Wichtige Tipps für Eltern

Nahost-Konflikt und Ukraine-Krieg: Wie erkläre ich den Terror meinen Kindern?

Auch wenn sie selbst nicht von Krieg oder Flucht betroffen sind: Kinder bekommen von Konflikten in der Welt immer etwas mit. Wie sollten Eltern damit umgehen?

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Ein palästinensisches Kind steht nach den israelischen Luftangriffen auf den Überresten der zerstörten Gebäude rund um die Al-Bilal-Moschee im Flüchtlingslager Bureij.
Ein palästinensisches Kind steht nach den israelischen Luftangriffen auf den Überresten der zerstörten Gebäude rund um die Al-Bilal-Moschee im Flüchtlingslager Bureij.Mohammed Talatene/dpa

Die Welt gerät immer mehr aus den Fugen: Erst blickten alle fassungslos auf die Ukraine und den Angriffskrieg des russischen Machthabers Wladimir Putin - nun ist es der Nahost-Konflikt, der die Menschen auf der ganzen Welt sprachlos macht. Das Massaker der Hamas in Israel, die darauf folgenden Luftangriffe auf den Gaza-Streifen - und auch in der Ukraine wird ohne Pause gekämpft. Die Bilder überfluten uns alle. Keine Nachrichtensendung, kein Internetportal, keine Zeitung kommt ohne Tod, Zerstörung und Tränen aus. Da fragen sich viele Eltern: Wie bringt man seinen Kindern bei, was der scheußliche Krieg bedeutet?

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Schon Grundschulkinder bekommen über Netz, Fernsehen und Apps Bilder und Nachrichten von Krieg und Gewalt zu sehen, selbst wenn sie nicht danach suchen. Zudem rückt mit Flüchtlingskindern in der Klasse der Krieg auf einmal ganz nah. „Sie bekommen außerdem mit, wie sich die Erwachsenen darüber unterhalten“, sagt die Psychologin und Autorin Elisabeth Raffauf. In ihrem Bilderbuch „Wann ist endlich Frieden?“ findet sie kindgerechte Antworten auf Kinderfragen - im Interview verrät sie, wie Eltern auf die Fragen ihrer Kinder reagieren sollten und wie man Kindern die Angst vor dem Krieg nehmen kann.

Inwieweit können und sollten Eltern ihre Kinder vor Kriegsnachrichten bewahren?

Elisabeth Raffauf: Erst einmal kann man total gut verstehen, dass Eltern das gerne möchten. Sie wollen nicht, dass ihre Kinder sich Sorgen machen und von solchen Dingen wissen. Aber man kann nicht verhindern, dass sie Bilder sehen, Nachrichten hören und die Aufregung der Erwachsenen mitbekommen, und deshalb können Eltern ihre Kinder nicht davor bewahren.

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Es ist vielmehr wichtig zu gucken: Inwieweit beschäftigt das mein Kind? Stellen die Kinder Fragen, dann brauchen sie auch Antworten. Sagt man ihnen bloß: „Ach, da ist ja gar nichts“, dann machen sie sich ihre eigenen Gedanken, und die sind manchmal bedrohlicher als die Realität. Manche Kinder brauchen auch Informationen, sie haben eine konkrete Frage.

40 Prozent der Todesopfer in Gaza sind der Hilfsorganisation Save the Children zufolge Kinder.
40 Prozent der Todesopfer in Gaza sind der Hilfsorganisation Save the Children zufolge Kinder.Abed Rahim Khatib/dpa

Was haben Kinder für Fragen, wenn sie von Krieg und Flucht hören oder die Folgen im eigenen Land erleben?

Elisabeth Raffauf: Manche machen sich Sorgen: „Kann das auch bei uns passieren? Was machen wir, wenn der Krieg auch zu uns kommt?“ Andere haben vielleicht Flüchtlingskinder in der Klasse und machen sich Gedanken: „Wie sind die hierhergekommen, was haben sie erlebt und wie geht es ihnen damit?“

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Wieder andere bekommen vielleicht einen Streit auf dem Schulhof mit von Kindern aus Ländern, die sich gerade bekriegen. Und sie fragen sich: „Das sind doch meine Freunde, wieso streiten die sich so heftig?“ Und manche Kinder wollen wissen, was sie tun können, wenn sie Angst haben.

Kinder schauen in Kiew auf ein bei russischen Raketenangriffen beschädigtes Gebäude.
Kinder schauen in Kiew auf ein bei russischen Raketenangriffen beschädigtes Gebäude.Danylo Antoniuk/ZUMA Press Wire/dpa

Wie können Eltern auf die Angst der Kinder reagieren?

Elisabeth Raffauf: Es ist wichtig, diese Angst zuzulassen und sie den Kindern nicht auszureden. Denn es ist ein Gefühl an der richtigen Stelle und es ist erstmal eine Sicherheit für die Kinder, zu wissen: Mein Gefühl stimmt. Eltern können sagen: „Da hat man auch Angst, da machen sich auch Erwachsene Sorgen.“ Das vermittelt Kindern, dass sie ihrem Gefühl trauen können, dass sie damit nicht allein sind und dass es gut ist, die Angst auf mehrere Schultern zu verteilen. Bei kleineren Kindern können Eltern auch sagen: „Komm, wir versuchen mal, die Angst zu malen. Und danach malen wir ein Bild, wo wir uns vorstellen, wie es aussieht, wenn wieder Frieden ist.“

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Wie kann man Kindern die meist hochkomplexen Konflikte erklären?

Elisabeth Raffauf: Das kommt immer auf das Alter an und darauf, was die Kinder wissen wollen. Grundsätzlich kann man erklären, dass das, was da passiert ist, eigentlich nicht passieren sollte, weil es einfach nur schrecklich ist. Und dass Terroristen Angst und Schrecken verbreiten wollen. Sie wollen, dass Menschen sich nicht sicher fühlen.

Elisabeth Raffauf ist Psychologin sowie Buchautorin und lebt in Köln.
Elisabeth Raffauf ist Psychologin sowie Buchautorin und lebt in Köln.Tina Niedecken/dpa-tmn

Wenn Kinder wissen wollen, warum diese Menschen das tun, kann man ihnen antworten: „Sie haben nicht gelernt, dass man mit Worten etwas erreichen oder auch Kompromisse schließen kann. Sie meinen, nur mit Gewalt etwas durchsetzen zu können.“ Man kann auch erklären, dass zwei Völker glauben, Anspruch auf das gleiche Land zu haben, und sich nicht friedlich einigen können.

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Eltern sollten den Blick dabei auch auf sich richten: Habe ich selbst vielleicht große Angst und ein Mitteilungsbedürfnis? Dann sollte ich das lieber mit anderen Erwachsenen besprechen, um meine Angst nicht auf mein Kind zu übertragen. Kinder müssen sich manchmal nur ein Stück Sicherheit holen. Sie haben vielleicht nur eine Frage und wenn die beantwortet ist, wollen sie weiter spielen. Wenn Eltern unsicher sind, können sie auch nachfragen: „Ist das okay für dich oder willst du noch mehr wissen?“ Auf keinen Fall sollte man ein Gespräch aufdrängen.

Welchen Rat geben Sie Kindern, denen die Kriegsereignisse Angst machen?

Elisabeth Raffauf: Ich habe für das Buch mit ukrainischen, syrischen und afghanischen Kindern gesprochen. Und ein syrisches Kind sagte mir sofort: „Wenn ich Angst habe, dann spreche ich mit meiner Freundin und meinen Eltern und die helfen mir dann.“ Das Wichtigste ist, nicht allein zu bleiben, sondern mit jemandem zu sprechen, dem ich vertraue.

Kinder stehen in Tschernihiw vor einem zerstörten Gebäude.
Kinder stehen in Tschernihiw vor einem zerstörten Gebäude.Natacha Pisarenko/AP/dpa

Es kann aber auch helfen, aktiv zu werden und aus der Ohnmacht, die einen befällt, herauszufinden. Man kann zum Beispiel für Kinder in Kriegsgebieten sammeln oder Flüchtlingskinder in der Schule ansprechen. Man kann in der Klasse über das Thema reden. Als der Ukraine-Krieg anfing, haben Kinder in Schulen Friedenszeichen gemalt oder Sätze aufgeschrieben und sie als Girlanden aufgehängt. So können wir Zeichen setzen, dass wir Frieden wollen. ■