Neue Sky-Doku

Vitali Klitschko: DAS hat der Krieg mit ihm gemacht!

Eine neue Dokumentation begleitet den Schwergewichts-Boxweltmeister Vitali Klitschko bei seinem härtesten Kampf. Ab 13. September im Stream.

Author - Karim Mahmoud
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Vitali Klitschko: In seinem Herzen geht der Krieg weiter
Vitali Klitschko: In seinem Herzen geht der Krieg weiterSky

Im neuen Dokumentarfilm „Klitschko – der härteste Kampf“ (auf Sky und dem Streamingdienst WOW) wird man nach etwas mehr als einer Stunde mit einer Schlüsselszene konfrontiert: Gezeigt wird der Kampf Vitali Klitschkos gegen Lennox Lewis am 21. Juni 2003  in Los Angeles (USA). Klitschko ist angeschlagen. Sein linkes Auge trieft vor Blut, die Braue klafft nach einem harten Treffer mehrere Zentimeter weit. Nach Luft ringend, scheint sich der Box-Champ bereits mit seiner bevorstehenden Niederlage abzufinden. Da wird der Kampf plötzlich vorzeitig abgebrochen.

Wütend steht Klitschko auf und protestiert. Jetzt will er den Kampf erst recht nicht verloren geben. Vorher vielleicht, aber nicht unter diesen Bedingungen. Nun, er verlor ihn trotzdem. Lewis siegte durch technischen K.-o. in der sechsten Runde. Aber die Szene ist aufschlussreich. Denn sie zeigt exemplarisch, was den Schwergewichts-Boxweltmeister Vitali Klitschko immer wieder aufstehen lässt: Unfairness und Ungerechtigkeit – es ist sein maßloser Ehrgeiz, immerzu einer guten und gerechten Sache zu dienen.

Heute ist der Zwei-Meter-Mann Vitali Klitschko 53 Jahre alt und Bürgermeister von Kiew, und er befindet sich im Krieg. Sein Land, die Ukraine, kämpft eine schier aussichtslose Reihe von Schlachten gegen Russland. Seit mehr als zwei Jahren.

Vitali Klitschko ist jetzt Bürgermeister von Kiew

In der Doku „Klitschko – der härteste Kampf“ tauchen wir tief in das Leben von Vitali Klitschko ein, dem ehemaligen Schwergewichts-Champion, der mit seinem Bruder Wladimir (48) die Boxwelt mehr als ein Jahrzehnt dominierte. Heute ist Vitali nicht nur eine Boxlegende, sondern auch der unermüdliche Regent von Kiew – und das in einer der gefährlichsten Zeiten der Stadtgeschichte.

So sieht das Poster zum Dokumentarfilm über die Klitschkos aus
So sieht das Poster zum Dokumentarfilm über die Klitschkos ausSky

Seit die russischen Truppen im Februar 2022 auch die ukrainische Hauptstadt ins Visier genommen haben, steht Vitali in der ersten Reihe und kämpft für sein Land. An einer Stelle des Films sagt er nach einem Besuch bei Frontsoldaten: Wäre er kein Bürgermeister, dann wäre sein Platz an der Seite dieser Männer. Und man glaubt ihm das auf Anhieb.

Der Dokumentarfilm startet am 13. September. Regie führte Kevin Macdonald, der bereits für „Ein Tag im September“ mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Unterstützt wurde er von Edgar Dubrovskiy, dem Kameramann von „Der Tinder-Schwindler“. Und natürlich zeigt die Klitschko-Doku nie zuvor gesehene Aufnahmen aus den persönlichen Archiven der Klitschko-Brüder, auch aus dem gut gehüteten Familien-Archiv.

Man sieht Vitali Klitschko, wie er von Termin zu Termin hetzt

Erzählt wird die Geschichte ihres Aufstiegs, vom harten Drill ihrer Kindheit in der Sowjetunion bis hin zu ihrer beispiellosen Sportkarriere, die ein ums andere Mal in eine faustdicke Rivalität ausartete – das Ganze garniert mit schnell geschnittenen Bildern aus der heutigen Ukraine, den USA und Deutschland.

Der Film bedient sich dabei keines ungewöhnlichen Formats: Lange Intervieweinstellungen wechseln sich ab mit ebenso langen Kamerafahrten durch ein gestresstes und zerschossenes Kiew. Schnitt/Gegenschnitt, das ist das Muster der Montage. Dazwischen gibt es ein paar Boxkämpfe von Vitali und seinem Bruder Wladimir.

Man sieht Vitali Klitschko, wie er von Termin zu Termin hetzt. Öde Bürotage fransen in Frontbesuchen aus, bei denen der Bürgermeister Witwen und Waisen tröstet, Trümmer besichtigt, den Patriarchen aufsucht. Zwischendurch trainiert Klitschko seine Muskelberge in der Muckibude. Es sei kein physisches Training, sondern ein geistiges, sagt er, wie um sich selber anzufeuern. Mit Hanteln zu arbeiten, ist für ihn offenbar ein Stresskiller. Und Stress hat er, „deshalb brauche ich auch mindestens sechs Stunden Schlaf“, hören wir Klitschko sagen. Sonst würde er sich verhaspeln, was er dann auch prompt tut.

Vitali Klitschkos größter Gegner steht in den eigenen Reihen

Nun wäre ein Dokumentarfilm deutlich zu schlicht, würde er nur diesen einen verzweifelten Kampf nach den vielen erfolgreichen Boxkämpfen Vitali Klitschkos abbilden: die Schlacht gegen Russland. Der Boxweltmeister kämpft schließlich nicht nur gegen Kreml-Chef Wladimir Putin. Parallel kämpft er gegen einen weiteren Gegner – einen Feind in seinen eigenen Reihen. Einen mächtigen. Und es ist erstaunlich, dass der Oscar-Regisseur Kevin Macdonald zu diesem Feind in den eigenen Reihen so freimütige Antworten von Vitali Klitschko erhält.

Vitali Klitschko tröstet ein Opfer des Ukrainekrieges.
Vitali Klitschko tröstet ein Opfer des Ukrainekrieges.Sky

Früher schlug der seine Gegner reihenweise k. o. In seinem Kinderzimmer hingen einst Poster von Sylvester Stallone und Arnold Schwarzenegger. Die Muskelmänner aus Hollywood hatten es ihm vorgemacht. Und nie war Vitali Klitschko in seiner Karriere ausgeknockt worden.  Aber dieser neue Gegner hier in der Ukraine – der ist stärker als er. Und er lässt sich nicht so leicht einschüchtern und aus dem Ring prügeln wie seine früheren Kontrahenten. Sein Name ist Wolodymyr Selenskyj.

An dem Präsidenten der Ukraine beißt sich Vitali Klitschko die Zähne aus. Aus der Doku geht nicht klar hervor, wie es zu dieser Rivalität kam. Selenskyj, wird erzählt, hält den Bürgermeister von Kiew für unfähig. Es sterben Menschen, weil Klitschko nicht dafür sorgt, dass Schutzräume offen sind. Doch eigentlich beruht die Gegnerschaft von Vitali Klitschko zu Wolodymyr Selenskyj hierauf: Man glaubt, dass er nach dem Krieg gegen Russland Präsident werden möchte. Und, will er das? „So denke ich nicht, was ich will, ist den Wechsel“, sagt Klitschko im Film.

Vitali Klitschko muss mehr denn je beweisen, dass er nicht nur ein Champion im Ring ist

„Klitschko – Der härteste Kampf“ ist mehr als nur eine Sport-Doku: Es ist die Geschichte zweier Männer, die sich vom Boxring auf die politische Weltbühne gekämpft haben. Wladimir nutzt seinen Promi-Status, um Mittel und militärische Unterstützung für die Ukraine zu sichern, während Vitali als unerschrockener Anführer auftritt. Schon 2014 machte er als Gesicht der Maidan-Revolution von sich reden und gewann kurz darauf die Wahl zum Bürgermeisteramt von Kiew – mit einem klaren Anti-Korruptions-Programm, das den Westen frohlocken ließ.

2002: Vitali Klitschko (l.) während seiner Zeit als Boxer neben seinem Bruder Wladimir.
2002: Vitali Klitschko (l.) während seiner Zeit als Boxer neben seinem Bruder Wladimir.Sven Simon/imago

Die Politik in der Ukraine sei ein dunkles, trübes Gewässer, immer noch sowjetgeprägt, sagt Vitali im Dokumentarfilm „Klitschko – der härteste Kampf“. Jetzt, mitten in der größten Krise seines Landes, muss Vitali Klitschko also mehr denn je beweisen, dass er nicht nur ein Champion im Ring, sondern auch ein Held für sein Volk ist. In seinem Herzen geht der Krieg immer weiter, und die Welt schaut ihm ab 13. September dabei zu. ■