Die Reifenwechsel-Saison hat begonnen. Viele lassen nun nach der alten Regel „von O bis O“ (von Ostern bis Oktober) ihre Sommerreifen aufziehen und lagern die Winterreifen ein. Und immer wieder erhalten Kunden nach dem Reifenwechsel in der Werkstatt den Hinweis, die Radmuttern nach einer gewissen Strecke nachzuziehen. Doch wie sieht es aus? Muss man sich daran halten, und wer haftet dann eigentlich bei einem Unfall?
Es ist auf der Rechnung vermerkt, wird einem beim Abholen extra gesagt, manchmal befindet sich auch noch ein auffälliger Aufkleber im Auto: der wichtige Hinweis, nach dem Reifenwechsel nach 50 Kilometern die Radmuttern erneut nachzuziehen. „Nach dem Rad- bzw. Reifenwechsel ist es für die Fahrsicherheit unerlässlich, dass Sie die Radmuttern nach den ersten 50 gefahrenen Kilometern nachziehen“, schreibt zum Beispiel der Reifenhersteller auf seiner Internetseite.
Dies liege daran, dass die Radmuttern typischen Belastungen und Kräften ausgesetzt sind, die mit dem täglichen Betrieb des Fahrzeugs einhergehen. „Diese Belastungen können sich darauf auswirken, wie fest die Radmuttern sitzen, was zur Folge haben kann, dass sie sich weiter festziehen oder lockern“, heißt es weiter.
Radmuttern nachziehen: Das sagt der ADAC
Der ADAC widerspricht dieser Praxis und erklärt von technischer Seite: „Wenn die Radbefestigungen in Ordnung sind und beim Anziehen der Schrauben das richtige Drehmoment verwendet wurde, muss das Rad halten“, berichtet Auto, Motor und Sport.
Eines ist sicher: Eine Kontrolle kann dabei helfen, fehlerhafte Arbeiten der Werkstatt frühzeitig zu erkennen, bevor es zu ernsten Problemen kommt. Allerdings sind wir als Autofahrer nicht verpflichtet, dies durchzuführen – selbst wenn die Werkstatt darauf hinweist, sagt Cornelius Blanke vom ADAC dem Radiosender FFH. Denn korrekt montierte Räder sollten auch ohne nachträgliches Nachziehen der Radmuttern sicher halten.

Wer haftet: Werkstatt oder Autohalter?
Eine Autowerkstatt haftet grundsätzlich für Fehler, die beim Reifenwechsel gemacht worden sind. Das hat das Oberlandesgericht München am 19.5.2021 (Az. 7 U 2338/20) entschieden. Die Werkstatt kann sich ihrer Verantwortung nicht durch eine Aufforderung zur erneuten Radmutter-Kontrolle entziehen. Die Haftung der Werkstatt für Fehler werde nicht durch den Kontrollhinweis auf der Rechnung aufgehoben.
Zuerst wurde der Fahrzeughalter mit einer Mitschuld von 30 Prozent an einem Unfall haftbar gemacht. Nach etwa 100 Kilometern auf der Autobahn löste sich das linke hintere Rad seines Mercedes, was zu einem Unfall mit erheblichem Sachschaden führte, berichtet Auto, Motor und Sport.
Die Werkstatt bestritt in der ersten Verhandlung vor dem Landgericht München einen Montagefehler und verwies auf die Aufforderung an den Kunden, nach 50 Kilometern die Radmuttern zu überprüfen. In der Berufungsverhandlung kassierte das OLG die Mitschuld des Halters. „Nach einem fachgerecht durchgeführten Reifenwechsel und ohne konkrete Anhaltspunkte für eine nicht fachgerechte Montage dürfe sich der Kunde darauf verlassen, dass die Radmuttern nach einer Fahrtstrecke von 50 Kilometern fest sitzen“, urteilte das Gericht. Er müsse die Radmuttern nicht kontrollieren.
Warum raten die Werkstätten zum Nachziehen?
Cornelius Blanke vom ADAC formuliert es so: „Weil man [als Kunde] dann auf Nummer sicher gehen will und entweder noch mal vorbeifährt und noch mal nachziehen lässt oder es selbst macht. Dann hat man die doppelte Sicherung. Das ist so eine kleine Geschichte, die sich der Fachhandel hat einfallen lassen – und dagegen ist auch nichts zu sagen.“
Letztlich geht es darum, dass fehlerhafte Arbeiten in der Werkstatt möglicherweise noch rechtzeitig entdeckt werden können. Denn auch wenn die Werkstatt rechtlich verantwortlich ist, hilft das wenig, wenn man selbst bei einem Unfall Schaden nimmt. ■