Kolumne „Wir ♥ Tiere“

Horror-Wahl um Tauben: In Limburg sagt man „Ja!“ zum Töten

In der Stadt in Hessen sollten die Bürger jetzt darüber abstimmen, ob die Stadttauben per Genickbruch umgebracht werden dürfen.

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Am Sonntag entschieden die Wähler in Limburg über das Schicksal ihrer Stadttauben.
Am Sonntag entschieden die Wähler in Limburg über das Schicksal ihrer Stadttauben.Boris Rössler/dpa

Na, sind Sie am Sonntag ins Wahllokal spaziert, um sich an der Europawahl zu beteiligen? Ich fühle mich, wenn ich als Bürger dieses Landes an Wahlen teilnehmen darf, immer irgendwie besonders. Auch wenn meine Stimme nur eine von ganz vielen ist, so ist sie doch wichtig. Als ich das Wahllokal verlassen hatte, ging es mir gut. Doch nun frage ich mich: Ging es auch den Menschen in Limburg so? In der hessischen Stadt stand nämlich nicht nur die Wahl des Europaparlaments an – die Bürger sollten hier buchstäblich über Leben und Tod entscheiden.

In Limburg sollen Tauben künftig per Genickbruch getötet werden

In der Stadt gibt es schon seit einiger Zeit große Probleme mit Tauben. Nach langem Streit über die Frage, ob man die Schwierigkeiten mit den Vögeln bekämpfen kann, wenn man die Tiere gezielt tötet, durften nun die Bürger darüber abstimmen. Das Ergebnis: Die Mehrheit ist für Mord! Rund 53 Prozent gaben ihre Stimme dafür, dass die Vögel per Genickbruch umgebracht werden dürfen, die anderen 47 Prozent stimmten dagegen.

Das bedeutet: Den Tieren soll es künftig an den Kragen gehen: Schon im vergangenen Jahr wurde von der Stadtverordnetenversammlung mehrheitlich entschieden, dass ein professioneller Falkner die Tiere in eine Falle locken, sie betäuben und ihnen dann das Genick brechen darf. Das Ziel: Die Population soll eingedämmt werden. Doch natürlich gab es Widerstand von Umweltschützern und Tierschutzvereinen. Auch eine Petition wurde gestartet. Nun der Bürgerentscheid, bei dem die Bürger gefragt wurden, ob der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung aufgehoben werden soll. Das Urteil: Nein.

Sollten Tauben getötet werden? Darüber wurde in Limburg am Wochenende abgestimmt.
Sollten Tauben getötet werden? Darüber wurde in Limburg am Wochenende abgestimmt.Julian Stratenschulte/dpa

Ich frage mich dabei: Was ist bloß mit den Menschen los? Ich verstehe durchaus, dass die Vögel Probleme bereiten können. Dass sie viele Feinde haben – auch, weil sich etwa Gerüchte, dass sie Krankheiten übertragen können, noch immer hartnäckig halten. Der Berliner Tierschutzverein fragt dazu in einem Beitrag: „Hand aufs Herz: Wie viele Menschen oder Tiere kennen Sie, die an von Tauben übertragenen Krankheiten leiden oder gar gestorben sind?“ Ganz ehrlich: Ich kenne niemanden. Natürlich könne es bei Vogelzüchtern, die tagtäglich auf engstem Raum mit den Tieren arbeiten, passieren, dass sie etwa aufgrund von Federstaub Atemwegsprobleme bekommen. Doch wegen Tauben in der Stadt muss niemand um sein Leben fürchten.

Wie viele Tauben gibt es in Berlin – und wie groß ist das Problem in Limburg?

Viele Berliner können, wenn sie von Problemen mit Tauben hören, vermutlich nur mild lächeln. Denn auch hier sind die Vögel allgegenwärtig. Rechnet man pro Einwohner, ist das Problem in Limburg aber tatsächlich größer: Während sich in Berlin – hier gehen Schätzungen von 10.000 Stadttauben aus – 390 Einwohner eine Taube teilen müssen, haben in Limburg (700 Tauben) 48 Einwohner einen der Vögel für sich. Doch wie groß das Problem auch ist: Wir Menschen sind daran leider nicht ganz unschuldig.

Die meisten Stadttauben sind Nachfahren von Zucht-, Rasse- und Brieftauben – und haben so viel Nachwuchs, weil ihnen angezüchtet wurde, ganzjährig zu brüten. Und: Natürlich lassen sich die Vögel dort nieder, wo sie gut versorgt werden. Dort, wo die Menschen sind. Schließlich wollen sie nur eines: leben. Wie wir. Und ich stelle mir das Leben als Stadttaube generell alles andere als einfach vor. Doch das Recht zu Leben wird ihnen in Limburg genommen. Die andere Frage ist: Warum findet man keine anderen Lösungen?

Warum werden nicht, wie anderswo üblich, Taubenhäuser geschaffen, in denen man die Eier gegen Exemplare aus Gips austauscht, um die Population einzudämmen? Weil es Geld und Personal erfordert. Da geht man lieber den einfachen Weg – weil die Menschen es nicht hinbekommen, ein menschengemachtes Problem vernünftig zu regeln, leiden eben die Tiere. Dann bringt man sie eben um, mit einer kleinen Handbewegung. Und das ist für mich eine Ungerechtigkeit, die zum Himmel schreit. ■

Florian Thalmann schreibt jeden Mittwoch im KURIER über Tiere.
Kontakt per Mail: wirvonhier@berlinerverlag.com