Union-Kolumne

1. FC Union: Eiserner Glaube an das Wunder gegen Real Madrid

Ein schöneres Ende der Champions-League-Saison als das Heimspiel gegen die Königlichen hätte es für den 1. FC Union nicht geben können. Mit etwas Glück vielleicht aber doch.

Teilen
Können endlich wieder lachen und singen: Die Profis des 1. FC Union wollen nach dem Sieg gegen Gladbach das Wunder gegen Real Madrid.
Können endlich wieder lachen und singen: Die Profis des 1. FC Union wollen nach dem Sieg gegen Gladbach das Wunder gegen Real Madrid.City-Press

Es ist ganz egal, wie es heute Abend ausgeht, dieser 12. Dezember 2023 bleibt auf jeden Fall ein goldenes Datum für die Geschichtsbücher des 1. FC Union. Heimspiel in Europas Königsklasse; Rekordgewinner Real Madrid ist zu Gast; wie selbstverständlich ist das in Union-Rot getauchte Olympiastadion ausverkauft; wenn auch ein letztes Mal, so wird dennoch die Champions-League-Hymne erklingen; außerdem glimmt ein ganz winziges Fünkchen für das Überwintern in Europa.

Was hätte diese Hammer-Partie für Stoff zum Träumen geboten. Unter leicht anderen Voraussetzungen natürlich. Hätten die Eisernen im Estadio Santiago Bernebéu nur nicht in allerletzter Nachspielsekunde verloren, wäre die Partie gegen Braga nach einer 2:0-Führung nicht noch in die Hose gegangen, hätten die Neapolitaner in Berlin nicht mit ihrem einzigen Torschuss gewonnen, wäre in Braga bei einstündigem personellem Vorteil nur mehr Feuer in den eisernen Aktionen gewesen. Von der sportlichen Talfahrt, die mit einer Delle begann, sich zu einer handfesten Krise entwickelte und mit dem dramatischen Aus für Urs Fischer ihren Höhepunkt erreichte, ganz zu schweigen.

1. FC Union will Real Madrid ärgern

Um Bruder-Duelle hätte es gehen können. Um das zwischen Rani und Sami Khedira und das zwischen Felix und Toni Kroos. Na gut, der Union-Khedira spielt noch, der von Real längst nicht mehr. Der Union-Kroos kickt länger schon nicht mehr, der für die Königlichen dafür noch immer auf höchstem Niveau. Sami Khedira gewann mit Real 2014 die Champions League, Rani trägt dafür bei den Eisernen immer öfter die Kapitänsbinde. Toni Kroos triumphierte mit den Spaniern gleich viermal in der Königsklasse, Felix stieg mit dem 1. FC Union in die Bundesliga auf. Das hat in beiden Fällen, zugegeben, eine ziemliche Fallhöhe, nur verfallen die Köpenicker nicht dem Wahnsinn und wollen sich mit den einst Galaktischen ernsthaft messen. In den heutigen 90 Minuten (Vorsicht vor der Nachspielzeit!) aber schon.

Im Hinspiel in Madrid schlug sich der 1. FC Union wacker, verlor bei Real durch ein Tor in der Nachspielzeit 0:1.
Im Hinspiel in Madrid schlug sich der 1. FC Union wacker, verlor bei Real durch ein Tor in der Nachspielzeit 0:1.Ulrich Hufnagel/imago

Zu viel Hätte, Wenn und Aber, viel zu viel. Oder?

Real-Trainer Ancelotti erlebte im Osten sein Waterloo

Da ist nämlich auch Carlo Ancelotti, seit zweieinhalb Jahren zum zweiten Mal (zuvor zwei Spielzeiten bis 2015) Trainer des spanischen Rekordmeisters. Sein einschneidendstes Erlebnis mit einem Team aus Deutschlands Osten (wenn er es nicht sowieso weiß, muss ihm ja niemand stecken, dass die Eisernen genau hier ihre Wurzeln haben) hatte der 26-malige italienische Nationalspieler als Mittelfeldmann mit AS Rom in Thüringen. In Runde 1 des Europapokals der Pokalsieger bekam es das Team aus der Ewigen Stadt im Herbst 1980 mit dem FC Carl Zeiss Jena zu tun. Mit einem glatten 3:0 – neben Roberto Pruzzo und dem Brasilianer Falcao erzielte auch Ancelotti ein Tor – glaubten die Römer, bereits im Hinspiel das Polster fürs zügige Weiterkommen gelegt zu haben.

Am 1. Oktober erlebten sie im Ernst-Abbe-Sportfeld dennoch ihr Waterloo. Nach Toren von Andreas Krause und Lutz Lindemann lagen sie zur Pause bereits 0:2 zurück. Als schließlich Andreas Bielau, Wochen zuvor erst von Sachsenring Zwickau geholt und nach Eberhard Vogel, Jürgen Raab, Martin Trocha und Thomas Töpfer lediglich Stürmer Nummer 5, in die Partie kam, brachen alle Dämme hin zum epischen Ende. Bielaus Doppelpack zum 4:0 versetzte Ancelotti & Co. den Ko. und ebnete den Thüringern den Weg bis ins Finale.

Geht da was? 1. FC Union beendet Horror-Serie vor Real-Duell

Seitdem hat Ancelotti von den wichtigen Spielen nicht mehr so viele verloren, dafür umso mehr gewonnen. Meister und Cupsieger ist er in seiner Heimat als Spieler sowieso geworden und mit dem AC Mailand hat er an der Seite von Franco Baresi, Paolo Maldini, Marco van Basten, Frank Rijkaard und Ruud Gullit zweimal im europäischen Meistercup triumphiert. Das ist jedoch nichts gegen das, was er als Trainer gewonnen hat: viermal Champions League, Meister und Pokalsieger in Italien mit Milan, in England mit dem FC Chelsea und in Spanien mit Real, dazu mit Paris St.-Germain Meister in Frankreich und mit Bayern München 2017 in Deutschland. Noch Fragen?

Dann kommt ausgerechnet der kleine 1. FC Union als Königsklassen-Neuling, nachdem er gerade die höllische Serie von 16 sieglosen Pflichtspielen hinter sich gelassen hat und will dem Meister aller Klassen in die Suppe spucken? Geht nicht! Geht doch!! Auch wenn es heißen mag: vielleicht.

1. FC Union muss Hit gegen Madrid genießen

Eines sollte auf jeden Fall gehen: Gesicht zeigen und eisernen Charakter; mit Leidenschaft in die Partie gehen und das Herz auf dem Platz lassen; große Namen wie Toni Kroos, Luka Modric und Jude Bellingham ausblenden.

Vor allem aber sollen sie von Frederik Rönnow bis Kevin Behrens die 90 Minuten genießen. Mit einer großen Portion Glück hier wie in Neapel lugt dann vielleicht doch das Wunder um die Ecke.