Sind wir in Korruptistan?

Bestechung am laufenden Band – Berlin bekommt ein Korruptions-Problem

Auch gegen die Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) wurde Anklage erhoben. Korruption scheint in Berlin Konjunktur zu haben.

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Korruption hat in Berlin Konjunktur. Es gibt immer mehr Fälle.
Korruption hat in Berlin Konjunktur. Es gibt immer mehr Fälle.fStop Images/imago

Sind wir schon in Korruptistan? In Berlin steigt die Zahl der Fälle von Bestechung und Bestechlichkeit. Und es sind auch prominente Fälle darunter, wie ein neuerer aus der Politik zeigt.

Im August erschütterte ein Korruptionsskandal die Polit-Szene der Hauptstadt. Im Zentrum der Berliner Affäre: die ehemalige Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). Die Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen die Ex-Politikerin erhoben – der Vorwurf lautete auf Bestechlichkeit.

Aber Dilek Kalayci ist dabei nicht allein im Visier der Ermittler. Mitangeklagt ist der Chef einer PR- und Werbefirma, und der soll Kalayci bei deren Hochzeit großzügig unter die Arme gegriffen haben. Rechnung? Fehlanzeige! Im Gegenzug soll Kalayci versprochen haben, dass dessen Firma Aufträge von ihrer Senatsverwaltung erhält.

Nach KURIER-Informationen hat die Firma allerdings keine Aufträge von Kalaycis Verwaltung erhalten. „Eine Abfrage bei allen Senatsverwaltungen und Bezirksämtern ergab, dass die Agentur des beschuldigten Inhabers im abgefragten Zeitraum keine Aufträge erhalten hat“, so Florian Graf, Chef der Senatskanzlei.

Korruptionsaffären keine Seltenheit mehr in Berlin

Trotzdem: Korruptionsaffären wie diese sind keine Seltenheit mehr in Berlin. Eine parlamentarische Anfrage des Linke-Politikers Sebastian Schlüsselburg, die der Morgenpost (Bezahlschranke) vorab vorliegt, deckt erschreckende Zahlen auf: Bestechung und Bestechlichkeit nehmen in der Hauptstadt rasant zu. Besonders brisant: 2023 gab es 34 Verfahren wegen Bestechung – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu 27 Fällen im Vorjahr.

Auch bei der Bestechlichkeit zeigen die Zahlen eine alarmierende Entwicklung: Von 10 auf 12 Verfahren. Besonders betroffen sind die Immobilien-, Pharma- und Dienstleistungsbranchen. Korruption scheint in Berlin Konjunktur zu haben.

Korruption nimmt in Berlin zu. Gegen die Ex-Senatorin Dilek Kalayci wurde Anklage erhoben.
Korruption nimmt in Berlin zu. Gegen die Ex-Senatorin Dilek Kalayci wurde Anklage erhoben.Photopress Müller/imago

Schlüsselburg, Rechtsexperte der Linken, zeigt sich besorgt und fordert entschlossenes Handeln:  „Korruption ist kein Kavaliersdelikt. Sie untergräbt das Vertrauen in staatliche Institutionen und Privatunternehmen und führt zu enormen wirtschaftlichen Schäden.“ Die Zahlen geben ihm recht. Besonders heikel: Im Jahr 2023 waren 76 Prozent der Tatverdächtigen Amtsträger.

Diese „Nehemenden“ sicherten sich insgesamt 8650 Euro an unrechtmäßigen Vorteilen, meistens in Form von Bargeld. Doch auch luxuriöse Reisen, Dienstleistungen und teure Sachzuwendungen waren beliebte Methoden. Die „Gebenden“ schafften es sogar, 65.000 Euro an Vorteilen für sich herauszuholen.

Korruption bleibt in vielen Fällen im Dunkeln

Die Ermittler stehen dabei vor einem mittelgroßen Problem: Weder die Bestecher noch die Bestochenen haben Interesse daran, die schmutzigen Deals aufzudecken. Korruption bleibt in vielen Fällen im Dunkeln. Trotzdem konnten 2023 immerhin 55 „Gebende“ und 21 „Nehemende“ identifiziert werden.

Interessant dabei ist: In 26 Prozent der Fälle kam der Skandal nur ans Licht, weil die betroffene Stelle selbst Alarm schlug. Oftmals waren es aber auch Whistleblower oder unzufriedene „Nehmer“, die den Ermittlern entscheidende Hinweise lieferten.

Der Berliner Senat steht jetzt ganz klar unter Druck. Schlüsselburg fordert mehr Ressourcen für Polizei und Justiz, um der Korruption effektiv den Kampf anzusagen.

Übrigens: Ob die ehemalige Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci im Falle einer Verurteilung Einbußen bei ihren Ruhestandsgehältern zu befürchten hätte, ist unklar. Nach Informationen des Berliner KURIER ist im Senatorengesetz das Erlöschen der Versorgungsbezüge wegen Verurteilung für ehemalige Mitglieder des Senats nicht geregelt. Was an sich schon ein Skandal ist. ■