangen ihm in nunmehr 24 Einsätzen auch nur zwei Tore. Eine Nummer kleiner macht es Laszlo Benes. Seine Punktspielpremiere für die Rot-Weißen zu Saisonbeginn in Mainz krönte er als Joker mit dem Tor zum 1:1-Endstand. Das ist in 13 Spielen aber auch alles gewesen.

Derartige Fälle lassen sich sogar auf internationaler Ebene finden. Konrad Weise, in den 1970er-Jahren beim FC Carl Zeiss Jena und aus dem Nationalteam der DDR kaum wegzudenken, erzielte bei seinem Länderspieldebüt als gerade 18-Jähriger ein Tor. Danach ewig nicht mehr und in weiteren 85 Länderspielen nur noch ein weiteres. Dabei war er 1974 WM-Teilnehmer (schaltete in Hamburg beim legendären 1:0 gegen Franz Beckenbauer & Co. sogar Gerd Müller aus), 1976 Olympiasieger und unter Trainerikone Georg Buschner eine Stütze der damaligen goldenen Auswahlgeneration. Allerdings darf man ihm zugutehalten, dass seine Kernkompetenz nicht darin bestand, Tore zu erzielen, sondern als knallharter Verteidiger welche des Gegners zu verhindern.

Marin Ljubicic legt beim 1. FC Union stark los
Damit wären wir bei Marin Ljubicic, mit ein wenig gutem Willen auch bei Andrej Ilic und dem jüngsten 4:0 bei der TSG Hoffenheim. Bei Ljubicic, erst 22 Jahre jung, könnte der Eindruck entstehen, dass er Debüt-Tore zu seinem Markenzeichen werden lässt. Bereits in Österreich ist ihm dieses Kunststück in der dortigen Bundesliga für den Linzer ASK bei einem 3:1 gegen Austria Klagenfurt gelungen und zuvor in seiner kroatischen Heimat für Hajduk Split mit dem goldenen 1:0 gegen Sibenik. Beim zweiten Mal war er 20, beim ersten Mal gerade 19 Jahre jung. Das spricht dann doch gegen Zufall. Dass Ilic bei seinem erst dritten Teileinsatz ebenfalls getroffen hat, macht die Sache nahezu rund.
Was indes auf Meistertitel zutrifft, trifft auf Tore beim Debüt erst recht zu. Jetzt heißt es, sich zu beweisen. Immer wieder aufs Neue. Woche für Woche. In jedem Spiel. Ob am kommenden Wochenende im Stadion An der Alten Försterei gegen Mönchengladbach oder eine Woche später in Dortmund, ob dann gegen Kiel, in Frankfurt und auch gegen die Bayern. Konstanz ist das Zauberwort. Die erst macht einen Torjäger aus.


