Der 1. FC Union und dann ganz lange nichts. Zumindest, wenn es um König Fußball geht. Wer schon in der DDR mit Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner und Joachim Streich, Jürgen Croy und früher noch Peter Ducke gefiebert hat, der weiß: Die Eisernen in der Bundesliga – das ist eine ganz ungewöhnliche Geschichte. Hätte vor 35 Jahren einer gesagt, dass Union als einziger Klub mit einer Vergangenheit aus der DDR-Oberliga 2024 in der gesamtdeutschen Eliteklasse spielen würde, der wäre eingewiesen, als Ahnungsloser abgestempelt oder ganz allgemein nicht ernst genommen worden.
Diese Vorhersage gleicht dem Jackpot-Knacken im Lotto, Alles-auf-die Null-Setzen beim Roulette oder an der Börse mit einem Pennystock Millionär werden. Egal, welcher Vergleich hier hinkt. Union – das ist eines von wenigen Fußball-Erfolgsmärchen aus dem deutschen Osten. So wie im großen anderen Teil die Geschichte des FC Bayern München oder vom SC Freiburg. Nach oben kommen ist dabei viel leichter, als oben zu bleiben. So mancher Dino-Klub aus Ost und auch West kennt die Geschichten von Talfahrt bis zum freien Fall.
Im November 1989 spielt der 1. FC Union nicht im Konzert der Großen
Im November 1989 spielt der 1. FC Union mal wieder in der zweiten Liga der DDR. Zum Aufstieg fehlen im Mai 1990 als Zweiter der Staffel A sechs Punkte und ein paar Tore auf den FC Vorwärts Frankfurt/Oder.
In der letzten Saison des DDR-Fußballs ist der 1. FC Union also dort, wo es um die Wurst geht nicht dabei. Die Eisernen fehlen beim Roulette um zwei Plätze in der Bundesliga und sechs in der 2. Liga. Sie stellen sich dann ganz hinten an. Dort treffen sie mit dem 1. FC Magdeburg oder dem BFC Dynamo so einige Schwergewichte der Fußball-Szene der DDR. Auch sie hatten sich an den neuen Fleischtöpfen vorbeigespielt.

Das Glück Bundesliga haben die Vereine aus der DDR schnell aufgebraucht
Hansa Rostock als letzter DDR-Meister (obwohl es das Land bei der Titelfeier schon nicht mehr gibt und Dynamo Dresden ziehen die Jackpotlose Bundesliga, Stahl Brandenburg, Rot-Weiß Erfurt, der Chemnitzer FC (ehemals FC Karl Marx-Stadt), der Hallesche FC (HFC Chemie), der VfB Leipzig (ehemals 1. FC Lok) und der FC Carl Zeiss Jena ziehen den kleinen Gewinn Zweite Bundesliga. Über die Zeit werden es alles Nieten. Alle Vereine steigen ziemlich schnell ab. Hansa Rostock hält noch am längsten durch.
Dabei sind die Spieler aus dem Osten gefragt und begehrt. Viele sind, sollte man sagen, trotz oder wegen der Kinder- und Jugend-Sportschule (KJS) erstklassig ausgebildet und schaffen es ins Nationalteam. Matthias Sammer wird 1996 sogar zu Europas Fußballer des Jahres gewählt. Als bisher letzter Kicker aus dem Land des nunmehrigen viermaligen Weltmeisters. Allein Trainer sind nicht gefragt. Dabei bringt nicht nur Hans Meyer eine grandiose Expertise mit.
Fußball im Osten ist, wenn am Ende der Westen gewinnt
Was folgt, sind Spielzeiten, die irgendwie an die Dauer-Meisterzeit des BFC Dynamo erinnern. Fußball im Osten ist, wenn am Ende der Westen gewinnt. Punktueller Erfolg wie der Aufstieg Leipzigs in die Bundesliga 1993 oder die drei Erstliga-Jahre von Energie Cottbus um die Jahrtausendwende, denen wenig später drei weitere Jahre folgten, sind im Erfolg unglaublich schön, im Abstieg am Ende logisch. In Sachen Geld und Infrastruktur hinken die Teams aus dem Osten der Musike hinterher. Aus eigener Kraft geht nichts.
Auch der 1. FC Union geht diesen Weg, klettert bis in die Zweite Liga, um dort wie so viele andere zunächst ebenso schwer zu scheitern. Die Bruchlandung ist hart, die Auferstehung Geschichte. Der 1. FC Union spielt sich mit dem Bundesliga-Aufstieg 2019 in den elitären Kreis der DDR-Produkte, die es im Sport neben den Eishockey-Cracks des EHC Eisbären und den Super-Handballern des SC Magdeburg auf den gesamtdeutschen Markt geschafft haben. Wie der Rotkäppchen-Sekt oder Radeberger Pilsner, Senf aus Bautzen oder Gurken aus dem Sprewald sind die Fußballer aus Köpenick ostdeutsche Erfolgsgeschichte.
Seit fünf Jahren verteidigt der 1. FC Union seine Pole-Position
Seit fünf Jahren verteidigen die Männer von Präsident Dirk Zingler ihre Pole-Position. Beeindruckend ist das, zum Kneifen stark und doch ein Tanz auf dem Drahtseil. Erinnert sei an die vergangene Saison.
Erfolg haben ist im Osten weniger eine Frage der Geburt. Es sei denn, man ist Michael Ballack aus Görlitz und in Karl-Marx-Stadt sozialisiert, oder noch eher Toni Kroos, genau acht Wochen nach dem Sturz des antifaschistischen Schutzwalls in Greifswald geboren. Es ist noch mehr eine Frage harter Arbeit als anderswo in diesem Land. Fehler machen wird im Osten noch immer härter bestraft. Wer höher fliegt, kann tiefer fallen. Weil die Infrastruktur auch 35 Jahre nach dem Mauerfall nicht das Niveau des Westens hat. ■